Conservare fragt: "Brauchen wir eine christliche Kulturrevolution?".
Maria Magdalena antowrte: Der Begriff ist ein totaler Fehlgriff.
Der Herr Alipius meint: Kommt drauf an. Revolution klingt erst einmal - da gebe ich Maria Magdalena recht - nach Gewalt, Blut und Zerstörung. Andererseits klingt christlich für uns Christen unheimlich gut! Und: Eine Revolution kann blutig und zerstörerisch sein, muß es aber nicht. Will sagen: Der Genus (Kultur-)Revolution wird erst durch hinzufügen des artbildenden Unterschiedes - meinetwegen blutig oder gewaltsam - zu jener Spezies von Revolution, bei der dann tatsächlich die Köpfe rollen, ganze Straßenzüge in Schutt und Asche sinken und die Erinnerung an jahrhunderte- machmal jahrtausendealte Traditionen ausgelöscht werden soll und ausgelöscht wird.
Ich schlage daher vor, Kulturrevolution als Genus zu betrachten, christich als artbildenden Unterschied und Christliche Kulturrevolution als neue Spezies: Kein Blutrausch, keine Zerstörungsorgien, aber ganz viel Veränderung!
3 days ago
10 comments:
Naja... es gibt "revolutionäre" Erfindungen, die das Leben eines Menschen oder einer ganzen Gesellschaft "revolutionieren". Deswegen wird das Leben aber auch nicht blutiger oder französischer als vorher. ;-)
Man bedenke jemand sagt heute: Die Waschmaschine revolutionierte unser Leben äußerst blutig und gewaltsam. Klingt ja sogar noch lustig.
Ich finde die ganze Diskussion ehrlich gesagt ein bisschen übertrieben. Den Begriff "christliche Kulturrevolution" gibt es bei Christa Meves schon länger und bisher habe ich darüber keine Beschwerden oder Missverständnisse vernommen.
Nur ich denke, bevor es zu verwirrend wird, lasse ich diesen Begriff in Zukunft aus meinem Blog heraus und wähle etwas anderes.
Liebe Grüße
"Kein Blutrausch, keine Zerstörungsorgien, aber ganz viel Veränderung!"
Gabs vor gut 20 Jahren schon mal. Es waren auch Christen wesentlich daran beteiligt - aber nicht ausschließlich.
Gut - ganz so viel Veränderung wie gewünscht ist es nicht geworden. Aber doch eine ganze Menge.
Der Dank an die damaligen Revolutionäre - Christen wie Nichtchristen - besteht heute darin, daß man sie entweder auslacht oder ganz vergißt.
@ conservare: Ich wollte halt nur einen weiteren Betrachtungswinkel anbieten...
@ claudia: Guter Kommentar, besonders, weil ich vergaß, die Überlegung zu erwähnen, inwieweit sich auch Nichtchristen von einer christlichen Kulturrevolution angesprochen fühlen könnten.
Ich halte den Begriff der Revolution für wenig geeignet und möchte stattdessen den Begriff der Reformation vorschlagen.
Die Revolution bezeichnet den Umsturz einer Ordnung von der es nach christlichem Verständnis nur eine geben kann: die gute respektive göttliche Ordnung.
Der Begriff der Reformation, auch wenn er in den vergangenen Jahrhunderten etwas gelitten hat, bezeichnet den Versuch des Menschen, diese eine Ordnung wiederherzustellen - gegen die Deformation der Zeit.
@ tiberius: Okay, auch nicht übel!
Schon irgendwie komisch wenn Katholiken nach der Reformation verlangen...
@conservare + alipius!
Ihr Lieben, ich fürchte, Ihr seid einfach zu jung, um die ganzen widerlichen Auswüchse der sogenannten Kulturrevolution bewusst erlebt zu haben. Nachdem ich als Kind/Jugendlicher mehr oder weniger allabendlich in den 20-Uhr-Nachrichten die Bilder von randalierenden marodierenden Halbstarken und ihren misshandelten, mühsam um die eigene Würde ringenden Opfern gesehen habe; Menschen, die zum Teil nur deswegen angegriffen wurden, weil sie Brillenträger waren (pfui, ein Gebildeter!), da ist es für mich einfach völlig abwegig, diesen Begriff für etwas Positives zu verwenden.
Die ganzen "Re-..."-Begriffe gefallen mir auch nicht - weder Revolution, noch Reaktion, noch Restitution, noch Reformation. "Re" heißt "zurück". Niemand wird ernstlich verlangen, dass man zu Zuständen wie zur Zeit meiner Großtante (geboren 1882) zurückkehrt, wo man sich Asche aufs Badewasser streute, um nicht den eigenen Körper sehen zu müssen, oder wo "gefallene Mädchen" (ledige Mütter) wie der letzte Abschaum behandelt wurden.
