Okay, ich denke, daß ich jedermanns Aufmerksamkeit habe...
Dogmatische Konstitution über die Kirche "Lumen gentium", Paragraph 17:
Wie nämlich der Sohn vom Vater gesandt ist, so hat er selbst die Apostel gesandt (vgl. Joh. 20,21) mit den Worten: "Gehet hin und lehret alle Völker, taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28,18-20). Diesen feierlichen Auftrag Christi zur Verkündigung der Heilswahrheit hat die Kirche von den Aposteln erhalten und muß ihn erfüllen bis zu den Grenzen der Erde (vgl. Apg 1,8). Daher macht sie sich die Worte des Apostels zu eigen: "Weh ... mir, wenn ich die Frohbotschaft nicht verkünde!" (1 Kor 9,16.) Unablässig fährt sie darum fort, Verkünder auszusenden, bis die neuen Kirchen voll errichtet sind und auch selbst das Werk der Verkündigung fortsetzen können. Sie wird nämlich vom Heiligen Geiste angetrieben, mitzuwirken, daß der Ratschluß Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde. In der Verkündigung der Frohbotschaft sucht die Kirche die Hörer zum Glauben und zum Bekenntnis des Glaubens zu bringen, bereitet sie für die Taufe vor, befreit sie aus der Knechtschaft des Irrtums und gliedert sie Christus ein, damit sie durch die Liebe bis zur Fülle in ihn hineinwachsen. Ihre Mühe aber bewirkt, daß aller Same des Guten, der sich in Herz und Geist der Menschen oder in den eigenen Riten und Kulturen der Völker findet, nicht nur nicht untergehe, sondern geheilt, erhoben und vollendet werde zur Ehre Gottes, zur Beschämung des Teufels und zur Seligkeit des Menschen. Jedem Jünger Christi obliegt die Pflicht, nach seinem Teil den Glauben auszusäen.
Die Morallehre der Katholischen Kirche bezüglich Familie und Sexualität leidet daran, daß sie einerseits auf vielen Ebenen die Wahrheit vermitteln muß und daß andererseits heutzutage niemand mehr eine Wahrheit
"besitzen" geschweige denn verkündigen darf, die sich nicht empirisch untermauern läßt oder die die Menschen in ihrer Realität als Sünder ernst nimmt und ihnen daher Magendrücken bereitet.
Grundsätzlich ist die Wahrheit immer attraktiv. Klar, es gibt Momente im Leben, da denkt man sich
'Och, das hätte ich jetzt eigentlich lieber nicht gewußt...', aber letztlich hilft einem doch jede Wahrheit - angenehm oder unangenehm - sich mit bestimmten Realitäten vertraut zu machen und sich auf diese einzustellen.
An erster Stelle in der Vermittlung der Katholischen Morallehre muß die Frage nach dem Glauben stehen. Ein Gespräch über Familien- und Sexualmoral zwischen mir und einem Menschen, der überhaupt nicht an Gott glaubt oder nur eine vage, selektive Vorstellung von ihm hat, kann unendlich schwierig werden. Muß es aber nicht.
Der (künftige) Priester darf eines nicht vergessen: Es ist - zumindest auf einer anfänglichen, fast noch vormoralischen Ebene - nicht seine Aufgabe, den Leuten ständig zu erzählen, was sie tun dürfen und was sie nicht tun dürfen. Es ist seine Aufgabe, die Menschen Christus zuzuführen. Denn wenn die Menschen in eine Beziehung mit Christus gebracht werden und ihr Wissen über Ihn sich mehrt und korroboriert, dann werden sie von sich aus erkennen, was zu tun und was zu unterlassen ist. Sicher, es werden dann später komplexere Fragen auftauchen, bei denen es gut und recht ist, den Leuten bezüglich ihrer Handlungen zumindest Ratschläge zu geben. Aber am Anfang steht Christus und nicht "Du mußt!" oder "Du darfst nicht!"
