Thursday, April 29, 2010

Das Interview

Wie aufmerksame Blogoezesanen bereits bei Elsa erfuhren, ist in der heutigen Ausgabe der Tagespost ein Interview mit dem Herrn Alipius erschienen. Die Tagespost ist eine katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, die einzige katholische Tageszeitung Deutschlands. Sie wird online vertrieben und ist mit einer Kreditkarte und wenigen Mausklicks für einen Tag oder 1, 3, 6 bzw 12 Monate zu abonniern. (** hint ** => ... unterstützenswertes Projekt ...).

Naja, mit Erlaubnis der Zeitung poste ich jetzt hier den Inhalt des Interviews für diejenigen, die die Zeitung nicht online beziehen:

Sie betreiben schon seit Jahren selbst eine Blogseite – was erhoffen Sie sich als katholischer Blogger?
Als ich begann, gab es eigentlich kein bestimmtes Ziel, mit dem eine Hoffnung verbunden war. Ich begann das Blog, damit Verwandte und Bekannte sich über meine Erlebnisse in Rom, wo ich studiere, informieren können. Als ich dann merkte, dass im Internet einerseits häufig und andererseits schlecht informiert über die Kirche hergezogen wird, entschloss ich mich, eine kleine Gegenstimme ins Feld zu schicken, in der Hoffnung, einige derganz groben Halbwahrheiten bis Lügen über die Kirche etwas entschärfen zu können. Ein Anliegen war und ist auch, den katholischen Glauben als so bereichernd, lebbar und mitreißend zu präsentieren, wie ich ihn empfinde und wie er mich trägt.

Welche Erfahrungen machen Sie mit anderen katholischen Bloggern – gibt es da Ideenaustausch?
Klar, die Szene wächst ja ständig, da kommt es schnell zu Kontakten, auch außerhalb des Internet. Neue Ideen machen auch schnell die Runde, werden aufgegriffen und verbreitet. Ich denke da zum Beispiel an die witzige Aktion „Katechismus für Bittlinger“.

Wie entwickeln Sie die Inhalte Ihrer Blogs – greifen Sie auf die großen Medien zurück?
Nicht nur, aber auch. Ich springe täglich einmal im Internet über die Schlagzeilen der einschlägigen Deutschen Printmedien und gucke, ob etwas Interessantes dabei ist. Dann lese ich aber auch viele englische Blogs, wo ich ebenfalls immer wieder gute Anregungen finde. Und dann gibt es natürlich einen großen Anteil von Inhalten, die von mir selbst stammen. Ich grübele zum Beispiel manchmal in schriftlicher Form vor mich hin und schicke das dann so als Diskussions-Anregung raus. Oder ich beschäftige mich ein wenig mit meinen Interessen und Leidenschaften – Barock, Musik der 80er, Kunst, Bamberg etc – und informiere ein wenig darüber.

Warum haben Sie das Internet als Ihr Medium gewählt?
Ich schreibe ganz gerne und das Internet bietet da einfach die größten Möglichkeiten. Man muss keine besonderen „Kriterien“ erfüllen, um sein Zeug gedruckt zu sehen und man hat keine Deadlines oder Verleger im Nacken. Man legt einfach ein Blog an und los geht's. Klar: Jetzt, wo die Zahl der Blogs und Blogleser so zugenommen hat, gibt es natürlich plötzlich doch Kriterien. Wenn man ein Blog einfach nur so für sich schreibt und nicht daran interessiert ist, ob man Leute erreicht und wenn ja, wie viele, dann hat man kein Problem. Aber wenn man merkt, dass man mit seinen Texten und Gedanken doch mehr Leute erreicht, als angenommen, dann wittert man da auch eine Erwartungshaltung, die man erfüllen möchte. Ich habe mir erst im vergangenen Jahr einen Besucherzähler für mein Blog zugelegt. Und genau im letzten Jahr sind die Besucherzahlen ständig in die Höhe gegangen. Und jetzt sehe ich plötzlich, dass da pro Tag mittlerweile konstant über 800 Leute vorbeischauen und ich Stammleser in allen möglichen Ländern habe. Das erzeugt natürlich einen gewissen Druck.

