Wednesday, March 10, 2010

Klar...

Dieser Artikel im heute.de magazin berichtet von einer hohen "Dunkelziffer bei Mißbrauchsfällen". Er wird mit monströsen Zahlen herumgeworfen. Aus 15.000 angezeigten Fällen pro Jahr in Deutschland werden (auf welchem Wege auch immer) bis zu 300.000.

Wenn das auch nur ansatzweise stimmt, dann dürfte - hoffe ich - jetzt endgültig jedermann klar sein, daß es mißbrauchstechnisch in dieser Gesellschaft an allen Ecken und Enden lichterloh brennt.

Im Artikel heißt es:
    Statistiken darüber, wo die Taten passieren - also etwa in Kirchengemeinden, an Schulen oder in Kindergärten - gibt es nicht. Allerdings nennt Ursula Enders, Leiterin des Kölner Vereins Zartbitter, den Bereich Sport als Risiko. "Dort können Übergriffe leicht getarnt werden", sagt sie. Missbrauch werde hier oft von der Gruppe gedeckt. "Wer einen Fall aufdeckt, wird von der Gruppe ausgestoßen." Dennoch ist die Schlussfolgerung falsch, Missbrauch komme in Sportvereinen im Vergleich zu anderen Institutionen besonders häufig vor. "Das Problem zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten", sagt Vera Falck von Dunkelziffer. "Unter-, Mittel- und Oberschicht. Kindergärten, Schulen und Gemeinden."
Vielleicht stehe ich ja wegen der widerlichen Fälle von Kindesmißbrauch innerhalb der Kirche noch unter Schock, aber lautete die in den Medien vermittelte Meinung bis vor kurzem nicht noch, daß Mißbrauch in der Katholischen Kirche besonders häufig vorkommt? Jetzt kommt immer mehr ans Licht, die "Alle auf die Kirche"-Position scheint zu schwanken und auf einmal ist es ein Problem, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Enders weiter:
    "Die Frage, ob Missbrauch in einer Institution seltener vorkommt als in einer anderen, hilft keinem Kind, das Opfer sexueller Gewalt geworden ist, weiter."
Ja, jetzt nicht mehr... Enders mag diese Meinung von Anfang an vertreten haben, aber in den Medien zumindest spiegelte sich dies nicht wieder.

Ach ja: Was weiß heute.de angesichts von gesellschaftsweit bis zu 300.000 Mißbrauchsfällen im Jahr in der den Text begleitenden Infobox mituzeilen? Das hier: "Papst-Bruder gibt Ohrfeigen zu"...

6 comments:

Anonymous said...

Heute morgen berichtete der Deutschlandfunk in seinen 05:30 Nachrichten über Mißbrauchsfälle in einem Heim für schwererziehbare Jungen, die sich zwischen 1970 und 1980 in Sachsen zugetragen haben. Der Nachsatz lautete: Das Heim wird seit 1994 von der Caritas betreut.

Wenn unsere linke Schweinejournaille diese Fälle aus DDR-Zeiten schon nicht auf den Zölibat zurückführen kann, dann muß sie wenigsten einen Zusammenhang mit der Katholischen Kirche herstellen. So subtil funktioniert der öffentlich rechtliche Kulturkampf in Deutschland.

Wer jetzt noch GEZ-Gebühren bezahlt, sollte dringend überlegen, ob er das mit seinem Gewissen verantworten kann.

Anonymous said...

Meiner Wahrnehmung nach hat sich der Tenor der medialen Missbrauchskampagne tatsächlich in den letzten paar Tagen etwas verschoben und wird ein ganz klein wenig sachlicher. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass mediale Empörung eigentlich immer nur ein Strohfeuer ist. Jetzt kommen mehr und mehr auch die normalen Leute vom Fach zu Wort.

In den akuten Stürmen solcher Kampagnen kann man wohl tatsächlich nur eines machen: Abwettern.

maternus said...

