... Alipius antwortet.
"Why Catholic?" lautet die neue Kategorie, in Anlehnung an Webster Bulls Blog Why I Am Catholic.
Hier sind Zehn Gründe, warum ich (immer noch) katholisch bin:
1.) Ich wurde schon als mikroskopischer Krümel katholisch getauft. Ich wuchs zwar eher in einer Atmosphäre vom rheinischem Laissez-Faire-Katholizismus auf, aber das kann ja auch Vorteile haben. Ich kenne viele Leute, die von der Kirche und ihrem Glauben abfielen, weil sie als Kinder und Jugendliche die ganze Sache zu herb reingewürgt bekamen. Jedenfalls wurde ich auf diese Art sanft katholisch geprägt.
2.) Schon in sehr, sehr jungen Jahren entwickelte ich Priestern gegenüber einen großen Respekt und ein seltsames Vertrauen. Unvergessen einer der ersten Schultage in der Grundschule. Ich weiß nicht mehr, welchen Unterricht wir hatten. Jedenfalls geht plötzlich die Türe auf und ein ungefähr 70-jähriger, fremder Mann - ganz in Schwarz - kommt hinein. Sofort - und ohne dazu aufgefordert worden zu sein - steht die gesamte Klasse wie ein Mann auf und es wird mucksmäuschenstill. Die Szene hat sich so in mein Gedächtnis eingebrannt, weil diese Autorität, die der Mann ausströmte, gar nichts Gewaltsames an sich hatte. Es ist natürlich mit dem Abstand von mittlerweile fast 36 Jahren schwer zu sagen, aber ich glaube, wir sind damals nicht aufgestenden, weil wir das Gefühl hatten, aufstehen zu müssen, sondern eher, weil wir es wollten. Bei mir war's zumindest irgendwie so. Ihr habt's längst erraten: Der Mann war ein katholischer Geistlicher. Pfarrer Nüsse war in die Klasse gekommen, weil er irgendetwas mitzuteilen hatte. Er nutzte die Gelegenheit auch, um sich gleich mal den "Neuen" vorzustellen. Das war mal ein Priester, wie aus dem Lehrbuch. Kräftig, quadratschädelig, neun Finger (einer mußte im Krieg dran glauben), fester Blick, feste Stimme. Klein Alipius - damals noch keine sechs Jahre alt - wurde von einem leichten Grusel gepackt. Aber der verflog. Denn es wurde nach den ersten Religionsstunden mit dem Herrn Pfarrer bald klar: Der ist saustreng, aber er ist für dich da, wenn du ihn brauchst. Ich hatte das Glück, daß fast alle Priester, die ich in jüngsten und jungen Jahren traf, aufgrund ihrer Kleidung auch als Priester zu erkennen waren, was mir früh zeigte, daß es so etwas wie eine Katholische Identität gibt, die man auch sehen kann. Die Modelle waren ganz unterschiedlich. Da war der immer etwas fahrig wirkende Kaplan, der mich aus der Schulbank ohrfeigte (wie vor kurzem hier auf am römsten geschildert - vergeben und nur deswegen nicht vergessen, weil's so einmalig war, im wahrsten Sinne). Da war der indische Aushilfskaplan, schüchtern und mit haarsträubendem Akzent, aber irgendwie sehr cool und lieb. Da war der neue Pfarrer - jung, energiegeladen, Fußballfan - der die Jugend immerhin motivierte, noch bis in die mittleren 80er-Jahre hinein zur sonntäglichen Messe zu erscheinen. Da war der Haus- und Hof-Geistliche, ehemaliger Kollege meiner Großtante (bevor er dann seiner Berufung folgte); ein hochgewachsener, breitgegessener, sehr weltmännisch und salontauglich wirkender Berg mit einem Puttenmündchen, welches sich beim Lachen und beim Zubeißen zu einem Domportal öffnete. Und da war der Redemptoristen-Pater, der nur für zwei Wochen zu einer Mission in unsere Gemeinde kam, der aber derjenige war, der mich auf die Schiene zum Priestertum setzte und - ohne es wirklich zu wissen (glaube ich zumindest) - mir einen vorsichtigen Schubs gab, um zu sehen, ob ich auch losrolle. Ja, ich bin losgerollt. Der Weg war weit, die Jahre lang, aber nun sehe ich das Licht am Ende des Tunnels! (** lebenslange Dankbarkeit **)
3.) Ich hatte meine "Jesus ja, Kirche nein"-Phase. Drum prüfe, was sich ewig bindet? Liebe Kirche: Nach diesem Jahrzehnt spiritueller Verwahrlosung (circa 1985 bis 1995) und ein paar weiteren Jahren der langsamen Umkehr, weg von den schwarzen Legenden, den einfachen Antworten und den bequemen Ausreden, glaube ich mit einer gewissen Sicherheit sagen zu können, daß Du die Eine, die Heilige, die Katholische, die Apostolische bist.
