Sunday, March 28, 2010

Wo ist der Glaube?

Urlaub im Stift ist immer eine gute Gelegenheit, mal Internet und Massenmedien so weit es eben geht zu ignorieren. Einer der Nachteile an der momentanen Situation ist ja unter anderem, daß man vor lauter Reagieren eigentlich überhaupt nicht mehr dazu kommt, mal anständig nachzudenken. Ich habe mir gestern und heute mal die Situation abseits vom Getöse angeschaut.

Und es scheint mir, daß die Krise, in welcher die Kirche sich momentan befindet, zum großen Teil eine Krise des Glaubens ist.

Ich will diesbezüglich nicht viele Worte verlieren über Priester, die sich an Kindern vergriffen oder sie - selbst für die bis 1970/1980 herrschenden Verhältnisse - über das "normale" Maß hinaus körperlich gezüchtigt haben. Das ist iggitig, und da gibt's kein Vertun. Auch auf die Häupter der Bischöfe und Ordensoberen, die auf diese Ereignisse zu zaghaft und mit Furcht reagiert haben, soll hier und jetzt keine Asche regnen. Die Quittung dafür ist eh schon in der Post und die Kirche wird lange daran zu knabbern haben. Auch die teilweise hemmungslos überzogenen Reaktionen, die dramatisch verfälschten Informationen und die von offener Häme oder simplem Unwissen geprägten Kommentare von Seiten der Medien, der Politik und gewisser Verbände mit ganz bestimmten, ganz eigenen Interessen will ich hier nicht wieder durchkauen. Worum ich mich ebenfalls hier und jetzt nicht kümmere, das sind all die Leute, die aus einer anti-römischen, anti-katholischen, anti-christlichen oder atheistischen Ecke kommen und jetzt schabengleich ihr Süppchen mit dem neuen Moralin würzen (Jetzt zugreifen! Nur für kurze Zeit mit 25% mehr Mißbrauch des Mißbrauchs!): "Guck mal wie böse die Römlinge oder Katholiken oder Christen oder Religiösen sind! Bei uns ist's vieeeel menschlicher!"

Was mich momentan tatsächlich beschäftigt, ist die Kirche. Ich rede hier nicht von einem kaltherzigen Papst und einer machthungrigen Kurie. Ich rede nicht von einer todgeweihten und korrupten Institution. Ich rede nicht von einer Pädophilen-Mafia in Soutane. Ich rede nicht von einer Riege von Spaßbremsen, die jedermann jedes noch so kleine Vergnügen mißgönnt und selbst an diesen Anforderungen zerbricht. Kurz: Ich rede nicht von dem, was einige Stimmen uns als Kirche verkaufen wollen.

Ich rede von all den anderen Menschen, welche die Kirche bilden. Ich rede von Schwestern aus Afrika, die mich mit Tränen in den Augen fragen, ob das, was sie über Deutschland in den Zeitungen lesen, wirklich stimmt und mir im gleichen Atemzug ihre Gebete versprechen. Ich rede von Laien, die kleine Gebetszettelchen in Kirchen zurücklassen, aus denen einerseits tiefe Verzweiflung und andererseits auch große Treue spricht. Ich rede von Professoren, die ich zum ersten Mal rat- und sprachlos erlebe. Ich rede von Mitstudenten, die sich auf die ganze Geschichte nicht den geringsten Reim machen können, weil das, was sie nun lesen und hören, für sie nicht das ist, was sie unter "Priester" verstehen, nicht das, was sie als Priester sein wollen. Ich rede von Männern, die nicht mehr weit von ihrer Diakonatsweihe entfernt sind und sich fragen, ob der Herrgott aufgrund eines unerklärlichen Ratschlusses die Kirche in weiten Teilen seiner Erde nun wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lassen will, wenn sie grade erst ein Bein am Altar haben. Ich rede von den Otto-Normal-Katholiken, die sich momentan irgendwie vorkommen, wie unter einem Mikroskop bei sehr hellem Licht. Ich rede von den Leuten, die wissen, daß die Kirche nicht das ist, was nun momentan durch die Medien geistert. Ich rede von den Gläubigen die trotzdem - oder vielleicht auch grade deswegen - heute während der Palmsonntagsliturgie die Stiftsbasilika füllten und mir oft unsicher aber aufmunternd zulächelten, wenn mein Blick beim Ein- und Auszug unstet hin- und herschweifte. Ich rede von Katholiken, die auf ihre Kirche, auf ihre Priester und auf ihren Papst blicken und verstehen, daß nun ein Minimum an Selbstgerechtigkeit und Manövrieren, dafür aber ein Höchstmaß an gutem Willen und unzählige Gebete gefragt sind. Kurz: Ich rede von all jenen, die - im Gegensatz zu manch Anderen - mit Recht von sich sagen dürfen: "Wir sind Kirche!"