Gestern kommentierte ich in der FAZ wie folgt:

"Sexuelle Gewalt, ob gegen Erwachsene (schlimm) oder Kinder (viel, viel schlimmer) ist in der Regel nicht der Ausfluß einer wie auch immer gearteten primär sexuellen Triebrichtung, sondern es geht um Macht und Unterdrückung. Kein Wunder, daß derlei in Institutionen und Einrichtungen anzutreffen ist, in denen Menschen über andere aufgrund von hierarchischer (Priester), faktischer (Lehrer) oder verwandtschaftlicher (Papa oder der gute Onkel) Überordnung über andere gebieten können, vor allem eben Kinder.

Insofern greift der derzeit besonders vom Boulevard gern ventilierte "Erklärungsansatz", Zölibatäre wäre per se sämtlich krank und Kinderschänder, angesichts der nicht nur auf weihrauchgeschwängerte Hallen begrenzten Vorgänge zu kurz. Man verstehe mich nicht falsch, damit will ich nichts entschuldigen. Ich störe mich nur an einer Art von Vorhaltungen, die einer komplexen Lage gleichzeitig monokausal und pauschal abwertend gegenübertreten."

Und viel mehr muß man zu dieser monokausalen Hetzjagd nicht sagen, der durch die Ereignisse zunehmend der Boden entzogen wird.

Nonnatus said...

Ich kann leider noch überhaupt keinen Ansatz von Sachlichkeit in unseren Medien entdecken. Im Gegenteil, die Angriffe gegen die Kirche werden immer heftiger und immer unsachlicher. Und wenn sich jemand wie Bischof Müller (Regensburg) gegen unsachliche Angriffe der Medien wehren will, schlägt die Medienmacht nur um so wütender dem entgegen. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht anders sagen: Es ist zum kotzen!

Anonymous said...

Jährlich werden in Deutschland lt. PKS etwa 15.000 Fälle von Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Die Dunkelziffer liegt, so zu finden in der Literatur, 18 bis 20mal höher, also in der Tat bei bis zu 300.000 Fällen pro Jahr. Das sind täglich etwa 700 bis 800 Fälle. Damit gilt (rein statistisch): Jeder 30. deutsche Mann missbraucht irgendwann in seinem Leben ein Kind sexuell. Das ist eigentlich nicht zu fassen, aber es ist wohl so. Für die letzten 50 Jahre macht das im übrigen 15.000.000 Fälle von Kindesmissbrauch.

Noch viel weniger zu fassen ist, dass man sich bisher fast ausschließlich auf die etwa 200 Fälle stürzt, die in kirchlichen Einrichtungen vorgekommen sind. Hier finden angesichts der neueren Enthüllungen zu Schulen und Heimen, die nicht in kirchlicher Trägerschaft sind, ein gewisses Umdenken statt. Man darf als Experte jetzt auch schon mal die Bindung Missbrauch-Kirche lockern. Dennoch: Die Verknüpfung von Kirche und Missbrauch ist so fest, dass man bei Suchanfragen zum Thema Missbrauch zunächst auf katholische Informationsangebote verwiesen wird...

Ich denke auch, dass der Bereich Sport ein wichtiger ist, weil dort natürlich oft Körperkontakt zwischen Lehrer und Schüler stattfindet (etwa bei Hilfestellungen im Turnen). Wo hier die Grenze zum Missbrauch oder zur Belästigung liegt, kann nur der jeweils schwächere Part, hier also der Schüler, bestimmen. Natürlich müssen in einem Strafverfahren objektivierbare Tatbestände genannt werden, aber bevor es dazu kommt, muss das potentielle Opfer seinem Gefühl gehorchen und klar Grenzen ziehen. Das ist natürlich schwer, auch vor der Peer-Group, vor den anderen Schülern. Wie schnell gilt man als überempfindlich, als "Weichei" (Jungen) oder "hysterisch" (Mädchen). Hier müssen alle Beteiligten sensibilisiert werden: Lehrer/Übungsleiter, Eltern, Kinder. Ich wünsche mir eine interne Verfahrensrichtlinie, wie sie die DBK 2002 beschlossen hat, auch für den DOSB.

Im Zentrum muss aber die Familienarbeit stehen, denn aus dem familiären Umfeld der Opfer kommen wohl die allermeisten der Täter. Das ist die schwierigste, komplexeste Aufgabe.

Josef Bordat

Der Herr Alipius said...

Danke Herr Bordat! Gebe ihnen bzgl. der Familienarbeit sehr Recht!