Welche Altersgruppen sprechen Sie besonders an?
Die Leute, mit denen ich etwas engeren Kontakt habe oder die ich zum Beispiel über die Kommentarfunktion etwas näher kennen lernen konnte, sind fast alle schon erwachsen (Thirtysomethings, schätze ich mal grob) und haben einen gewissen Bildungsstand. Der klassische jugendliche/junge Internetnutzer, der häufig eher spaßeshalber und auf der Suche nach Zerstreuung im Internet unterwegs ist, ist eher weniger meine Zielgruppe.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Bloggerszene – in den letzten Jahren gab es einen rasanten Zuwachs.
Stimmt. Es scheint so, als gäbe es immer mehr Leute, die es auch mal mit einem katholischen Weblog probieren wollen. Das finde ich gut. Sicher, je mehr Blogs, desto höher die Gefahr der Redundanz. Aber andererseits lesen verschiedene Leute auch verschiedene Blogs. Da ist es besser, wenn wichtige Informationen gleich 20 mal auf diversen Blogs gepostet werden, als wenn niemand darüber schreibt. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass alle es mitbekommen.

Sehen Sie in der Entwicklung auch Gefahren, oder finden Sie die Szene eher positiv, etwa als Form der Meinungsfreiheit?
Grundsätzlich finde ich die Szene ausgesprochen positiv. Wenn ich jetzt „Szene“ sage, dann meine ich die sogenannte „Blogoezese“, also die katholisch bloggenden Internet-Benutzer in Deutschland. Erstens macht es einfach Mut, wenn man sieht, dass da draußen Leute sind, die ebenso denken und empfinden wie man selbst und die einen mit positiven Kommentaren unterstützen. Zweitens ist man plötzlich mit vielen Leuten gut vernetzt und es lassen sich leicht Kontakte aufbauen. Ich habe schon öfters mal eine Email bekommen, in der ich von einem Leser oder von einem Co-Blogger gefrag wurde, ob wir uns nicht in Rom oder Wien auf einen Kaffee treffen können, weil er oder sie grade in der Stadt ist. Die einzige Gefahr, die ich sehe – das ist aber bisher noch nicht vorgekommen –, ist, dass sich eine Mob-Dynamik entwickelt. Wir haben es als katholische Blogger natürlich auch und nicht zuletzt mit derbsten Entgleisungen in Richtung der Kirche oder des Heiligen Vaters zu tun. Da ist es meiner Meinung nach durchaus würdig und recht, wenn man mal zurückschießt und sagt „So nicht“ oder „Bis hierhin und nicht weiter“ oder auch mal eine Aktion startet wie den „Katechismus für Bittlinger“. Aber dann muss auch schnell wieder die innere Ruhe her und der Wille, die Sache tatsächlich christlich zu sehen, bevor sich in der Blogoezese so eine negative Stimmung hochschaukelt und man plötzlich mit virtuellen Fackeln und Heugabeln vor einem Redaktionshaus steht und schreit „Rückt die Hexe raus!“ Aber: Je größer die Szene wird, desto mehr Stimmen gibt es auch, die zu Großmut und Barmherzigkeit mahnen und dafür sorgen, dass man den Glauben und das Gebet immer vor die Entflammung stellt.

Gibt es ethische Standards – vielleicht so etwas wie einen Ehrenkodex?
Also ganz grundsätzlich sind wir uns – glaube ich – alle einig, dass es so etwas wie eine Gürtellinie gibt, unterhalb derer man nicht herumtexten sollte. Auch wenn man mal von einer richtigen Wut gepackt wird, sollte man dennoch von wüsten und unpassenden Beschimpfungen absehen. Auch ist es selbstverständlich, dass man sich nicht einfach von irgendwoher einen guten Text kopiert, ohne zu der Seite, wo man ihn fand, zu verlinken. In der Regel sollte man dann einen Absatz als „Teaser“ posten und die Leser dann auf die Herkunftsseite schicken, damit sie dort weiterlesen. Ich habe keine Probleme damit, auch, wenn Leute mal einen meiner Text komplett bei sich wieder-posten. Solange sie sagen, woher sie's haben, ist alles im grünen Bereich. Ich persönlich poste keine Informationen, wenn ich dafür keine ausreichenden Quellen finde. Also, wenn es zum Beispiel eine Debatte über die Kirche gibt und ich jetzt irgendwo auf Wiki oder in einem Blog eine Statistik finde, in welcher die Kirche gut aussieht, dann poste ich das nicht einfach, sondern suche erst einmal im Internet, ob ich Informationen finde, die die Aussage der Statistik erhärten. Mache ich das nicht, wird die Geschichte am Ende zum Boomerang und die Leute sagen „Guckt mal, die Katholiken werfen sogar mit frisierten Statistiken um sich, um Punkte zu machen!“