4.) Weil ich sonst nicht katholischer Priester werden kann. Ho-ho-ho.
5.) Wann immer ich einen Blick in die Welt werfe und sich etwas als gewichtiges Problem darstellt, erscheint mir die Antwort der Katholischen Lehre auf dieses Problem die einleuchtende. Es ist witzig, daß die Institution, der man so oft ihr "Menschgemachtsein" vorwerfen will, gleichzeitig die Institution ist, die auf tatsächlich menschgemachte Probleme (Globalisierungs-Wahn, Raubtierkapitalismus, Respektlosigkeit gegenüber der Schöpfung, Abkehr des Menschen von seiner Natur) mit Antworten aufwartet, die einer höheren, ganz und gar nicht menschgemachten Wahrheit entspringen.
6.) Wegen der Jahrhunderte Katholischer Kultur und der Früchte, die sie trugen. Ich picke hier NATÜRLICH das Augenzwinkern der Kunstgeschichte heraus: Den Barock! Eben weil ihm eine aus Strenge und Nüchternheit gewonnene Erhabenheit abgeht, ist der Barock für mich DIE katholische Kunst. Hier tastet sich das Menschliche frech und kühn, ja beinahe irr über schimmernde Marmorböden, durch goldglänzende Hallen, an wahnwitzigen Schnörkeleien vorbei bis an die Grenze der Selbstvergöttlichung heran, nur um kurz vorher von einem Putto, der respektlos mit einer Mitra und einem Hirtenstab herumspielt, in seine Schranken verwiesen zu werden. Großartig!
7.) Weil die Welt die Kirche nicht wirklich mag. Fulton Sheen beschrieb es auf seine gewohnt einleuchtende Art und Elsa hat's mir schon vorweggenommen. Zusammenfassend: Wenn's nicht gehaßt wird, ist's nicht Christus!
8.) Wegen der Geschichte. Ich habe begonnen, mich etwas intensiver mit der Geschichte der Welt und der Kirche zu beschäftigen, als in dem kunstvoll gewobenen Lügenkonstrukt der Kirchenhasser, dem ich glücklicherweise nie ganz zum Opfer fiel und welches ich daher auch nie mit Eifer vertrat, sich erste Risse auftaten. "Wart mal!" murmelte ich dann. "Kann DAS denn stimmen? Vielleicht sollte ich da mal ein wenig nachforschen." Baaaaaaaad idea! Vorurteil über Voruteil, Voreingenommenheit über Voreingenommenheit, Schauermär über Schauermär blieben am Wegesrand zurück. Nicht nur das: Es tat sich eine 2000jährige Vergangenheit auf, in der die Großen und Kleinen unserer Kirche und unseres Glaubens sich als das erwiesen, was sie sind: Menschen! Rumhurende Kardinäle, heilige Bauerntöchter, mit Ämtern und Titeln zockende Päpste, demütige Könige, verzeihende Märtyrer, sich für den Anderen aufopfernde Priester und Laien, tumbe Bischöfe, kluge Mönche. Da gab's und gibt's so Vieles. Und über dem Vielen thront der Eine und stellt sicher, daß trotz allem immer noch nach seinen Regeln gespielt wird. Nicht die Hölle, sondern Er wird den letzten Akt einläuten. Denn nicht die Hölle, sondern Er vergibt und liebt.
