Monday, February 22, 2010

Antrag:

"Die Katholische Kirche ist eine Kraft für das Gute in der Welt." - Diskutiert!

Stephen Fry's gestern hier präsentierte Rede fand im Rahmen einer von Intelligence squared organisierten Debatte statt, in welcher oben genannter Antrag von zwei Befürwortern und zwei Gegnern unter die Lupe genommen werden sollte.

Befürworter waren Erzbischof Onaiyekan aus Abuja/Nigeria und Ann Widdecombe, eine Politikerin der British Conservative Party und Mitglied der Conservative Christian Fellowship, die sich unter anderem für traditionalle Familienwerte einsetzt. Der gute Erzbischof war leider hoffnungslos überfordert. Er hatte den Nachteil, daß er größtenteils Fakten lieferte und dann, als die Gegner ihm suggestiv bis polemisch auf den Zahn fühlten, nicht vorbereitet war. Widdecombe machte ihre Sache anständig, kam aber gegen die beiden Opponenten alleine nicht an. Einer der beiden Gegner war - wie gesagt - Stehpen Fry. Der Andere war Christopher Hitchens. Hitchens war sehr artikuliert und in seiner Präsentation äußerst gewieft. Seine Inhalte bzw. Argumente allerdings waren nur bedingt überzeugend. Trotzdem: Die beiden Gegner des Antrags vernichteten die Befürworter nach Strich und Faden, weil sie einfach wußten, wie sie mit dem Publikum zu spielen haben.

Hier drei Gedanken zum Thema:

Erstens:

Grundsätzlich muß man den beiden Gegnern vorwerfen, daß sie streng genommen das Thema verfehlten. Der Antrag lautete "Die Katholische Kirche ist eine Kraft für das Gute in der Welt" und nicht "Die Katholische Kirche war keine Kraft für das Gute in der Welt". Es ist wohlfeil und geziemend, auf größtenteils in der Vergangenheit liegende Sünden der Kirche hinzuweisen. Aber man muß diese Sünden - wie Widdecombe richtig sagte - im historischen Kontext sehen. Dies entschuldigt zwar aus heutiger Sicht nichts. Aber wer seine Hausaufgaben in diesem Bereich richtig macht und ein Körnchen guten Willens mitbringt, der wird schnell erkennen, daß erstens auch heute noch vermeintlich seriöse Geschichtsschreiber nicht selten zu maßlosen Übertreibungen, wenn nicht zu blanken Lügen greifen, was die Sünden der Kirche betrifft, und daß zweitens die Motivation für diese Sünden nicht notwendigerweise religiöser Eifer war, sondern - wie z.B. im Falle der Hexenprozesse, der Behandlung der südamerikanischen Ureinwohner oder der Kreuzzüge - häufig ökonomische oder soziale Interessen von nicht-kirchlichen Individuen dahinterstanden. Es wäre demnach meiner Meinung nach fair und der eigenen Glaubwürdigkeit zuträglich, wenn man da zumindest vorsichtig ist. Schließlich beruft man sich ja auf der Seite von Hitchens und Fry ständig auf die "Aufklärung".


Zweitens

Fry stellt zu Beginn seiner Rede klar, daß er keine Probleme habe und keinen Streit suche mit einzelnen Katholiken, die fromm und gläubig sind, aus ihren Glauben Kraft und Freude ziehen und auf der Suche nach der Wahrheit sind.

Diese Worte kommen einem bitter wieder hoch, wenn er dann zum Beispiel sämtliche Priester, Nonnen und Mönche über den Kamm schert und sie als sexuell funktionsgestört lächerlich macht oder die Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI (welche er geschmackvoll "Der Pole" und "Ratzinger" nennt) an die Wand stellt, weil sie als katholische Individuen die Wahrheit nicht nur suchten und fanden, sondern auch öffentlich zu den aus dieser Wahrheit gezogenen Schlüssen stehen und sie proklamieren. Was Fry hier also tatsächlich zu sagen scheint (und ich lege ihm diese Worte nicht in den Mund, sondern versuche nur, aufgrund der genannten Tatsachen einen Schluß zu ziehen, der für mich einen Sinn ergibt) ist, daß ein einzelner Gläugiber - egal welcher Religion - eigentlich ein vom Kontext seiner Religion komplett losgelöstes (und somit von demjenigen, der am lautesten polemisiert, steuerbares) Stück Treibholz zu sein hat, welche sich bedingungslos sämtlichen Forderugen zu unterwerfen hat, die man auftischt. Wenn ich mit dieser Analyse nicht komplett falsch liege, dann heißt dies doch, daß Fry - der der Kirche vorwirft, sich an ungebildeten, manipulierbaren und dominierbaren Robotern zu erfreuen - sich genau diese Art von Robotern zumindest als Gläubige irgendeiner Religion, wenn nicht gar als Empfänger seiner Rede wünscht.