Wie ist das Verhältnis der katholischen Bloggerseiten zu den atheistischen? Gibt es zwischen beiden Diskussionen oder Kämpfe?
Was die beiden Szenen betrifft, kann ich leider keine gültige Aussage machen. Das einzige, was ich in letzter Zeit mitbekam ist, dass ein ehemals überzeugter atheistischer Blogger sich vor einiger Zeit auf seiner Seite zum Christentum bekannte und praktisch über Nacht dann tatsächlich auch christlich weiterbloggte. Hui, dem haben die ehemaligen Mit-Atheisten im Kommentarbereich aber ganz schön eingeschenkt! Ich persönlich habe eigentlich überhaupt kein „Verhältnis“ zu atheistischen Bloggern. Ich lese die Blogs zwar hin und wieder, finde aber keinen Anhaltspunkt für eine Diskussion. Ich habe Menschen, die mir als Atheisten authentisch und glaubwürdig erschienen, bisher ehrlich gesagt nur außerhalb des Internets und in Einzelgesprächen kennengelernt. Das Problem ist, dass im Internet in sehr kurzer Zeit eine große Atheisten-Szene entstanden ist, in der ganz komische Standards herrschen. Darüber ließ sich einiges sagen.

Was halten Sie von den Kampagnen und deren Durchführung auf den atheistischen Seiten?
Das ist ein wahnsinnig komplexes Thema. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle. Zum einen lässt sich ja überhaupt nicht mit Sicherheit sagen, wie viele der Atheisten, die momentan im Internet aktiv sind oder sich an bestimmten Kampagnen beteiligen, wirklich Atheisten sind und nicht einfach nur junge Leute mit einem ganzen Haufen legitimer Fragen, die einen hippen Trend wittern und probeweise mal aufspringen. Die Art und Weise, wie auf bestimmten Atheisten-Seiten argumentiert und operiert wird, legt jedenfalls die Vermutung nahe, dass da nur in den seltensten Fällen tatsächlich ein reifer, gewachsener Atheismus dahintersteckt. Man merkt das schnell, wenn man mal ein wenig herumliest. Auf der einen Seite findet man plötzlich nicht wenige Leute, die wissen, was eine „ignoratio elenchi“ oder eine „petitio principii“ ist und wie man einen gültigen Syllogismus bildet. Aber andererseits wird auf diesen Atheisten-Seiten zum Beispiel immer wieder die physische Unterscheidung zwischen „etwas“ und „nichts“ in einen Topf geworfen mit der metaphysischen Unterscheidung zwischen „Existenz“ und „Nicht-Existenz“. Wäre ich ganz böse, nähme ich einfach an, dass diese Themen auf Wikipedia noch nicht behandelt wurden. Zudem geht es auf den Atheisten-Seiten auch nicht immer um Gott, sondern darum, wie böse die Religionen sind. Und da wird mit einem Doppel-Standard operiert, den ich auch auf meinem Blog schon hin und wieder einmal beklagt habe: Passiert im Namen einer Religion etwas Übles, dann ist das die Schuld der Religion selbst, die ihrerseits übel ist. Passiert im Namen einer Religion Gutes, dann wird das entweder gleich ignoriert, oder es werden atemberaubende logische Salti vollzogen um zu demonstrieren, dass hier nur Individuen am Werk waren, die zufällig einmal nicht so handelten, wie ihre Religion es eigentlich von ihnen verlangt. Da der „neue“ Atheismus ja mittlerweile Züge trägt, die denen der Religionen nicht unähnlich sind (Hohepriester; dünnhäutige Gläubige, die auf jede Kritik reagieren wie auf ein Sakrileg; sich anbahnende Schismen zwischen diversen Wortführern und deren Anhängern) gehe ich einfach mal davon aus, dass sich in Zukunft auch so etwas entwickeln wird, wie der Cafeteria-Atheist oder der Atheist, der einfach aus seiner Kirche austritt.

