Saturday, April 29, 2006

Heilige des Tages

Mitpratonin Europas, Kirchenlehrerin, Schutzheilige Italiens: Die Liste kann sich sehen lassen.

Die Heilige Katharina von Siena (1347 - 1380) ist eine der ganz großen Frauen der Kirche. Auf der Abbildung seht ihr die Mystikerin in ihrer Ordenstracht als Dominikanerin, wie sie im Alter von 27 Jahren die Wundmale des Herrn empfängt. Sie besaß eine Vertrautheit und Liebe zu Christus, die für heutige Gemüter nur schwer nachvollziehbar ist. In einer ihrer Visionen nahm Christus ihr das Herz aus der Brust und setzte ihr sein eigenes ein. Und mit Christi Herz in der Brust war für sie die Verpflichtung gegenüber den Armen, vor allem aber auch gegenüber den Verfeindeten, eine Selbstverständlichkeit.

Katharina wurde in eine mehr als wüste Zeit hineingeboren: Ein Jahr nach Katharinas Geburt brach über Europa die Pest aus, zwischen Frankreich und England tobte der Hundertjährige Krieg, in Italien bekämpften sich die Adelsparteien, und die Päpste versuchten von ihrem Exil in Avignon aus recht erfolglos, den Kirchenstaat zu regieren.

Katharina wurde getrieben von Sorge um die Kirche. Sie ermahnte den in Avignon regierenden Papst zur Rückkehr nach Rom und wünschte sich den Frieden zwischen Florenz und dem Papsttum. Diese beiden Ziele erreichte sie, was ihr eine große Autorität einbrachte. Als dann das abendländische Schisma ausbrach, sah die Heilige ihr Werk gefährdet. Sie starb zwei Jahre später schwer krank in Rom mit 33 Jahren (ein Alter, das uns bekannt vorkommt, oder?).

Interessant ist, daß Katharina nie davor zurückschreckte, den großen der Kirche die Leviten zu lesen und sie wenn nötig zu kritisieren, sie anzuspornen, das Gold des geistlichen Besitzes dem des weltlichen vorzuziehen, sie dazu aufzurufen, die Einheit und den Frieden unter den Christen zu stärken. Dabei war sie von einer solchen Liebe zur Kirche erfüllt und vom Stellvertreteramt des Papstes so vollkommen überzeugt, daß sie eine tatsächliche Auflehnung gegen die päpstliche Autorität nie duldete. Eines ihrer Zitate, bei dem wahrscheinlich dem Großteil der "aufgeklärten" Menschen die Ohren bluten, lautet:
    "Ihr wißt ja, daß Christus einen Stellvertreter zurückließ zum Heil unserer Seele. Wir können unser Heil nicht anders erlangen als im mystischen Leib der hl. Kirche, dessen Haupt Christus ist und dessen Glieder wir sind. Wer den Christus auf Erden – der den Christus im Himmel vertritt – nicht gehorcht, der nimmt am Blut des Gottessohnes nicht teil. Denn Gott hat es so eingerichtet, daß durch dessen Hände Christi Blut und alle Sakramente der Kirche uns zukommen. Es gibt keinen anderen Weg und keine andere Pforte für uns."
Und weil's so schön und richtig war, gleich noch ein Zitat über die Kirche:
    "Das Licht des Geistes hatte ich in der ewigen Dreieinigkeit geschaut. Und ich sah in diesem Abgrund die Würde des Menschen und zugleich das Elend, in das der Mensch durch die Todsünde fällt. Und ich sah die Notwendigkeit der hl. Kirche, die Gott in meinem Herzen offenbarte. Ich sah, daß diese Braut, die Kirche, Leben spendet, und daß sie solche Fülle des Lebens in sich hat, daß niemand sie töten kann; und daß sie Kraft und Licht spendet und daß keiner sie schwächen, noch in ihrer Wesenheit verdunkeln kann. Und ich sah, daß ihr Reichtum niemals versiegt, sondern stets wächst."
Da klaffen schon Welten zwischen den Fähigkeiten und dem Glauben dieser großen Frau und dem, was man heute so alles hören und lesen muß.

Santa Catharina, ora pro nobis.

Friday, April 28, 2006

Der Sommer kommt!

Seid gegrüßt!

Ich sitze hier bei geöffnetem Fenster in meinem Zimmerchen im Schottischen Kolleg und lausche dem auch um 20:40 immer noch tosenden Verkehr. Es ist vor wenigen Minuten erst dunkel geworden und es ist angenehm warm.


Am Montag wird auch hier der Tag der Arbeit gefeiert. Das verlangte natürlich - der italienischen Logik zufolge - am heutigen Tag nach einem Streik des Busverkehrs. Wenn man schon ein langes Wochenende hat, dann soll es ja schließlich auch ein richtig langes werden. Die Kritik werden dann mit Erscheinen der nächsten Zeitung wieder die armen Taxifahrer einstecken müssen. Denn es wird nach jedem Busfahrerstreik (im Durchschnitt einer pro Monat) lamentiert, das die Taxler schlampig und faul sind, weil am Streiktag nicht genügend von ihnen unterwegs waren. Richtig sollte eigentlich darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Taxifarer sich einen Wolf arbeiten und trotzdem die Nachfrage nicht decken können, weil es einfach viel zu viele Leute gibt, die an einem Streiktag fahren wollen. Ich kann schon manchmal verstehen, warum die Kutschierer in Rom häufig mies gelaunt sind.

