Wednesday, February 10, 2010

Die Rückspülung beginnt

Elsa hat bereits auf diesen Kommentar von Thomas Schmid in der Welt Online hingewiesen. Ich picke den Hinweis auf und zitiere kurz eine besonders schöne Stelle:
    Einer unaufgeklärten Küchenpsychologie zufolge ist der Zölibat der eigentliche Grund für priesterliche Übergriffe: Unterdrückte Sexualität werde im Kosmos der Kirche notwendig auf wehrlose Jugendliche gelenkt. Das ist zwar empirisch falsch, hält sich aber hartnäckig als Gerücht. Es ist schon seltsam: Im Namen der Toleranz kann sich heute jede, auch jede sexuelle, Minderheit den öffentlichen Raum erobern. Aber die Tatsache, dass sich eine kleine – und schrumpfende – Minderheit freiwillig für ein zölibatäres Leben entscheidet, gilt als eine skandalöse Sonderlichkeit, der man nichts Gutes zutraut.
Oder, wie der Herr Alipius formulieren würde: Ich finde mich immer mehr und mehr zu der Vermutung hingezogen, daß der Zölibat heute für diejenigen, die ihn reflexartig massiv ablehnen, vor allem eines ist: Stachel im eigenen, sündigen Fleisch.

Im Kommentar wird übrigens auch das aktuelle SPIEGEL-Titelblatt abgewatscht:
    Zu weit geht jedoch, wer die katholische Kirche insgesamt zum Hort des Kindesmissbrauchs erklärt, wie es der „Spiegel“ in dieser Woche mit seinem Titelbild tat, das einen – kopflosen! – geistlichen Würdenträger zeigt, der sich durch die rote Soutane hindurch ans Geschlecht fasst. Da ist wieder einmal ein dümmlicher Antipapismus am Werk, der sich zu Unrecht für aufklärerisch hält.
Zweimal voll ins Schwarze. Danke, Herr Schmid!

6 comments:

Anonymous said...

Ich bin mir bewusst, dass ich mich gerade weit aus dem Fenster lehne, aber seit ich selbst Pastor im Gemeindedienst bin und Familie habe, wird mir Sinn und Zweck des Zölibats durchaus besser bewusst.
Nicht falsch verstehen: Ich liebe meine Familie über alles - aber ich erlebe sehr oft, wie sich eine Konkurrenzsituation zwischen Familie und Gemeinde aufbaut, und oft leidet eine der beiden Seiten. Als zölibatär lebender Mensch hat man es da vermutlich einfacher - oder sagen wir mal, die Herausforderungen sind vermutlich anderer Art.

Klar, wenn jemand sich nicht triebsteuern lässt, sondern eben diesen Trieb an den Herrn abgibt, um ihm zu dienen - das allein ist schon eine Provokation in unserer Zeit. Da kann ich nur mit Matth. 19,12 sagen: "Wer fassen kann, der fasse es!" Oder eben nicht.

Der Herr Alipius said...

Also, die evangelischen Pfarrer, die ich persönlich kenne (alle verheiratet und mindestens zwei Kinder) sitzen auch alle hin und wieder zwischen den zwei Stühlen "Familie" und "Gemeinde". Aber was diesen Jungs oft ein wenig Extra-Kraft gibt, ist eben das Umfeld der Familie. Klar, bei denen kracht's natürlich auch hin und wieder, aber im Normalbereich. Ich glaube, wenn sie katholisch wären, wären sie alle einem Orden beigetreten, um - so wie ich - Gemeinschaft, Austausch und Auffangnetz zu haben.

Und, ja: Mt 19,12 paßt schon prima!

Elsa said...

Mt 19,12 scheint ja in einigen Bibelausgaben zu fehlen, sonst würde nicht immer drauf hingewiesen, wie unbiblisch Zölibat sei. :-)

Anonymous said...

Der verewigte Erik von Kuehnelt-Leddihn hat für das alte Meyersche Konservationslexikon seiner Kindheit ob der oft altliberal-antiklerikalen Einstellung, die in auf die Kirche bezogenen Einträgen gerne durchschimmerte, das Wort "Aufkläricht" verwendet.

Diese Bezeichnung paßt so gut auf viele heute veröffentlichte Meinungen. Es wäre schade, wenn das Wort "Aufkläricht" ausstürbe.

Zwetschgerich

doc_mouse said...

Sehr lesenswert der Beitrag von Manfred Lütz zum Thema in der heutigen FAZ, URL s.u.
Zitat:" Vor allem die obrigkeitsfrommen Deutschen, denen ihre Kaiser und Führer ein für alle Mal abhandengekommen sind, umschleichen diese Leerstelle und haben in der katholischen Kirche ein Ersatzobjekt des Protestierens gefunden. Dass an der Spitze dieser Kirche auch noch Männer stehen und ganz an der Spitze ein Heiliger Vater, erleichtert die Projizierung aller nichtgelebten Vaterkisten, aller nachgeholten Pubertät, allen nicht addressierbaren Protestes auf eine Institution, die sich zu Normen bekennt und ihre historische Identität nicht leugnet"

http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E173087A601ED4094A11EA783A88449F0~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Der Herr Alipius said...

@ Elsa: ** grins **

@ Zwetschgerich: "Aufkläricht" = Super-Begriff

@ doc_mouse. Danke für den Hinweis!