Wednesday, March 03, 2010

Der Scopes-Prozeß

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte eine sich selbst als "Fundamentalismus" bezeichnende Bewegung in den USA erheblichen Einfluß erlangt. Diese Bewegung lehnte die Evolutionstheorie strikt ab und vertrat die Ansicht, daß die Bibel bezüglich der Schöpfung wörtlich zu verstehen sei. Der Einfluß der Bewegung reichte weit genug, daß in den Bundesstaaten Florida, Oklahoma und Tennessee Gesetze erlassen wurden, die das Unterrichten von der biblischen Schöpfungstheorie abweichender Auffassungen an öffentlichen Schulen untersagten. Das am 13. März 1925 in Tennessee erlassene Gesetz (Butler Act) war dabei das einzige, welches eine strafrechtliche Bestimmung enthielt. Die American Civil Liberties Union (ACLU) bot an, die Prozeßkosten für jeden zu übernehmen, der aufgrund dieses Gesetzes angeklagt würde.

Eine Gruppe von Geschäftsleuten aus Dayton (Tennessee) hielt einen Prozeß in dieser Sache für geeignet, ihre Stadt bekannter zu machen. Sie überredeten den Biologielehrer John T. Scopes, sich wegen dieses Gesetzes anklagen zu lassen. Scopes unterrichtete im April 1925 auf Grund des vom Staate Tennessee nicht untersagten Lehrbuches "Civic Biology" von Hunter in einer Unterrichtsstunde an der Rhea County High School die Evolutionstheorie. Ein eingeweihter Bürger erstattete daraufhin Anzeige.

Soweit die Vorgeschichte, die ich aus Faulheit aus dem Wiki-Artikel gemopst habe.

Die ursprüngliche Absicht der ACLU war es, eine landesweite Debatte über die konstitutionellen Rechte der Amerikaner anzustoßen und das Tennessee-Gesetz letztlich kraft des Gebotes zum Schutz der akademischen Freiheit, der Meinung-, Gedanken- und Religionsfreiheit als ungültig erklären zu lassen. All diese Aspekte wurden aber vernebelt, da die beiden Hauptgegner im Prozeß, der "fundamentalistische" Politiker William Jennings Bryan und der "agnostische"Anwalt Clarence Darrow sich eine wilde Gladiatoren-Schlacht lieferten, an deren Ende Darrow Bryan als Bibelexperten in den Zeugenstand rief. Dieses Kreuzverhör, in dem Bryan über Aussagen der Bibel und zum Alter der Erde vernommen wurde und sich in Widersprüche verstrickte, verlief so heftig, daß Darrow wegen Mißachtung des Gerichts verurteilt wurde. Das Kreuzverhör wurde zum Höhepunkt des Prozesses und zur bekanntesten Szene des 1960 gedrehten Films "Inherit the Wind" (Wer den Wind sät), der die ganze Geschichte wiedergibt.

Der (in der Wahl seiner stilistischen Mitten und in der dichterischen Freiheit leicht voreingenommene) Film hält sich insofern genau an die Realität, als daß man so gut wie nie das Gefühl hat, hier ginge es um etwas anderes als den Kampf zwischen Darwinisten und bibeltreuen Christen.

Scopes wurde übrigens zu $100 Strafe verurteilt, später jedoch vom Obersten Gericht von Tennessee wegen eines Formfehlers freigesprochen. Die Strafe gegen Darrow wegen Mißachtung wurde ebenfalls nach einer Entschuldigung erlassen.

Der Staat Tennesse hob 1967 den Butler-Act auf, und ein Jahr später entschied der Supreme Court in Epperson gegen Arkansas ebenfalls gegen ein Anti-Evolutionsgesetz.


Warum ezähle ich das alles?

Die Frage, die sich aufdrängt, ist, warum heute Krankenschwestern oder Flughafenangestellten, die einen Kreuzanhänger tragen, die Entlassung droht? Hatten die Macher des Films einen lichten Moment, als sie - bewußt oder unbewußt - den Prozeßverlauf richtig interpretierten und es so wirken ließen, als ginge es nicht um die Freiheit, sondern nur um das aktuell vorherrschende Übergewicht in der Gesellschaft, welches es erlaubt, die eigentlich geforderten Freiheiten zu unterdrücken?

Ich meine, das Kreuz als Anhänger ist nichts weiter als ein Zeichen, eine Realität, die, wenn wahrgenommen, auf eine andere Realität hinweist. Und diese andere Realität kann für den Betrachter des Zeichens Gott sein, oder die durch Christus erwirkte Erlösung, oder das Christentum selbst oder gar die katholische Religion. All diesen Dingen mag man mit Zu- oder Abneigung begegnen. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, daß das Zeichen, welches auf die andere Realität verweist, kein Instrument der Gehirnwäsche ist. Denn wieviel Menschen gibt es, die einen Kreuzanhänger erblicken und darauf hin aufspringen und ausrufen: "Ich muß mich taufen lassen! Jetzt!"? Funktionierte der Mensch so, dann müßten ja - angesichts von Che-T-Shirts und Mao-Ansteckern (Zeichen) - vor den Parteizentralen der kommunistischen oder sozialistischen Parteien Schlangen von Menschen stehen, die sich als Mitglieder einschreiben wollen. Funktionierte der Mensch so, dann müßten doch - angesichts einmal im Jahr durch europäische Großstädte paradierender Regenbogen-Fahnen und halb-entblößter Hinterteile (Zeichen) - sich bestimmte Bars und Discos eines monströsen Umsatzwachstums erfreuen.

Nein, ich glaube nicht, daß der Mensch so steuerbar ist. Daher verweigere ich niemandem sein Che-Hemd und wünschte mir von Gay-Pride-Paraden höchstens, daß sie manchmal ein wenig "anständiger" daherkämen. Keinesfalls aber will ich diese Form des Ausdrucks des eigenen Lebensgefühls schnöde und gewaltsam unterdrückt wissen.

Ist es müßig, die Frage zu stellen, warum der privaten Entscheidung, ein Kreuz als Anhänger zu tragen, nicht derselbe Respekt entgegengebracht wird? Lautet die schlichte Antwort tatsächlich "Du bist fundamentalistisch und ich bin aufgeklärt! Hier geht's gar nicht um Freiheit, und wenn doch, dann ist meine Freiheit freier als deine!"?

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