Friday, April 23, 2010

Monica Applewhite über Mißbrauch

Monica Applewhite ist eine führende Expertin im Bereich Prüfung, Überwachung und Strategie-Entwicklung zur Verhinderung sexuellen Mißbrauchs und im Bereich Risiko-Management für Leute mit einer Geschichte sexueller Übergriffe. Sie hat mit über 300 Organisationen zusammengearbeitet, die Kindern und Jugendlichen dienen, darunter 28 US-Diözesen, die Katholischen Bischofskonferenz in den USA, die Jesuitenkonferenz in den USA und die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens in Rom.

Sie gab in der vergangenen Woche ein Interview im National Catholic Register. Hier die interessantesten Aussagen in eigener Übersetzung:
    Die Kirche in den USA ist die erste große Organisation, die zwei wichtige Schritte in Richtung Heilung und Prävention gemacht hat. Wir haben erstens eine Häufigkeits-Untersuchung durchgeführt, um herauszufinden, wie viele Vorfälle, Opfer und Täter es zwischen 1950 und 2002 gab.

    ...

    Zweitens ist die Kirche die erste Institution ihrer Größe, die ein komplettes Programm der Haftung umgesetzt hat, um die Umsetzung der Reformbemühungen zu sichern.

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    Aus meiner Sicht begann ein tiefgreifender Wechsel in der Kultur des Vatikans mit Kardinal Ratzinger und wurde gefestigt seit er Papst wurde.

    Als ich mit Priestern zu arbeiten begann, die sich sexuellen Mißbrauchs schuldig gemacht hatten, versuchten sie manchmal, mich einzuschüchtern mit der Drohung, daß sie "ihren Fall nach Rom schicken werden", um sich zu beschweren, und daß sie "gewinnen" würden. Damit antworteten sie auf das System, das ich entwickelt hatte, um dafür sie verantwortlich zu machen, wie sie ihr Leben verbringen, wen sie besuchen und ob die Leute in ihrem Leben sich darüber die Mißbräuche im Klaren sind, die sie begangen haben.

    Oft hörte ich "Sie verletzen meine Rechte!" Es war klar, daß sie fühlten, sie hätten die Oberhand.

    Seitdem - und besonders seit 2000 - hat sich die Macht verlagert. Ich habe auch seitdem mit Priestern gearbeitet, die sich sexuell an Minderjährigen vergriffen haben, und wenn man sie heute fragt, werden sie eher nicht annehmen, daß "Rom" auf ihrer Seite ist.

    ...

    Seit 2001 ist das System viel einhetlicher geworden. Es gibt ein "Formular", wie man den Fall aufzuschreiben hat, so daß alle Anschuldigungen und die Ergebnisse der Untersuchungen klar dokumentiert sind. Viele Gerichtsverhandlungen werden lokal abgehalten und der Prozeß ist viel schneller. Wichtiger noch: Die Kongregation für die Glaubenslehre verleiht den Bischöfen und Superioren Unterstützung und Glaubwürdigkeit, die an disziplinären Maßnahmen von der Entfernung aus dem Amt bis zur Laisierung, beteiligt sind.

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    ... die ganze Aufmerksamkeit der Medien und das weltweite Interesse werden Papst Benedikt die Möglichkeit und die Druckmittel geben, die kirchliche Kultur des Schweigens und Täterschutzes weltweit viel schneller zu ändern. Er wird den Wechsel nicht "verkaufen" müssen, so wie er es hätte tun müssen, wenn all dies nicht passiert wäre. Viele der Barrieren, auf die er während mehr als einem Jahrzehnt traf, werden niedergerissen sein. Ich glaube, er wird sein Vermächtnis festigen können als der Repräsentant der Veränderung und der Sanierung der Kirche, als welcher er gerne in Erinnerung bleiben würde.

1 comment:

Anonymous said...

Das ist ein wunderbarer Kontrast zu dem, was ich gerade in der FAZ lesen mußte, die sich anschickt, auf den Spuren der Süddeutschen zu wandeln.