Und das bringt mich zu den Leuten, die nun glauben, der Kirche den Rücken kehren zu müssen. Das bringt mich zur Krise des Glaubens. Wer während der ganzen vergangenen Jahre und Jahrzehnte nur deswegen Katholik war, weil ihm oder ihr irgendwie noch der entscheidende Anlaß fehlte, der Kirche "Lebewohl" (noch nicht mal, es klingt ja meistens eher wie ein Götz-Zitat, wenn man ehrlich ist) zu sagen, der hat von unserem Glauben nichts verstanden. Wer nicht einmal die nötige Distanz und Geduld aufbringt, um in sich nach dem Potential zur Vergebung zu forschen, der hat nie verstanden, was auf Golgota geschah. Wer müde abwinkend den Rücken kehrt, wo sich hilfesuchend Hände emporrecken, der ist erstens nicht besser als die Bischöfe, denen er "Wegschauen" vorwirft und hat zweitens während der Bergpredigt eine lange Pinkelpause eingelegt. Wer wegen seines Zornes auf "Kirchenfunktionäre" seine Mit-Katholiken alleine lässt, der gibt damit zu verstehen, daß die nun bangenden und betenden Laien nichts zählen, und der macht sich folglich der finstersten Art des Klerikalismus schuldig. Wer der Kirche unseres Herrn Jesus Christus in Zeiten der Not Gebet und sowohl hör- als auch sichtbare Unterstützung verweigert, der stärkt das Lager der Wölfe, die sich bereits ausmalen, was sie mit den versprengten Schäfchen so anstellen werden. Wer jetzt zum mystischen Leib unseres Herrn sagt "Ich kenne dich nicht!", der hat immerhin schon mal in den Wald hineingerufen.

Wer jetzt seine Hände in Unschuld wäscht, wenn eigentlich jeder mit anzupacken hat, um den Laden wieder rein zu kriegen, der kann auch gleich den nächsten Schritt machen und Christus wieder ans Kreuz nageln.

9 comments:

Benedetta said...

Wow. Ich bin sprachlos. Das, mein liever Alpius, ist bei weitem der hervorragendste Artikel, den ich zum Thema gelesen habe.

Ich bin sehr gerührt und ich bin sehr dankbar.

Gott segne Dich.

Anonymous said...

