Ich bekam neulich auf mein etwas marktschreierisch betiteltes Posting eine Leserreaktion, die mich seither schwer beschäftigt. Hier erst einmal der Text:
- "... wenn man katholisch aufgewachsen ist, hat man den Quell der Wahrheit im Katholizismus nicht unbedingt mit der Muttermilch aufgesogen, sondern eher die Brechstange mitgekriegt - so wie ich.
Und die einzig normale Reaktion auf die Brechstange ist Aversion.
Was würden Sie Leuten raten, die aus diesem Grund Aversion (Ladung) gegen die katholische Kirche etwickelt haben, im Grunde ihres Herzens aber religiöse Menschen sind und sein wollen."
Grundsätzlich steht am Anfang der Glaube. Da der Leser sich als religiös bezeichnet, setze ich also seinen Glauben an Gott mal als gegeben. Ich vermute weiterhin (da er im katholischen Milleu aufwuchs), daß er einer Art "Versöhnung" mit der Kirche nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht und schon bereit wäre, seine Religiosität im Schoße der Heiligen Mutter Kirche auszuleben.
Was also sind die nächsten Schritte?
Ich bin mir über die Reihenfolge der Wichtigkeit meiner Ratschläge und Argumente noch nicht einhundertprozentig sicher, aber ich denke, es wäre gut, folgendes vorauszuschicken: Ein Wiedereintritt in die Kirche ist kein "Nachgeben" oder "Schwachwerden" über welches sich dann händereibende Pfaffen diebisch freuen. Es ist ein Himmel und Erde erschütterndes Ereignis, da die gesamte Kirche sich daran erfreut. Klar, nur wenige werden den Wiedereintritt direkt mitbekommen, aber weil Christus uns alle zur Einheit aufgerufen hat (Johannes 17;23), ist jeder einzelne Mensch, der (wieder) zur Kirche findet, eine große Freude.
Der erste Schritt ist zugleich der schmerzhafteste, kann aber bereits auch schon der alles entscheidende sein: Ein paar ehrliche Fragen an mich selbst!
- Wieviel Stolz hege ich im Herzen?
- Wieviel Bequemlichkeit schleicht sich manchmal in mein Denken und Urteilen?
- Kann ich die Aversion ummünzen in Vergebung (selbst, wenn man mich nicht offiziell um Entschuldigung bittet)?
- Nehme ich die unangenehmen (Brechstangen-)Ereignisse der frühen Jahre als stellvertretende und allgemein gültige Beispiele für den gesamten Operationsmodus der Kirche?
- Habe ich genug Vertrauen?
- Kann ich es mir vorstellen, zu einem Priester zu gehen, die Karten auf den Tisch zu legen und zu sagen: "Sie haben hier eine verletzte Seele vor sich, die zurück nach Hause will. Hüten Sie sich davor, sie zu verängstigen! Zeigen sie mir den Glauben der Kirche, die Hoffnung der Völker und die Liebe unseres Herrn und ich zeige Ihnen meine nächste Gehaltabrechnung, die mich als Katholiken ausweist!" (vielleicht nicht unbedingt mit genau diesen Worten...)?
- Bin ich bereit, die Realität meines Lebens an den Anforderungen meines Glaubens zu messen und im Bedarfsfall die nötigen Änderungen vorzunehmen (regelmäßige Beichte, Besuch der Heiligen Messe an jedem Sonntag, Empfang der Eucharistie, Reduzierung von Sünden, Stärke gegenüber Versuchungen, Hineintragen meines Glaubens auch in den Alltag)?
- Bin ich bereit, mich in meiner Religiosität von den Inhalten der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition tragen zu lassen?
- Besitze ich eine genuine Neugierde, einen Wissendurst, eine Lust auf das Andere und Ungewöhnliche?
- Habe ich Sehnsucht nach Gemeinschaft?
- Bin ich bereit, Rückschläge hinzunehmen?
- Habe ich den guten Willen und die Kraft, als eben erst wieder in die Kirche Zurückgekehrter unangenehmen, selbstgerechten, pharisäerhaften Individuen (welche man überall antreffen wird) mit Großmut zu begegnen? Und - wichtiger noch - kann ich ihnen als Beispiel dienen, wie man als Katholik glaubwürdiger lebt, ohne dabei selbst unangenehm oder selbstgerecht oder pharisäerhaft zu wirken?