Wir können aber auch gar nicht zurück; wir müssen weiter, denn Zeit hat (anders als Raum) eine Richtung. Was ich wesentlich passender fände, wäre irgendwas in Richtung "Waschmaschine" (Danke für die Inspiration, conservare!) Reinigung oder so (wasche ab meine Schuld ...). Ein "Lavabo" ist begrifflich allerdings ganz anders vorbesetzt (Waschgeschirr, bestehend aus Wasserkanne und Waschschüssel, gerne in Email, weiß mit blauem Rand - auch eher etwas für die Großtante...). "purgatio" gefällt mir auch ganz gut - "pur" verstehen doch die meisten als "rein", und der Begriff ist deutlich positiver. Irgendwie gemahnt er auch ans Fegefeuer. Aber ist der Begriff auch tauglich für die Umgangssprache? - "Kulturelle Purgation" - *shock* Ich fürchte, nein. Vielleicht findet ja noch jemand ein passenderes Synonym? *hoff*
Ich muß ehrlich zugeben, daß ich etwas ringen mußte, um durch die umgangssprachlichen Fehlprägungen zu einem orthodoxen Verständnis des Begriffs durchdringen zu können.
Wohl verstanden, lebe ich gut mit der Forderung des ecclesia semper reformanda, und bin - was die Begrifflichkeiten angeht - bestens für ökumenische Formelkompromisse vorbereitet.
@ maria magdalena: Also meines Erachtens kann es sich bei der Frage nicht draum drehen, was man bewußt oder nicht bewußt erlebt hat, denn wir wollen ja nicht auf unsere Vergangenheit, sondern auf die Zukunft blicken, wie Du selbst sagst.
Du hast diese Szenen im Fernsehen gesehen und sie haben einen Eindruck bei Dir hinterlassen. Ich habe Tausende von Seiten über die französische und die russische Revolution und den spanischen Bürgerkrieg gelesen, darunter auch nicht wenige Augenzeugenberichte, und behaupte mal, daß ich trotz meines Alters (Danke übrigens! Langer her, daß ich als "zu jung" bezeichent wurde... ** seufz **) einen vergleichbaren Eindruck vermittelt bekam, welcher mir den Spaß am Wort "Revolution" einerseits gründlich vermieste, aber andererseits auch erkennen ließ, daß es wohl immer irgendwo auf der Welt Menschen gibt, die ein dem aktuellen Mainstream entgegenlaufendes Bedürfnis haben und auch bereit sind, Wege zu finden, dieses Bedürfnis zu artikulieren, wenn nicht in Früchte umzusetzen. Somit läßt sich zumindest das Phänomen "Revolution" nicht einfach so wegwischen.
Daher - und wegen der bereits in meinem Posting genannten Gründe - halte ich auch das Wort "Revolution" nur unter Vorbehalt für ungelungen, da der Begriff sich ja nicht exklusiv an uns richtet und somit düstere Apelle an unser Geschichtsbewußtsein sendet. Er soll ja auch - und vor allem - vor der "Kultur des Todes" warnen und sie idealerweise in eine Kultur des Lebens umwandeln (reformieren, revolutionieren). Dies ist ein legitimes Anliegen. Man muß sich eben nur vor Gewalt hüten. Und dazu sollten wir doch in der Lage sein.
"Re-" bedeutet zurück, das stimmt. Aber damit ist nicht automatisch ein Zurück in der Zeit gemeint. Es kann das "Zurück" nach Hause sein, nachdem es einem in der Fremde nicht gefiel. Oder das "Zurück" zum Katholizismus, nachdem man feststelle, daß man mit anderen Religionen noch weniger glücklich wurde. Oder das "Zurück" zu einem Europa, in dem jene Werte wieder ein wenig Achtung erlangen, die uns einst - trotz aller Kriege um Land und Glauben - enger zusammenschweißten, als der aktuelle Selbstdebienungsladen der subjektiven Bedürfnisse, in dem wir mit unseren bereits hoffnungslos überzogenen Kreditkarten der Identität trotzdem fleißig weiterbezahlen.
@ Tiberius: Eine Rückeroberung bestimmter Begriffe wäre natürlich Bestandteil der christlichen Kulturrevolution.
Habe so eben mitbekommen, dass Johannes Paul II. einmal von einer "Revolution der Liebe" gesprochen haben soll...
In einer anderen Diskussion habe ich diesen Begriff vorgeschlagen bekommen:
"Christliche Kulturerneuerung"
@Alipius
das ist gut... ich habe nichts dagegen gesagt ;-)
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