Die Gründe, die mich bewogen haben, eine Weile Abstand von der Kirche zu nehmen, waren ganz andere; sie hatten mit der unsäglichen Dummdreistigkeit eines Predigttextes zu tun und mit noch mancherlei, was mir in der real existierenden Kirche auf Nerven und Gemüt geht.
Ich habe mich entschieden, dabeizubleiben - schon weil ich nicht weiß, wo ich sonst eine trotz allem so gute geistige Heimat finde.
Die neue Hypothek, mit der wir nun leben müssen, ist schwer und macht ältere Hypotheken nicht wohlfeiler. Aber es hat ja auch niemand behauptet, daß es leicht würde für die Kirche.
Klar, man hätte sich gewünscht, daß die Feinde der Kirche wenigstens brav von außen kommen. Aber das war vielleicht etwas naiv, bei so einer großen Organisation.
Und der Glaube? Den haben viele wenigstens ansatzweise. Der muß genährt werden durch Wissen, denn es ist blanker Unsinn, zwischen Glauben und Wissen eine Trennwand ziehen zu wollen. Glauben kann ja nicht ohne eine grundsätzliche Schriftkenntnis, exegetische Grundlagen und immer neuen, frischen Dialog am Leben bleiben, und das alles ist auf Theologie in Reinkultur angewiesen.
Daß das Christentum zur Zeit eine schwindende Größe ist, mag daran liegen, daß es sich mit Bildung ebenso verhält. Religiöse Grundzüge haben ja fast alle Menschen. "Lehret alle Völker" - das heißt für mich auch: "Bringt allen, so gut es geht, Kultur und Bildung nahe. Einerseits, weil das auch Größen für sich sind. Andererseits, weil es sonst mit dem Glauben auch nichts Rechtes wird."

feline said...

Harte Worte. Vielleicht sind die Kirchenaustritte auch Hilferufe, weil Verzweiflung und Ohnmacht sich breit macht?! Wem soll man noch glauben? Für jemanden der wenig Verbindungen mit der Kirche hat ist das ein kleiner Schritt, aber sicher nicht unüberlegt. Vielleicht sollten wir viel mehr beten für die Menschen die sich diesem Thema gegenüber hilflos fühlen? Vielleicht ist die Karwoche dafür eine gute Gelegenheit?

maternus said...

Großartig, danke.

simon said...

Danke für Deine Überlegungen! Ich kann Dir nur voll und ganz Recht geben! JA zur Kirche, JA zum Heiligen Vater - JA ZU CHRISTUS! Letztlich gehen doch jene von der Kirche weg (auch aus dem Priester- und Ordensstand), die Christus nie wirklich geliebt haben. Die alles entscheidende Frage Christi an uns alle ganz persönlich: "Du aber, für wen hältst Du mich?", gilt es auch für uns zusammen mit Petrus zu beantworten: "DU BIST CHRISTUS, DER SOHN DES LEBENDIGEN GOTTES!" und mit Papst Johannes Paul I. beten wir dann jeden Tag: "O Herr, gib dass meine Liebe zu Dir noch wachse!" Wenn ich mir klar bin WER Christus irklich für mich ist, wenn ich mich bemühe, IHN wirklich zu lieben - kann ich dann Seiner Kirche den Rcke kehren, die, wie Augustinus sagt, am Kreuz aus Seinem geöffneten Herzen hervorgegangen ist? Kann ich dann Seinem Stellvertreter die Liebe, den Gohrsam und mein Gebet verweigern? Shon die hl. Theresia Benedicta a Cruce (Edith Stein) hat gemahnt: "Alles kommt auf die Liebe an, da wir am Ende nach der Liebe gerichtet werden."
Herzliche Grüße nach Klosterneuburg und eine gesegnete Karwoche!

Laurentius Rhenanius said...

Danke, mal wieder!
Ich denke wir sind mal wieder in eiener Phase der Geschichte angekommen, wo es mit der kuscheligen Sozialarbeiterkirche zu Ende gegangen ist und wir (Achtung! protestantisch belegter Begriff) zu einer "bekennenden Kirche" werden müssen, zur Kirche unter dem Kreuz zurückkehren müssen. Es scheiden sich nun wieder die Geister...

Anonymous said...

Warum ich oben als Anonymus geführt werde, weiß ich nicht. Also, da es nicht meine Art ist, anonym zu kommentieren: Ich bins (und wars), Claudia. :-)

Der Herr Alipius said...

@claudia: Keine Ahnung, was da passiert ist. Der Kommentar kam als "anonymous" an ?!?!? Aber schönen Dank für's "Enthüllen"!

Altenbochumer said...

Wenn Du in Zukunft nicht mehr bloggen willst, dann veröffentliche wenigstens Deine Sonntagspredigten. Solche Texte dürfen in der Zwischennetzmission einfach nicht fehlen!