Ich tue mich manchmal ein wenig schwer mit der medialen Präsenz der Heiligen Mutter Kirche, wenn es um die Fragen der Familie und der Sexualität geht. Klar, da ist einerseits die
vierte Gewalt, die sehr genau weiß, welche Aussagen des Papstes, der Bischöfe und auch einzelner Priester man auf welche Art und in welchem Kontext wiederzugeben hat, um eine gewisse
Grundsstimmung zu erzeugen. Von den Wiederkäuern dieser Presse- und Rundfunk-Schnipsel, die in der weiten Welt des Internet nach eigenem Gutdünken Informationen
aufbereiten will ich erst gar nicht reden.
Doch eben diese Phänomene sollten die Kirche aufhorchen lassen. Denn in ihnen verbirgt sich eine gewaltige Chance. Wenn irgendwo
Kirche draufsteht, ist es erst einmal interessant. Wenn nach wenigen Zeilen oder Sätzen klar wird, daß es nicht um Sex-Skandale geht oder um Exkommunikationen, um anrüchigen Liturgie-Prunk, um in irgendeinem Fettnäpfchen stehende Bischöfe oder um eine grundsätzliche Möglichkeit, sich wenigstens moralisch überlegen, wenn nicht mit richterlicher Gewalt ausgestattet zu betrachten, dann blendet der Großteil der Leute zwar aus. Dennoch verbirgt sich hier eine Gelegenheit.
Ich bin - nicht nur aus einer Laune heraus, sondern nach langer und genauer Beobachtung bestimmter Mechanismen - davon überzeugt, daß die meisten der Leute, die sich einigermaßen geladen in Richtung Kirche wenden, dies nur tun, weil sie für eben diese Ladung einen Blitzableiter benötigen. Doch die Urasache der Ladung ist nicht die Kirche selbst. Die Ursache der Ladung ist die kirchliche Lehre, die sich in der heutigen Zeit immer weniger mit den Vorstelllungen und Lebensentwürfen des Individuums in Einklang bringen läßt. Dies aus zwei Gründen: Erstens ist der Inhalt als solcher auf den ersten Blick erst einmal schwer vardaulich. Zweitens wird dieser Inhalt dann oft auch noch in einer Form präsentiert, welche die Leute nicht zum Zuhören und genauen Hinschauen einlädt.
Was nützt es, zu sagen, Abtreibung sei Mord, Ehebruch sei eine schwere Sünde, Homosexualität sei in sich nicht in Ordnung, Scheidung entspräche nicht dem göttlichen Plan für die Einheit zwischen Mann und Frau, wenn man noch keine Methode gefunden hat, diese Inhalte im gleichen Atemzug sowohl mit der Heiligen Schrift als auch mit der Tradition der Kirche zu untermauern? Ich sage nicht, daß dies nicht versucht oder getan wird. Es ist aber doch so, daß die
Reizworte in den Medien immer in den Vordergrund gestellt werden. Und ich will noch weiter Fragen: Was nützt die Heilige Schrift, was nützt die Tradition der Kirche, wenn die Menschen nicht mehr wissen, warum Schrift und Tradition überhaupt existieren?
