- "Die Menschenrechte sind vor allem ein Resultat der Aufklärung und mussten in mühsamen Kämpfen vor allem auch gegen die katholischen Kirche durchgesetzt werden."
Heute kam aber mit dem Begriff "Recht der Frau auf Abtreibung" ( Gisela Wurm, österreichische Sozialdemokratin im Berichtsentwurf zur Abstimmung über die Resolution 1607 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates) noch eine Dimension hinzu.
Wir sehen uns heute mit zwei recht verschiedenen Auffassungen des Begriffes "Recht" konfrontiert. Dies so sehr, daß man die Übersetzungsschwierigkeiten vergleichen könnte mit den Kommunikationsproblemen zwischen einem Deutsch-Muttersprachler und einem Amerikaner, der Deutsch als Fremdsprache gelernt aber nicht perfektioniert hat.
Um den Kindern einen Namen zu geben, will ich sie mal "subjektive" und "objektive" Auffassung nennen.
Die subjektive Auffassung sieht im Menschen das Subjekt (und somit den Empfänger) von Rechten. Sie verleiht dem Individuum dadurch eine moralische Legitimität, gewisse Ansprüche zu formulieren. Diese Auffassung findet sich in den Dokumenten der westlich-liberalen Tradition, wie z.B. der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, der Französischen Erklärung der Menschenrechte oder auch der UN-Liste der Menschenrechte.
Die objektive Auffassung sieht Recht nicht vom Standpunkt der Person, sondern von dem der Gesellschaft. Recht wird hier verstanden als ein Erfordernis, um die Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Elementen des sozialen Ganzen zu erhalten oder wiederherzustellen, um so das Gemeinwohl zu sichern. Dies ist der Ansatz der klassischen und mittelalterlichen Tradition, wie man sie z.B. beim Heiligen Thomas von Aquin formuliert findet. Und wenn dieser Heilige Thomas auch nicht wenig zum Thema "Würde der menschlichen Person als nach Gottes Bild geschaffen, berufen zur Erfüllung in diesem Leben durch Freundschaft mit Gott und zur seligmachenden Anschauung Gottes danach" beizutragen hat, ist ihm die Theorie der "Menschenrechte" im uns heute geläufigen Sinne fremd. Wenn er von Recht (jus) spricht, denkt er nicht an die Befriedigung des Anspruchs einer Person. Er meint das, was gerecht ist [id quod est iustum]; das, was objektiv in einer gegebenen Interaktion innerhalb einer Gemeinschaft von Menschen geschuldet wird.
Die beiden hier geschilderten Auffassungen sollte man nicht vorschnell als sich gegenseitig ausschließend betrachten. Der moderne subjektive Ansatz steht der sozialen Verantwortung nicht indifferent gegenüber. Der alte Ansatz schließt die Erfüllung individueller Personen nicht aus. Die Unterschiede in beiden Ansätzen führen aber zu entsprechenden Stärken und Schwächen in den jeweiligen Systemen.
Die große Stärke des subjektiven Ansatzes ist, daß er das Individuum vor Übergriffen institutionalisierter Macht schützen kann. Die Kehrseite der Medallie ist ein überzogener Individualismus, in welchem die Rechte-Debatte zu einem Wettbewerb gegeneinander antretender individueller Ansprüche hinabsinkt und folglich eine wachsenden Unfähigkeit, die Anforderungen des Gemeinwohls adäquat zu formulieren.
Die Stärke das objektiven Ansatzes ist es, daß er die Gemeinschafts-Natur des Rechtes betont und die Vielfalt sozialer Bindungen, die innerhalb einer Gemeinschaft herrschen, besser erklären kann. Dies aber kann dazu führen, daß soziale Strukturen, in denen bestimmte Personen oder Gruppen sich unterdrückt finden, schlicht wegrationalisiert werden. Selbst Thomas von Aquin, der sich darüber im Klaren war, daß das Gemeinwohl nicht einfach mit institutioneller Stabilität identisch ist, stand Phänomenen wie der Sklaverei oder religiöser Verfolgung unkritisch gegenüber.
Die Kirche spricht als Muttersprache den objektiven Ansatz und kommt eben erst aus dem Klassenzimmer, in welchem der subjektive Ansatz gelehrt wird. Die moderne Welt allerdings spricht nur diesen subjektiven Ansatz. Hier stehen sich also im Dialog ungleiche Partner gegenüber. Die Kirche denkt häufig noch "alt", während sie umständlich und teilweise mißverständlich "neu" formuliert. Man denke z.B. an die Probleme, die sich um die Debatte zur Religionsfreiheit während des Konzils rankten.
Dies führt dazu, daß die moderne, ausschließlich "neu" sprechende Welt reflexartig und a priori einen Sprachfehler sieht, wenn die Kirche den Mund aufmacht. Und dies ist natürlich falsch.
Mit derselben Verve, mit der sie versucht, die Kirche als Hindernis auf dem Weg zu den Menschenrechten darzustellen (Aufklärung hierzu im oben verlinkten Artikel von Johannes), sollte die moderne Welt wenigstens einmal versuchen anzuerkennen, daß die Kirche sich momentan als eine der wenigen Instsitutionen hervortut, die keine Eingeständnisse machen will und machen wird, wenn es um die grundsätzliche Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens geht, sei es geboren oder ungeboren. Die Achtsamkeit bzw. Zurückhaltung im sexuellen Verkehr, welche im Gegenzug gefordert wird, scheint mir wirklich kein allzu hoher Preis.
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