Da es in den nächsten 24 Stunden hier ein wenig ruhiger wird (ich war im Stift zum Kapitel und reise morgen zurück nach Rom), schiebe ich hier mal eine Grübelei ein, die Euch vielleicht für die Zeit der Blog-Stille ein wenig Futter gibt (Mal schauen, vielleicht schaffe ich es ja wenigstens, morgen eine Robusta einzuschmuggeln).
Wenn man als Katholik "Kirche" sagt, dann sollte man schon von der "katholischen" Kirche sprechen, also von der von Christus gewollten, einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche.
Und diese hat sich ja schon seit einiger Zeit in der Welt ganz gut ausgebreitet.
Jedoch gibt es zwei Probleme:
Erstens: Nicht jeder, der sich "katholisch" nennt, sitzt auch fest im Schoße der Heiligen Mutter. Manche fallen sofort hinab, wenn's ein wenig ruckelt; andere werden von Mama mal zur Strafe probeweise auf den Boden gesetzt und schaffen es dann entweder nach reiflicher Überlegung und einem Abwägen des pro und contra wieder hinauf oder sie denken sich 'Wenn die nicht will, wie ich, dann soll sie mich mal gerne haben!' Um dieses Problem geht es in dieser Grübelei allerdings nicht oder nur sekundär.
Zweitens: Die Kirche ist mittlerweile so groß und so alt, daß es zumindest mir oft schier unmöglich ist, als Katholik "Kirche" zu sagen und dabei nicht meine ganz spezielle, mir durch eigene Erfahrungen und Rückblicke in die Vergangenheit ans Herz gewachsene Kirche zu meinen.
So kommt es dann, daß ich mich manchmal in meiner unmittelbaren und mittel-mittelbaren Umgebung umschaue, parallel dazu ein Bild von einer glorreicheren katholischen Vergangenheit in meinen Gedanken aufblitzt und ich denke "Okay, das war's! Die Kirche ist am Ende".
Ich wuchs grade noch rechtzeitig auf, um die letzten Zuckungen der Volkskirche bewußt mitzubekommen. Doch es dauerte nicht lange, bis ich bemerkte, daß etwas faul war. Da ich aber Vergleiche brauchte, um die Fäule identifizieren zu können, begann ich, mich mit der Geschichte der Kirche und des Katholizismus zu beschäftigen. Vielleicht zu früh; sicherlich ohne die Fähigkeit, zwischen Information und Ideologie zu unterscheiden. So kam es, wie es kommen mußte: Zwei Herzen schlugen bald - ach - in meiner Brust.
Der verunsicherte junge Erwachsene - ganz abhängig von der Meinung und Akzeptanz seiner Altersgenossen - wollte erst einmal mit der Kirche der Inquisition, des stillschweigenden Versager-Papstes, der lüsternen Mönche, der Kreuzritter, der bis zum Pupillenstillstand spitzfindigen Theologen, der schürzenjagenden Päpste und der die Bauern aussaugenden, in Saus und Braus lebenden Kirchenfürsten nichts mehr zu tun haben.
Aber der sich irgendwie einsam und von seinen Altersgenossen unangenehm beobachtet fühlende katholische alte Bub schwelgte immer öfters und heimlich in Bildern von aus allen Nähten platzenden Kirchen, von kilometerlangen Fronleichnamsprozessionen, von Eucharistischen Kongressen mit Feldmessen, an denen 200.000 Gläubige teilnehmen, von gemütlichen, dicken Dorfpfarrern in Soutane, die von alten Mütterchen mit Kuchen und Braten versorgt werden, von einem Kirchenvolk, das die gesamte Stadt in einen geschmückten Empfangssal verwandelt, wenn der eigene Bischof aus Rom mit dem Kardinalshut zurückkehrt, von ganzen Rudeln von Ministranten, die als aufgeregt schwatzendes Häuflein die Sakristei betreten um dann in ehrfurchtsvollem Schweigen routiniert ihren verschiedenen Aufgaben nachzugehen, von Bischöfen, die in ihren Palais zwischen seidenen Tapeten, kostbarem Mobiliar und alten Kunstschätzen leben und weder von den Gläubigen dafür verachtet werden noch in hochtrabendes Gebahren verfallen.
Überhapt: Ich träumte auch immer sogleich die Kehrseite der Medaille hinfort. Die Kinder waren im Schoße der Kirche und unter Dutzenden von Priestern sicherer als im Laufstall. Die Priester waren solide und kompensierten, was auch immer die Welt ihnen als Mangel andichten wollte, mit einem regen Gebetsleben und einem Kreis echter und guter Freunde. Die Bischöfe waren Kirchenfürsten und standen somit vor ihren Schäfchen, als erste dem Feind in die Augen blickend. Die Gläubigen ehrten ihre Priester zuallererst wegen des Amtes aber dann auch wegen des Vertrauens, welches das Amt mit sich brachte und welches der Mann nicht mißbrauchte.
Und dann wachte ich eines Tages auf und wußte: Es wird nie wieder so werden (wenn es denn überhaupt jemals so war). Und das brach mir für eine Sekunde das Herz, denn es bedeutete, daß die katholische Kirche und der katholische Glaube ihre Anziehungskraft auf die Massen verloren hatten. In den Shopping Malls der Eitelkeiten machte sich die Kirche plötzlich so ungelenk, da selbst die pompösesten Eminenzen mit den längsten Schleppen und dem größten Appetit auf Macht nicht die dreisten Marktschreier-Qualitäten aufwiesen, mit welchen die neuen Hohepriester das Volk an die Produkte zerrte. Denn selbst ein Ludwig Kardinal von Stolzenbauch-Seidenberg ist immer noch an mindestens eine Handvoll Prinzipien gebunden, die er selbst um den Preis wenigstens seiner materiellen Sicherheit, wenn nicht seiner Gesundheit oder gar seines Lebens, nicht preisgeben wird.
