Laut der Washington Times wird das Bloggen für jüngere Leuten weniger interessant. Social Networking hingegen wird immer beliebter.
Schnelle und kurze Befindlichkeits-Updates saugen mehr und mehr dem Bloggen in langer Form das Leben aus.
Eine 18-jährige College-Studentin dazu: "Leute heutzutage finden Lesen einfach nicht so spaßig."
Eszter Hargittai von der Northwestern University vermutet, daß weniger junge Leute daran interessiert sind, jeden ihrer Gedanken mit der Welt zu teilen.
Hier liegt aber genau das Problem. Wer im Zeitalter schneller und weltweiter Kommunikation sich hauptsächlich in Nachrichten von 140 Zeichen austauscht (in Netspeak (Internet-Slang) und Textese (SMS-Sprache) geschrieben und mit Emoticons geschmückt) und nicht in längerer Textform Gedanken-Gerüste aufbaut, verkommt zu einem Meister der verkürzten Aufmerksamkeitsspanne, der erzwungenen Zusammenhänge und der löchrigen Schlußfolgerungen. So werden weitere Generationen von Konsumenten herangezüchtet, die vielleicht nicht jeden Gedanken teilen wollen, sich komischerweise aber dazu berufen fühlen, jede Meinung mitzuteilen und - schlimmer - jeder daherkommenden Meinung anhängen können.
Auf den erten Blick mag es eine angenehme mögliche Begleiterscheinung geben: Das Bloggen wir mit der Zeit zu einer Angelegenheit für erwachsenere, reifere Menschen.
Das Problem: Wenn mit der Zeit nicht nur die Lust am Bloggen sondern auch die Lust am Lesen längerer Texte abnimmt, dann erreichen die Reifen nicht das Kanonenfutter der Meinungsmacher. Was das z.B. für die Rezeption der Katholischen Kirche und des Christlichen Glaubens bedeutet, davon kann sich heute schon jeder ein Bild machen, der Zeit und Mut hat, sich die Kommentare einschlägiger Online-Nachrichtenmagazine anzuschauen. Ich meine, wenn schon eine Zeitung nur Schule und Mißbrauch hört und dann in einer Schlagzeile den Papst um Stellungnahme bittet (obwohl es eine staatliche Schule war), wie soll man dann darauf vertrauen können, daß der durchschnittliche junge Leser den gesamten Artikel liest, vielleicht Verdacht schöpft oder gar Lust auf Auklärung oder Wahrheit verspürt, wenn man ihm unterhalb des Artikels gleich die Möglichkeit bietet, in kuzen Worten seinen Unmut über den bösen Mann in Rom abzulassen und sich in die Meute der total Informierten, Du, einzureihen?
2 days ago
2 comments:
Danke für diesen Zwischenruf!
Ich halte die derzeitige Stimmungsmache auch für ein Problem des Mediums „Internet“. Ich beschäftige mich seit Jahren mit den Neuen Medien und ihrem Einfluss auf Sprache, Beziehungskultur und Meinungsbildung (nicht wissenschaftlich, eher als Hobby).
Das große epistemologische Problem des Internets ist, dass nicht mehr zwischen Information und Wissen, nicht mehr zwischen Wissen und Wahrheit und nicht mehr zwischen Wahrheit und Weisheit unterschieden wird. Es gibt nur noch Daten.
Das noch viel größere methodologische Problem ergibt sich aus der (scheinbar) leichten Verfügbarkeit dieser Daten. Man sucht, man findet. Das hat man früher auch (etwa in der Bibliothek), aber man war sich darüber im Klaren, dass das Finden nur der notwendige, keineswegs aber der hinreichende Schritt auf dem Weg darstellt, etwas über eine Sache zu erfahren. Der Weg beginnt mit dem Fund, er endet nicht dort. Heute ist das anders: „Es steht bei Wikipedia.“ Ende der Diskussion.
Hinzu kommt die Mogelpackung „Freiheitszuwachs“. Das Internet ist insoweit demokratischer als die Print-Medien, weil im Netz jeder zu allem eine Meinung äußern darf und diese dann sehr leicht publizieren kann, es weist aber ähnliche expertokratische Strukturen auf wie die „reale Welt“, ohne dass jedoch klar wäre, worauf sich das Expertentum stützt. Bei Wikipedia ist es die Masse. Das ist aber ein sehr problematisches Kriterium. Das Prinzip „Irgendjemand wird etwaige Fehler schon korrigieren.“ funktioniert nur, wenn man Werturteilsfreiheit unterstellt (also im Paradigma des Naturalismus denkt) und „Interessen“ (Habermas) ausschließt.
Bei vielen Themen gibt es die „Neutralität“, die uns Wikipedia vorgaukelt, aber nicht. Dort muss man unterschiedliche Meinungen sorgfältig zusammentragen und bewerten und dabei eigene „Interessen“ deutlich machen. Das ist möglich, wenn ein Klima des Dialogs herrscht.
Das führt mich zu dem allergrößten stilistischen Problem: der Art und Weise, wie Diskussionen im Internet geführt werden. Wir wissen aus der umfangreichen militärpsychologischen Forschung im Zusammenhang mit „moderner Kriegsführung“, dass es wesentlich „leichter“ ist, über einer Stadt, deren Bewohner man nicht sieht, einen Bombenteppich abzuwerfen, durchaus im Bewusstsein der Tatsache, dass man damit Tausende tötet, als einen einzelnen Menschen zu töten, dem man dabei in die Augen blickt (man kennt das aus vielen Schlusseinstellungen im „Tatort“ – der Mörder, der eine weitere Person bedroht, lässt weinend die Waffe sinken: Er kann nicht schießen.). Man könnte sagen, dass die Hemmschwelle, einem Menschen zu schaden, mit dem räumlichen Abstand sinkt, den man von ihm hält. In der Anonymität des World Wide Web lässt es sich quasi folgenlos beleidigen, mit Unterstellungen arbeiten, Dampf ablassen (Wo ist der eigentlich vor 1990 gelandet? Gingen die zur Anzeige gebrachten Beleidigungen im realen Leben zurück?). Wie es dem Anderen dabei geht, scheint egal, da der Andere gerade nicht mehr als der Andere, der Gesprächspartner, das Gegenüber angesehen wird, sondern als ebenso anonymer „User“. Das „Du“ verschwindet und wird zum „Es“ – ganz schlechte Voraussetzungen für einen echten Dialog, der nicht nur der eigenen Profilierung, sondern der Sache dient.
Mehr dazu: http://tinyurl.com/y9vsv6y
Ihr
Josef Bordat
"Ich beschäftige mich seit Jahren mit den Neuen Medien und ihrem Einfluss auf Sprache, Beziehungskultur und Meinungsbildung (nicht wissenschaftlich, eher als Hobby)."
Genau das mach' ich auch seit einiger Zeit (bin aber noch auf fast rein phänomenologischem Level mit einem leisen Hang zu skeptischer Rezeption).
Den Dank gebe ich zurück!
Post a Comment