Wenn man sich dann tatsächlich einen Neuanfang vorstellen kann, dann sollte man eben mit kleinen Schritten diesen wagen. Ein Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer wäre ein solcher erster Schritt. Wenn der zufällig nicht das liefert, was man sich eigentich erhofft hatte, dann nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, sondern es ruhig mal bei Anderen probieren. Zwar darf man seinen Glauben und seinen Spaß an der Kirche nicht vom Unterhaltungswert oder der Nettigkeit des Priesters abhängig machen. Aber anfangs braucht man natürlich einen Seelsorger, der den Motor erstmal wieder anspringen läßt, und da darf man sich dann auch ruhig mal ein wenig nach persönlichen Vorlieben richten. Denn wenn es dann mit dem Nach-Hause-Kommen tatsächlich gelingen sollte, erkennt man früh genug, daß auch eine Heilige Messe bei einem langweiligen Prediger oder eine Beichte bei einem etwas knurrigen und scharfen Priester aus der Sicht der sich der Wirksamkeit der Sakramente aussetzenden Seele keinen wirklich großen Unterschied macht.
Man kann sich vielleicht für den ein oder anderen Schritt einen Begleiter suchen. Für eine erste Beichte nach Jahren könnte man zum Beispiel mit einem Bekannten oder Freund gehen, der selbst einigermaßen regelmäßig beichtet und einem so ein wenig "moralische" Unterstützung gibt bei diesem sicherlich nicht einfachen Schritt. Auch ist es schön, wenn man anfangs gemeinsam in die Messe gehen kann, um sich nicht ganz so verloren und irgendwie beobachtet zu fühlen. Und entsprechend sollte man für die frühe Phase der Rückkehr "falsche" Begleiter meiden. Leute, die im Normalmodus schon bei der Erwähnung des Namens unseres Heiligen Vaters in einen Blutrausch verfallen, sollte man vielleicht erst einmal nicht um Rat fragen. Und man sollte dazu der Berichterstattung über die Kirche in den einschlägigen Medien mit gesunder Skepsis gegenüberstehen. Dort liest und hört man nur die Skandale und Peinlichkeiten. Die ganzen kleinen und wunderbaren Details, die sich immer und überall im direkten Zusammenhang mit unserer Kirche finden lassen, sind für Schlagzeilen nicht interessant genug, aber für die Lungen des Glaubens sind sie der Sauerstoff.
Ich möchte zuletzt auch noch an das Gebet erinnern, welches immer eine große Hilfe ist. Ein paar Minuten alleine in einer Kirche können manchmal wahre Wunder bewirken, wenn man sich nur richtig öffnet und in die Gegenwart Gottes hineinfallen läßt. Man muß da nicht im Geiste druckreif formulieren und tiefe theologische Einsicht demonstsrieren. Auch hier ist die Ehrlichkeit wichtig und das Verlangen, Gott wieder seine rechtmäßige Stelle als Chef einzuräumen.
Also, zusammenfassend: Ein guter Wille, Ehrlichkeit (vor allem mir selbst gegenüber), Vertrauen, Offenheit, Gebet und eine gewisse Klugheit (Umsicht/Vorsicht) sind die mir momentan einfallenden Haupt-Zutaten für die ersten Schritte zurück in die Kirche.
Ich habe das jetzt so aus dem Ärmel geschüttelt, und möglicherweise habe ich irgendetwas übersehen, was auch ziemlich wichtig ist. Jeder Leser ist herzlich eingeladen, hier anzubauen.
1 comment:
Schöne Anregung!
Mein Wiedereintritt war eine Katastrophe. Die Freude über den verlorenen Sohn/ Tochter konnte ich nicht spüren
Leider trifft man nicht immer auf Priester, die das gut regeln. Jedenfalls war das so bei mir. Es ist schon schwer genug diesen Weg zurück in die Kirche zu tun. Wenn man dann keie gute Begegnung hat wird der zweite Anlauf ein Kraftakt.
Sicherlich ist es gut sich vorab ein wenig zu erkundigen.
Ich habe übrigens gute Erfahrungen mit Ordensgemeinschaften gemacht.
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