Wer will kann sich den langen Artikel durchlesen. Ich empfand ihn in der Tat als Zeitverschwndung, weil er zu lange in einem Argument/Gegenargument-Strudel herumpiourettiert und zwischen den Zeilen schon sehr früh das Wesentliche erahnen läßt. So dachte ich mir schon nach wenigen Absätzen 'Okay, nun sag's doch endlich!'
Aber erst ganz am Schluß kommt die Katze aus dem Sack [ÜS meine]:
- Doch die Konsequenzen des moralischen Relativismus sind verheerend. Und das Nicht-Vermögen, die wichtigsten Fragen im Leben der Menschen anzusprechen, ließ der Wissenschaft ausschauen wie wenig mehr als einen Brutkasten für Technologie. Es ermöglichte auch der auf Glauben basierenden Religion - diesem großen Motor der Ignoranz und Bigotterie - den beinahe unangefochtenen Anspruch zu erheben, die einzige Quelle moralischer Weisheit zu sein. Das war schlecht für jedermann. Mehr noch: Es war unnötig, denn wir können über das Wohlbefinden von Kreaturen mit Bewußtsein vernünftig und im Kontext der Wissenschaft reden. Es wird Zeit, daß wir es versuchen.
Noch entlarvender ist für mich das "Wohlbefinden", ein Begriff, der sich wie ein roter Faden durch den gesamten Artikel zieht.
Denn die Frage ist doch, wie Wohlbefinden mit Moral zusammenhängt und wie, bzw ob sich dieser Zusammenhang in der heutigen Zeit überhaupt kommunizieren läßt.
Ich will nicht zu weit von vorne beginnen, aber ich tu's dann halt doch...
Wenn irgendwer sich des berechtigten Anspruchs eines Gutes auf eine Reaktion bewußt wird, stellt diese Reaktion einen moralisches Gut dar, wenn sie geordnet ist und ein moralisches Übel, wenn sie zerrüttet scheint. Der moralische Wert findet sich in der Antwort eines Akteurs auf den Anspruch eines einfachen Gutes.
Der primäre Analogat eines moralischen Wertes findet sich in der internen freien Wahl oder dem internen freien Akt des Willens: Ich sehe ein hungriges Baby und wähle innerlich, es zu füttern. Diese Wahl ist der erste Ort, an welchem sich der moralische Wert findet.
Weiterhin findet sich dieser Wert in der externen Realisierung dessen, was innerlich gewollt ist. Zuerst liegt der Wert in der Entscheidung, das Baby zu füttern. In einem abgeleiteten Sinne findet er sich auch im externen Handeln, indem ich Nahrung nehme und sie dem Baby zuführe.
Die "Gesprächsführung" - wenn ich es mal so nennen darf - zwischen Intellekt und Willen auf dem Weg zu einer freien Wahl kennt den Begriff "Wohlbefinden" nicht.
Nichts ist gewollt, was nicht zuerst gekannt/erkannt ist. Am Anfang steht ein Akt des Intellekts, eine simple Auffassung eines Gutes, welches sich präsentiert. Der Wille tendiert notwendigerweise, automatisch, uranfänglich in einem simplen Akt zu diesem Gut. Es gilt nun herauszufinden, ob dieses Gut erreichbar ist, was wiederum dem Intellekt zufällt. Sagt dieser "Okay!", so antwortet der Wille mit einer Absicht. Diese bezieht sich direkt auf das Gut. Unter Umständen - wenn das Gut nicht direkt erreichbar ist - legt der Intellekt noch einen Akt der Beratung ein, um die Mittel zu überdenken, mit deren Hilfe das Gut an Land gezogen werden kann. Da diese Mittel zur Erlangung des Gutes nützlich sind, üben sie eine eigene Anziehgunskraft aus. Nach Abwägung der Mittel gibt es im Willen einen Akt der Zustimmung. Der Intellekt volzieht das endgültige Urteil und der Wille antwortet mit einem Akt der Erwählung. Und genau an diesem Punkt tritt die interne moralische Integrität auf. Der Intellekt gibt den Befehl aus, der Wille folgt mit der der Ausführung. Hier gibt es eine weitere Aktivität, die weder dem Intellekt noch dem Willen zufällt: Es ist der Gebrauch meiner physischen Kräfte. Und hier findet sich sich die externe moralische Integrität.
Frage: Umfaßt moralisches Handeln nicht auch - oder gar besonders - Dinge wie Verzicht, wenn nicht gar Opfer?
Und ist der ganze, oben beschriebene Komplex, in der heutigen Zeit nicht reduziert auf ein "Ich will, ich nehm, ich hab", um es mal platt auszudrücken?
Wer über die Möglichkeiten einer Wissenschaft der Moral nachdenkt und in seinen Ausführungen verdächtig oft den Begriff "Wohlbefinden" verwendet, der mag selbst noch weitsichtig und erfahren genug sein um zu wissen, daß man auch trotz eines gebrochenen Arms sich noch sehr wohl fühlen kann, wenn man sich diesen Bruch zuzog, während man einen Menschen aus einem zusammenstürzenden Haus rettete. Er mag zumindest verstehen, daß man sich ausgesprochen wohl fühlt, wenn man ein direkt verfügbares, vermeintliches Gut - zum Entsetzen aller Zeugen - links liegen läßt, weil es ein zwar schwerer und nur unter Verzicht und Ofern zu erreichendes aber bedeutend höheres Gut zu erlangen gilt.
Aber: Ist in unserer doch sehr aufs Materielle ausgerichteten "Spaß bis der Arzt kommt"-Gesellschaft (deren moralischen Relativismus Harris ja selbst beklagt) der Begriff "Wohlbefinden" nicht ein wenig vorbelastet? Bedeutet er nicht in der Regel das, was in erster Linie einmal mir nützt? Und wenn es sich um's "Ich" dreht, wie soll dann auf einer großen Kugel mit bald 7 Milliarden Individuen die Wissenschaft der Moral implementiert werden, wenn es - nach Abschaffung der Ignoranten und Heuchler und somit auch Gottes - keine absolute und höhere Autorität in Fragen der Moral mehr gibt?
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