- "Die Kirche hatte immer zu zeigen, was der Weg zu einer glücklich gelebten Sexualität ist, nämlich eine intensive Du-Beziehung im Rahmen einer stabilen Partnerschaft. Wenn vor allem die eigene sexuelle Lust intendiert ist, dann macht das unglücklich. Als Psychiater beeindruckt mich da die katholische Lehre, die das aus ihrer Sicht auf den Punkt bringt: Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und von der liebenden Vereinigung losgelöst wird."
- Die Kirche ist seit Monaten im Mittelpunkt der Missbrauchs-Debatte. Warum fokussiert sich die Diskussion so sehr auf die Kirche und ihr Personal?
Weil scheinbar das Gute als schlecht entlarvt wurde. Die, die Gott bringen hätten sollen haben sich vergangen. Corruptio optimi pessima. Das schockiert und paralysiert - oder macht wütend. Da hilft es nicht, wenn uns der Kopf sagt, dass Pädophilie-Täter nur einen verschwindend geringen Anteil des Klerus ausmachen, und dass Priester eine zigfach geringere Wahrscheinlichkeit haben, pädophil zu sein: das Gefühl bleibt. Irgendwie weiß man schon, zu welchen Scheußlichkeiten der Mensch fähig ist; aber dass auch der Priester diesen menschlichen Abgrund in sich trägt ist offensichtlich schwer verkraftbar. Dass jemand auf die schöne menschliche Liebe verzichtet und dann in solche Perversionen verfällt, ist ja ein menschliches Scheitern das sprachlos macht, das erschüttert. Wenn irgendein Pädophiler aufgedeckt wird, ist das eine Einzelperson. Aber wenn es ein katholischer Priester ist, dann steckt die Kirche mit drinnen. Für viele Menschen ist das zudem sehr emotional besetzt, weil die Kirche in ihren Augen für „Sexualrepression“ steht. Deshalb erleben sie es als extrem scheinheilig, wenn ihre Amtsträger so etwas machen. Die Kirche steht hier psychodynamisch für den strengen Vater, der autoritär Sexualität verbietet. Da mischt sich dann die Enttäuschung über den gefallenen Vater mit der lange aufgestauten Wut, die seine Zurechtweisung verursacht hat.
Wenn ich mir die Berichterstattungen und Reaktionen anschaue, liege ich dann völlig falsch, wenn ich auch eine gehörige Portion Schadenfreude erkenne? Und einen 'legitimen' Grund, den "strengen Vater" endlich auf einen negativen Aspekt reduzieren zu können, um so protzend die eigene moralische Überlegenheit zu demonstrieren, bevor man Lebewohl sagt?
Ich kenne viele nicht unanständige Katholiken, die schockiert sind wegen der Mißbrauchsskandale. Aber die kämen nie auf die Idee, von Scheinheiligkeit zu sprechen, da sie sehr wohl unterscheiden können zwischen kirchlicher Lehre und individuellem Fehlverhalten. Auch wissen sie, daß es einen Unterschied gibt zwischen einem Magisterium, welches Schrift und Tradition zu einem gültigen Ganzen zusammenschweißt, auf daß der Mensch auch in der heutigen Zeit wenigstens noch eine vage Vorstellung von dem Weg hat, der ihn seinem Schöpfer wieder zuführt und um den Ruf der Kirche (und auch ihren eigenen) besorgte Bischöfe, die - nicht ganz realitätsnah - glaubten, man müsse einen bekannten Mißbrauchs-Täter nur in die nächste Gemeinde versetzen und alles wird gut.
Diese Leute leiden unter den Mißbrauchsfällen. Sie leiden aber auch unter der Berichterstattung, dem Generalverdacht, dem ständigen Schmeißen mit Dreck (bis ENDLICH an irgendeinem großen Namen irgendetwas hängenbleibt) und den plakativen Schlagzeilen. Ein Beispiel für Letztere gefällig? n-tv: "Homosexualität, Alkohol und Gewalt: Rom lässt Mixa fallen" - Klar, weil Bischof Mixa bereits in allen drei Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde. Das ist keine Schlagzeile, das ist eine Prügelzeile für Sofa-Kartoffeln, die nur zufällig auf n-tv hängengeblieben sind, weil sie dachten, es sei eine Call-in-Show.
Hier sehe ich keinen Schock, keine Lähmung, nicht einmal Wut. Hier sehe ich nur Marktschreierei kirchenfeindlicher Kreise, welche die Menschen noch weiter weg holen wollen von der einzigen Institution, die ihnen aufgrund ihrer Botschaft gefährlich werden kann.
Die Katholiken (also alle die, die jetzt noch in der Kirche sind und nicht mit dem Gedanken spielen, auszutreten) leiden unter den Mißbrauchsfällen. Sie leiden aber auch unter den streckenweise haarsträubenden, in ihrer Intensität fast hysterisch scheinenden Versuchen gewisser Meinungshoheitler, der Kirche schnell noch einen Extra-Skandal mehr reinzuwürgen. Diese Leute haben Recht, wenn sie mich traurig anschauen, seufzen und sagen: "Es ist ja in Ordnung, wenn die keine Ahnung von der Kirche und keine Beziehung zu Gott haben. Dann wundert es auch nicht, daß die solchen Mist schreiben. Aber dann sollen sie ihre Ignoranz nicht hinter dem Argument verstecken, die Öffentichkeit habe ein Recht auf Information."
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
2 comments:
Ich habe mich ja mitten in der "Hochzeit" der Medienhetze katholisch taufen lassen (Osternacht) und tatsächlich ist es so,dass man sogar von Katholiken gefragt wird, warum! Erschütternd :( Viele dieser Leute, die vorher schon "innerlich gekündigt" hatten, finden nun einen willkommenen Anlass, aus der Kirche auszutreten. Jetzt frage ich dann nur zurück - WARUM?
Ich bin schockiert über die Vorfälle und Untaten von Mitgliedern und Würdenträgern der Kirche, ja, jeder vernünftige Katholik ist das. Ich bin aber auch schockiert über den leichtfertigen Umgang der Menschen mit sich, ihrer Kirche und der Feigheit, in der Kirche zu bleiben und selbst anzupacken! Mir fallen da spontan so Schöagworte wie Umkehr, Buße, Liebe ein ...
Herzlich willkommen in der Familie! :)
Und natürlich frag ich auch nach dem Warum, weil ich solche Geschichten immer so gern höre... (und ich werd gleich auf Deinem Blog dazu lesen)
Ein Beter mehr - wie viele Karteileichen das aufwiegt!
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