Drittens:

Das Aufzählen der Fehler und Sünden der Kirche ist für Fry und Hitchens Grund genug zu behaupten, die Kirche sei keine Kraft für das Gute in der Welt. Hier ein Gedanke, den ich schon ein- oder zweimal auf am römsten präsentiert habe: Wenn das Schlechte in der Kirche die Kirche schlecht macht, dann kann es nur so sein, daß das Gute in ihr sie auch gut macht.

Es ist in der heutigen Zeit einfach nicht mehr genügend, auf den Rechten des Menschen auf Kondome, undurchschaubaren Partnerwechsel, Abtreibung, sexuelle Entfaltung in jegliche Richtung herumzureiten... [Momentchen mal! Wer war es nochmal, der "sexbesessen" ist? Ach ja...]. Man muß schon dem Blick auch mal Auslauf jenseits der Mauern des eigenen Schlafzimmers gönnen. Dann wird man sich schnell in einer Welt wiederfinden, in welcher die Kirche einige der wenigen Stimmen ist, die sich auf eine Art und Weise für die Würde des Menschen einsetzt, welche sich eben nicht auf Sex begrenzt, sondern die gesamte menschliche Person im Umfeld der Familie, des Arbeitsplatzes, der unmittelbaren und der globalen Gesellschaft betrachtet. Man wird sich in einer Welt wiederfinden, in der die Katholische Kirche eine der größten (wenn nicht die größte) Wohlfahrtsorganisationen ist, dies nicht nur, was den schnöden Mammon betrifft sondern auch und grade den Einsatz ihrer Mitglieder. Man wird sich in einer Welt wiederfinden, in der Katholiken (sowohl Laien als auch Priester) unter stellenweise ausgesprochen widrigen Umständen an ihrem Glauben treu festhalten und nicht beim ersten Anzeichen von Gewalt oder - was für nicht wenige Individuen schlimmer ist - schlechter Presse den Schwanz einziehen. Man wird sich in einer Welt wiederfinden, in welcher eine von unserem Herrn Jesus Christus auf Petrus, dem Felsen, aufgebaute Kirche immer und immer wieder versuchen muß, sich einen Reim auf die schrecklichen Auswüchse zu machen, die doch eigentlich den Heiden vorbehalten sein sollten, aber eben auch immer wieder Eingang in die heiligen Hallen finden. Man wird sich in einer Welt wiederfinden, in der eine Kirche in poetischer Gebrochenheit mal mit hängenden Schultern auf sich selber aber immer mit erhobenem Haupt und breiter Brust auf Christus schaut. Kurz: Man wird sich in einer Welt wiederfinden, in welcher die Kirche in der Tat eine Kraft zum Guten darstellt, da sie wegen ihres Gründers und wegen des ihr gegebenen Auftrages gar nicht anders kann. Sie stellt eine Kraft zum Guten dar, weil sie sich für die Würde des Menschen einsetzt, weil sie sich um die Armen, Kranken und Benachteiligten kümmert, weil sie treu und zu Opfern bereit ist, weil sie sich ihrer Fehler und Sünden bewußt ist und weil sie weiß, daß letztlich alles Gute von Christus.

Das Beste, was Hitchens und Fry rausschlagen können (und ich lehne mich hier aus Konzilianz weit aus dem Fenster) ist ein Unentschieden. Dies aber auch nur, wenn man jede einzelne Sünde jedes Jahrhunderts penibel nachhält und so tut, als hätte die Kirche seit ihrer Gründung nicht hin und wieder auch mal innegehalten, nachgedacht und bestimmte Auswüchse eingedämmt bzw. für einen ganzen Haufen ihrer FEhler um Vergebung gebeten. Daß Hitchens praktisch die Existenzberechtigung der Kirche von einer Art perpetuum mobile der medialen Selbstkasteiung abhängig macht, ist daher auch ein matter Versuch, diese Institution auf ein Oprah-Level hinabzuziehen, auf dem jede noch so uninformierte Sofakartoffel nach Belieben ihre Vorurteile pflegen kann.

2 comments:

Uralte_Sage said...

Antrag natürlich angenommen. Und danke für die Unerschütterlichkeit, denn diese ganze Veranstaltung in voller Länge ist ja noch härterer Tobak als Stephen Fry alleine, wußte ich nicht. Das wollen sich die Leser dieses Blogs anscheinend nicht antun, kann man ihnen nicht verargen.

. said...

sehr guter Text von dir.
Aber: Warum sollen denn Inquisition und Kreuzzüge schelcht gewesen sein? Und seid wann ist die katholische Kirche für Hexenverbrennungen verantwortlich? Seitdem die Vereinigten Staaten von Amerika für den Ku-Klux-Klan verantwortlich sind?
Und warum glaubt niemand mir, wenn ich ein Referat darüber halte, dass die katholische Kirche wirklich nicht für den Hexenglauben (das stand in einem Text über Goethes Faust, den wir im Deutschunterricht gelesen haben) verantwortlich ist?
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