Grob zusammengefaßt sieht es so aus, daß überzeugte Christen bedeutend weniger Probleme mit Gläubigen anderer Religionen als Nachbarn haben, als überzeugte Konfessionslose. Einen Vorsprung bzgl. der Ablehnung haben die Christen bei Rechts- bzw. Linksextremisten, Trinkern, Drogenabhängigen und AIDS-Kranken.
Josef Bordat dazu:
- "... werden von den Christen/Kirchgängern Menschen tendentiell eher für ihr Tun kritisch beäugt als für ihr Sein. Bei den Konfessionslosen/Nicht-Kirchgängern ist das umgekehrt: Hier ist das Sein als Moslem, Jude oder Schwarzer eher „Grund“ für die Ablehnung. „Bestraft“ der Christ also die unangenehmen Eigenschaften bei größerer Vorbehaltlosigkeit gegenüber dem Wesen des Menschen, ist das bei Konfessionslosen gerade anders herum.
Es geht sicher zu weit, wenn ich nun folgere: Der Christ liebt den Menschen und hasst die Sünde, beim Konfessionslosen ist das umgekehrt."
Andererseits: Sollten die Christen (gemäß dem Spruch "Liebt den Sünder, haßt die Sünde") nicht noch lieber neben Säufern, Fixern, Zockern und Huren wohnen wollen? Denn dies sind doch die Sünder, die zu lieben wir aufgerufen sind. Wurde in der Frage nach den Menschen anderer Religionen vielleicht so etwas impliziert wie ein anständiger, teilweise mit der christlichen Lehre kompatibler Lebensstil, was dann Christen eher sympathisch erscheint als Konfessionslosen, die möglicherweise schon bei der Erwähnung von Religion und Glauben entnervt abwinken?
Das sind nur ein paar Überlegungen, die mir durch den Kopf schossen, als ich den Artikel las. Was mein Ihr?
3 comments:
Danke für die Kommentierung, Alipius. Damit sind Sie einigen Korrekturen, Verbesserungen und Nachträgen zuvorgekommen (das ausgiebige Mittagessen, das auch in Spanien nicht schlecht ist, zog mich vom Laptop weg).
Nun mache ich hier einige Anmerkungen:
1. Da ich an anderen Stellen peinlich zwischen der theoretisch-transzendental-normativen Ebene (Christentum) und der praktisch-immanent-faktischen Ebene (Christenheit) unterscheide, ist der Titel etwas schludrig, denn zunächst mal bezieht sich die Studie als Sozialstudie ja auf die Christenheit. Über das Christentum müsste ja die Religionswissenschaft urteilen, nicht die Soziologie. Was Toleranz angeht, so gilt diese sicherlich für beides: für die Theorie und für die Praxis des christlichen Glaubens.
2. Die Ergebnisse sind dennoch sicherlich kein Ruhmesblatt für Christen/Kirchgänger, das zur Selbstbeweihräucherung geeignet ist (was ohnehin nicht christlich wäre). Dass es überhaupt aktive udn ernsthafte Christen gibt, die nicht neben einem Juden oder Schwarzen wohnen möchten, die einen Menschen ablehnen, weil sie oder er Jude ist oder schwarze Hautfarbe, ist beschämend. Und auch bei den "verhaltensbedingten" Besonderheiten muss man natürlich differenzieren. Warum trinkt jemand, warum ist jemand drogenabhängig? (Nota bene: Auch für diese Gruppen tun Christen einiges, Stichwort: Höfe der Hoffnung). Mir ging es aber darum, die Frontstellung von aufgeklärt-liberal-tolerantem Säkularismus hier und reaktionär-faschistoid-intoleranter Kirchlichkeit dort aufzubrechen. Und diesen Aufbruch der Stereotype geben die Zahlen m.A.n. auf jeden Fall her.
3. Die Fragen sind berechtigt, auch die Frage, ob bei Kirchgängern nicht andere Merkmale deutlicher durchschlagen als Christlichkeit (etwa das Lebensalter oder das Geschlecht). Allerdings bietet Püttmann auch andere Daten aus anderen Studien, die deutlich machen, dass auch in Kohorten mit vergleichbaren Sozialdaten (wenn etwa Jugendliche untersucht werden) christlich-kirchlich orientierte Probanden hinsichtlich Tugenden und Alltagsmoralität besser abschneiden als ihre konfessionslosen Peers. Besser insoweit, als die Handlungen bewertet sind, wobei man sich natürlich auch über die Bewertung einer Handlung als "gut" streiten kann...). Ich werde, wie angekündigt, später auf andere Studien eingehen.
Herzliche Grüße,
Josef Bordat
Einen Dank zurück für die Kommentierung der Kommentierung ;-) !
Ich warte gespannt auf das, was die anderen Studien so zeigen!
Teil 2 ist jetzt im Blog erschienen:
"Wie sie handeln. Ein Beitrag zur deskriptiven Ethik"; Teil 3 folgt nächste Woche.
Herzliche Grüße,
Josef Bordat
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