9.) Wegen der Gemeinschaft. Ich verstand das schon früher, aber erst die fünf Jahre in Rom haben mir gezeigt, mit welcher Leichtigkeit, welcher Freundlichkeit, welcher Natürlichkeit Menschen aller Nationen und Kulturen miteinander umgehen, wenn sie den Glauben und die Lehre der katholischen Kirche teilen und irgendwie spüren, daß sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
10.) Weil mir jedesmal, wenn ich vor dem Allerheiligsten bete, so warm und wahr ums Herz wird.
Elsa?
1 day ago
3 comments:
Mir leuchten ja Punkt 6 und 8 am meisten ein. Auch wenn ich, bittschön, im Barock nicht bloß die völlig überladene Architektur sehe, sondern auch die glasklare, hinreißend schöne, von tiefer Frömmigkeit geprägte Musik höre und die innige, bildhafte Lyrik lese. (Und, ahemm, da ist der ein oder andere garnichtkatholische Bach und Gerhardt dabei.)
Mir ist Christ sein noch wichtiger als Katholik sein.
Und trotzdem noch ein Argument für den Katholizismus: Das ist Religion mit allen Sinnen. Da wird gekniet, gestanden, geschritten, angeschaut und berührt, Weihrauch geschnuppert und mit dem Kreuz bezeichnet - der ganze Mensch ist dabei.
Daß der ganze Mensch auch bloß ein Mensch ist, tja, das ist bis heute so, und man muß nicht mal auf die großen Skandale gucken - strohdoofe Geistliche, taktlose Pfarrgemeinderäte etc. können viel anrichten. Aber es gibt ja auch die Klugen und Gütigen und Behutsamen, wenn man bloß ein bißchen sucht.
Pardon, das war jetzt etwas lang. Mußte sein. ;-)
Ja, du hattest ja deine Rubrik sowieso schon: Katholisch? Ja bitte!
Warum nur Christsein für mich nicht gereicht hat?
Weil mir die anderen immer was vom Bär über Jesus Christus erzählt haben. Im Lichte der katholischen Glaubenslehre habe ich tatsächlich die Bibel ernst nehmen können. Besonders ging mir das bezüglich der Eucharistie so. Tatsächlich frage ich mich heute, wie irgendjemand meinen könnte, es sei Jesus Christus NICHT um Fleisch und Blut gegangen, sondern um ein bisschen rumspielen mit einer Brot- und Getränkesegnung.
Das wurde auch ganz kontinuierlich 1500 Jahre lang so überliefert. Sogar Luther glaubte noch daran.
Ausgerechnet vom synkretistischen Yoga her kommend, ging mir das ganz allmählich auf, dass es eine Wahrheit gibt. Und wie alle Wahrheiten, ist sie schlicht, einfach und schön.
Die (göttliche) Wahrheit kann nicht ausdiskutiert werden, sie ist kein Konsens oder Auslegungssache.
Bei mir kam hinzu, abgesehen von dem Reiz, den die Sinnlichkeit des Katholischen schon immer auf mich ausübte, dass ich eigentlich alles ganz furchtbar fand ansonsten.
Ich war eine "Mein Bauch gehört mir"-Idiotin.
Irgendwann in den Neunzigern muss ich mir mal gedacht haben: Eigentlich ist es toll, was die katholische Kirche zum Leben zu sagen, also zum Wert des Lebens und diese Striktheit. Ich kann ihr zwar und will ihr nicht unbedingt folgen, aber es ist gut, dass es diese Stimme noch gibt.
Es ist gut, dass eine Instanz da ist, die sagt: HALT! Was du jetzt machst, ist eine Todsünde vor Gott. Es ist gut, dass diese Instanz gleichzeitig sagt: Du bist nicht die Summe deiner schlechten Taten, mach es doch einfach bitte das nächste Mal besser, weil Gott liebt und vergibt dir.
Und jetzt bin ich aus dem Fahrwasser, weil ich gerade zwischendurch was über meinen persönlichen Umgang mit dem Problem: "Ich habe einem Mann auf seinen tollen Hintern gestarrt und bin danach zur Kommunion gegangen" auf meinem Blog kommentiert habe.
:-/
Danke für die interessanten Kommentare, meine Damen!
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