So verabschiedete ich mich von meiner Geschmacksrichtung des Katholizismus, versuchte, mir für einige Jahre vorzulügen, daß die Kirche ganz arg doll böse ist, knickte dann aber geschwind ein und kroch zu Kreuze.
Was steckt da für eine Befreiung in diesem Ausdruck, der so demütigend klingen soll! "Zu Kreuze kriechen!" Ich kann es jedem nur wärmstens empfehlen. Denn wenn man dann da unten liegt und scheu den Blick hebt und Christus einen anlächelt und sagt "Paßt schon! Du warst jung und verwirrt! Vergessen wir's einfach! Gibt halt acht, daß du jetzt mir und dir treu bleibst!", dann gibt's einen Ruck und die Welt ist plötzlich wieder in der Umlaufbahn. Herrlich!
Ich raffte mich also auf und fand mich mit dem Gedanken ab, daß - wenn ich es denn tatsächlich fertigbringen sollte, eines Tages meiner Beufung zu folgen - ein gigantischer Berg von Arbeit vor mir läge. Und nun wächst dieser Berg sekündlich und ich steht unten am Fuße und staune.
Was wird bleiben?
Wenn der Gipfel des Berges bald durch die Wolkendecke bricht und ich ihn nicht mehr sehen kann, ist er dann trotzdem noch da? Aber ja. Darüber mache ich mir keine Sorgen.
Aber werde ich es verkraften, den Glauben in Europa sterben zu sehen? Werde ich lernen, daß die katholische Kirche mehr ist als ein weißhäutiger, rotwangiger Pfarrer, der in eine barocken Rauchmantel gehüllt, unter einem Baldachin daherschreitend das Allerheiligste durch malerische Dorfstraßen trägt, an deren Seiten die Gläubigen sich den Platz streitig machen und ein Schar von Kindern neugierig und fromm die Hälse lang macht? Werde ich erkennen, daß junge Priester aus allen Kontinenten schon längst dabei sind, den Berg von Arbeit zu erklimmen und frohen Mutes in die katholische Zukunft schauen? Werde ich mich von ihnen mitreißen lassen können? Werde ich eines Tages sagen können "Hauptsache Kirche, egal wo!"?
Was wird bleiben?
Ich hoffe, Euer Gebet!
1 week ago
9 comments:
Christus hat uns keine Sicherheit und kein Sofa in dieser Welt versprochen. Das heutige Evangelium ruft uns das wieder einmal mehr ins Gedächtnis. Aber vielleicht hören, denken wir diese Worte - in diesen Tagen - auch schon zu häufig, als daß deren Gewalt an uns ins Tiefste heranreichen könnte. Es gibt auch eine Gewöhnung im Sich-Aufregen, im die-Zeit-in-den-Blick-nehmen.
"Hauptsache Kirche, egal wo" ...? Im Evangelium ist auch die Rede von dem einen Stab und dem einen Mantel, mit dem wir uns auf den Weg machen sollen. Was steckt dahinter? Erstens: Es geht immer auf die Reise. Zweitens: Es wird kein Luxustripp. Aber wohin wir auch gehen - Christus soll der Weg und das Ziel sein. Und wenn wir ihm unsere Armseligkeit anvertrauen, unsere Fragen, unsere Enttäuschungen, unsere Schuld, unsere falschen Erwartungen: dann wird Er uns begleiten. Wo aber Christus ist, da ist die Kirche.
...und dann werden wir mal weiter beten, nicht?
Ja, wir werden das verkraften. Weil wir es müssen, werden wir es können, weil Jesus Christus uns hierzu die Kraft und die Weisheit und die Oster-Augen schenken wird und bereits schenkt. Weil wir genau hierzu heute gerufen sind. Daß diese Zeiten unsere sind... darüber hat schon so mancher Trauer empfunden- aber es ist auch eine Herausforderung und eine Aufgabe.
Nach dem Tot kommt die Auferstehung!
Jetzt muss die Kirche erst mal gereinigt werden und danach, wenn sie geklärt ist, wird es ein fortkommen geben, mit neuen (alten) Ansätzen.
Die Kirche hat schon vieles erlebt und auch überlebt.
Ich bin der Überzeugung,dass eine Krise heilsam ist und so wird unserer Kirche zunehmend wieder heil.
Mein Gebet ist Dir sicher!
Zum Artikel und sämtlichen Kommentaren meine uneingeschränkte Zustimmung und unserm Römer - wie immer - mein Gebet.
Was bleiben wird? Die Konzentration auf das, was vor Gott wesentlich ist, hoffe ich!
Vielen Dank für all Eure Antworten!
Ich solte vielleicht noch klärend ergänzen, daß ich mit der Frage "Was wird bleiben?" weniger von dem offensichtlichen Bereich des "vor Gott Wesentlichen" (danke c.t.!) gesprochen habe, als von einem... naja... "katholischen Bauchgefühl", welches bei einem hoffnungsvoll sinnesfrohen Romantiker wie mir auch keine unbedeutende Rolle spielt.
Ein Gebet ist Dir sicher! Ja, die Arbeit wird scheinbar immer mehr. Auch als Laie, der aktiver Katholik ist, wird es immer umfangreicher gegen die überbordende säkulare Gesellschaft und den Verlust bzw. die Abwendung vom Glauben. Ich bin aber sicher, dass nach diesem Sturm der aktuell durch die Kirche weht und vieles mit sich reisst, die Zeit des "katholischen Bauchgefühls" wieder kommen wird. Es dauert, sicher, aber es geht wieder nach oben und wir werden die Menschen vom Wesentlichen überzeugen können. Mit Gottes Hilfe!
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