Wie stark schätzen Sie den Einfluss der Blogger auf das Bewusstsein der Gesellschaft ein?
Schwer zu sagen. Ich glaube, dass Blogger noch nicht oder nur in wenigen Fällen einen bestimmten Status genießen, der sie als glaubwürdige Informationsquelle erscheinen lässt. Dafür ist das Medium auch einfach noch zu neu. Den etablierten Kräften, besonders der sogenannten „Vierten Gewalt“, sind wir wahrscheinlich – grade als katholische Blogger – inhaltlich einfach zu aufmüpfig, vom professionellen Standpunkt her zu unseriös und grundsätzlich nicht stromlinienförmig genug. Andererseits gibt es aber auch diese Geschichten, wo bestimmte Informationen über bestimmte Zustände in bestimmten Ländern nur auf Blogs zu lesen sind, deren Inhalte (noch) nicht zensiert wurden.

Sind die Blogs als Medium der schnellen und alternativen Informationsgewinnung besonders für Jugendliche attraktiv?
Sollte man eigentlich meinen. Aber in den Vereinigten Staaten hat eine Studie ergeben, dass junge Leute Blogs nicht mehr so interessant finden und sich lieber auf sogenannten „Social Networking“-Seiten aufhalten. Zitat einer 18-jährigen College-Studentin: „Leute heutzutage finden Lesen einfach nicht so spaßig“. Dennoch glaube ich, dass man mit Blogs auch junge Leute erreichen kann.

Kann man vom Bloggen leben?
Ich könnte es nicht, aber es gibt Leute, die haben so viele Besucher, dass sie von den Werbeeinnahmen und Spenden leben können. Das sind aber richtige Blogprofis, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche nur bloggen.

Gibt es Seiten, die Sie besonders empfehlen würden?
Ja. Nicht nur aus Ehrfurchts-Gründen – sie sind alle schon seit Jahren dabei –, sondern auch, weil sie einen prima Überblick über die Vielfalt der Blogoezese bieten, empfehle ich besonders Elsas Nacht(b)revier (http://elsalaska.twoday.net/), Thomas sein Abendland (http://thomassein.blogspot.com/) und Credo Ut Intelligam (http://intelligam.blogspot.com/).

9 comments:

Marcus, der mit dem C said...

*standing ovations mit angedeuteter Cappa-magna-Welle*

Klasse!

Der Herr Alipius said...

Haha! 'Ne Cappa-Magna-Welle würde ich ja zu gerne mal sehen.

Danke!

Ralf said...

Gut, daß Du meinen Blog nicht erwähnt hast. Mich würden so viele Leser erschrecken.

Anonymous said...

Danke!

Yon said...

Aber hallo! Find ich fein von denen, mit dem Interview, und fein von Dir, das Interview. :)
Hab mir die Onlineausgabe gleich gekauft.

Florian said...

*Applaus*

Sehr lesenswert! Und die Reaktion der Tagespost auf deren Lapsus finde ich auch sehr in Ordnung! :-)

sapere aude said...

Hier gibt's noch ein paar Kommentare von der "anderen Seite", Herr Kollege:

http://blog.dignitatis.com/wordpress/2010/04/29/atheistenblogs-aus-der-sicht-eines-katholischen-bloggers/

. said...

nicht schlecht! respekt!

Laurentius Rhenanius said...

Hab es jetzt gerade erst gelesen!
Reschpekt!
Gratulation!
Ich möchte sagen:
La Ola von allen Cappa magna Trägern! ;-)