Ich sehe tagtäglich - sei es in Rom oder in Klosterneuburg oder in Wien oder in Düsseldorf oder in Bamberg - Menschen, deren Leben eine ruckartige Veränderung hin zum besseren erfahren wird, sobald man sie mit der Tatsache vertraut macht, daß eben dieses Leben ewig und unvorstellbar herrlich sein kann. Die Gnade und die Erlösung sind ja bereits in diese Welt eingedrungen und haben sie verändert. Jetzt ist es (wieder) an der Zeit, dies zu verkünden. Es ist an der Zeit, den Menschen erneut zu verdeutlichen, daß sie ihr Leben bedeutend entspannter angehen können, als man ihnen allerorten weismachen will. Es ist an der Zeit, den Menschen zu demonstrieren, daß sie mit gelöstem - nicht herablassendem - Lachen all den Tausenden von Verführern den Rücken zuwenden und sie im Idealfall auch gerne zum Mitgehen einladen können. Es ist an der Zeit, den Menschen auf glaubwürdige Art zu verstehen zu geben, daß sie bereits frei sind und sich nicht eine vermeintliche Freiheit noch erstreiten müssen. Es ist an der Zeit, den Menschen Christus zu zeigen. Denn nur, wenn sie Christus erkannt und kennengelernt und - soweit es menschenmöglich ist - verstanden haben, wird die katholische Morallehre bei ihnen greifen. Was nützen katholische Vorschriften, wenn das gesamte Gefüge von Handlung und Konsequenz sich in der Vorstellung der Menschen nur auf das Diesseits richtet?
Wir dürfen nie vergessen, daß nicht die Kirche Menschen rettet. Die Kirche verkündet die Frohe Botschft und spendet die Sakramente, so daß Christus die Menschen retten kann. Natürlich ist die Kirche das von Christus selbst uns geschenkte Instrument, durch welches diese Rettung ermöglicht wird. Aber nur Christus selbst bewirkt die Rettung, ist es doch Christus selbst, der sich uns in der Verkündigung und in den Sakramenten zeigt und schenkt.
Ich wäre daher beglückt, wenn die Kirche (Priester und Laien) einen Weg fände,
mit sanfter Zähigkeit (um mal einen der bekanntesten der Klosternuburger Chorherrn, Pius Parsch, zu zitieren) unaufhörlich Christus auszurufen, in die Welt zu tragen, verständlich zu machen und als Erfüllung aller menschlichen Sehnsüchte erkennbar werden zu lassen. Wenn die Menschen um die Ursache der Herrlichkeit, die ihrer harrt, nicht wissen, dann wird man sie durch Gebote und Verbote auch für diese Herrlichkeit nicht interessieren können. Es muß umgekehrt ablaufen: Wenn die Menschen die Ursache der Herrlichkeit erkannt haben, werden sie - nicht alle und nicht immer, aber dennoch in bedeutend höherem Maße als jetzt - selbst beginnen, die Fragen nach
richtig und
falsch, nach
gut und
böse, nach
gestattet und
verboten zu stellen.
Und dies bezieht sich nicht nur auf Familie und Sexualität. Es bezieht sich unter anderem auch auf solche Schweinehunde wie diejenigen, die grade in Oberitalien einen Öl-Supergau ausgelöst haben, auf 16-jährige Jungspunde, die aus heiterem Himmel Menschen mindestens krankenhausreif prügeln, auf all jene, die glauben, noch mehr Besitz bedeute noch mehr Lebensqualität und auf all die Menschen, die sich freiwillig in Gefangenschaft begeben. Ich lasse mir lieber von der Wahrheit, die Christus ist, Fesseln anlegen, als von den Meinungen, die mir aus allen vier Winden entgegenposaunt werden.
Also schreibt ruhig überall
"Kirche" drauf, aber dann stellt sicher, daß erst einmal Christus drin ist und nicht ein Katalog von Vorschriften. Klar, es wird Leute geben, die sich abwenden, wenn auf
"Kirche" dann kein Skandal folgt, so, wie es Leute geben mag, die die Überschrift dieses Postings lasen und mittlerweile diese Seite schon längst wieder verlassen haben, weil das Erhoffte nicht geliefert wurde. Aber diejenigen, die vielleicht zweifeln oder unschlüssig sind oder - von Christus noch gar nicht berührt - gar ein ganz neues Kapitel ihres Lebens aufgeschlagen finden könnten, die werden es dankbar registrieren, wenn es gelingt, ihnen Herz und Verstand nicht mit der Brechstange sondern mit dem Quell der Wahrheit zu öffnen.
Denn, wie gesagt: Die Wahrheit ist immer attraktiv.