Wäre Rom ein stehendes Wasser und ein Tourist eine Bakterie, dann müßte man spätestens seit dieser Woche von der Ewigen Stadt sagen, sie sei gekippt.

Ach ja: Ich hatte endlich mein erstes Eis bei Giolitti's und kam mit stolzgeschwellter Brust heim, nur um dann in der eMail einen Kommentar zu meinem 100sten Posting zu finden, in dem ich in Deutscher Sprache vom "anderen Flußufer Roms" darauf aufmerksam gemacht wurde, daß es das beste Eis in dieser Stadt selbstverständlich irgendwo transtiberisch gibt. Mir hat's bei Giolitti's trotzdem geschmeckt.

Witzig: Gestern hatte ich ein Semestermitte-Examen in "Philosophy of Nature". An einer Stelle wurde nach dem Namen des Mannes gefragt, der eine Theorie mit einem Bibliotheken-Katalog verglichen hat. Gelernt hatte ich Henri Poincare und gewußt habe ich es eigentlich auch. Blöderweise war ich genau zum Zeitpunkt der Frage so durch den Wind, daß mir der Name grad nicht einfiel. Ich wußte nur "irgendein berühmter Franzose, der mit Vornamen Henri heißt." Und dann war ich mir doch plötzlich einhundertprozentig sicher, den Namen wieder zu wissen und schrieb ganz stolz "Leconte". Als ich fertig war, legte ich meine Arbeit auf dem Pult vor Professor Bagood ab und ging raus, um erst mal ganz entspannt eine zu rauchen und auf die Anderen zu warten und "Was hast du bei Frage 18 geschrieben?" zu spielen. Die Türe zum Klassenraum stand offen, weil es warm war. Ich schlenderte dann so hin und her und blickte irgendwann mal in die Klasse. Da grinste Bagood - der mittlerweile meine Antworten teilweise gecheckt hatte - mich an und machte mit seinem rechten Arm eine Tennis-Aufschlag-Bewegung. Und mir fiel's wie Schuppen von den Augen.

Wußtet Ihr, daß das Zitat "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" von Aristoteles stammt? Ich nicht. Hab's erst heute gelernt.


Alles Liebe,
Alipius

Wednesday, April 26, 2006

Schön, daß sich in den zwei Wochen nichts geändert hat...

Der Iran bastelt an der Bombe und Ahmadinedschad protzt mit 40000 bereit stehenden Selbstmordattentätern und der Auslöschung Israels.


In Ägypten explodieren ein paar ganz Inspirierte vor lauter Freude und reißen zwanzig Urlauber mit in den Tod.


In Indonesien mußte mittlerweile ein Waisenhaus für Kinder eröffnet werden, deren christliche Eltern von Moslems ermordet wurden.


In Wien findet die Konferenz der europäischen Imame statt.


In Österreich muß man jetzt auch bei Tag mit Licht fahren (z. B. in die Abtreibungsklinik), weil das im Jahr circa dreißig Leben retten kann.


Und natürlich ist die einzig legitime Schlagzeile, die den Tatbestand wahrheitsgemäß widergibt diese: "Vatikan erlaubt Präservative!" In diesem Zusammenhang habe ich einen herrlichen Kommentar im Kurier gelesen:
    "...der gesunde Menschenverstand... sagt einem auch, daß es zynisch ist, Enthaltsamkeit als besten Schutz vor Aids zu empfehlen - angesichts der Tatsache, daß unzählige Frauen von ihren fremdgehenden Ehemännern angesteckt werden."
Bei soviel Unlogik stehen mir natürlich die Nackenhaare zu Berge. Die Empfehlung zur Enthaltsamkeit richtet sich wundersamerweise auch die Ehegatten, und wenn diese die Empfehlung ernst nehmen, dann gehen sie nicht fremd und es stecken sich auch keine Frauen an. Besagter Kommentar trägt den Titel "Das kleinere Übel" und prunkt mit der tiefen Erkenntnis:
    "Die katholische Kirche steckt grade vorsichtig die kleine Zehe ins 21. Jahrhundert."
Das 21. Jahrhundert tut zum Schutze des Lebens zum Beispiel Folgendes: Es legt zum einen Nichtraucherzonen und zum anderen Geschwindigkeitsbegrenzungen von 100 kmh oder 60 mph fest, weil sich so ein errechneter Durchschnitt von Leben pro Jahr retten läßt. Die sich aufdrängende Logik ist, daß man einerseits das Rauchen schlicht und einfach verbietet und andererseits eine Höchstgeschwindigkeit von - sagen wir mal - 5 kmh ansetzt, um Bewegung noch zu ermöglichen aber ein Minimum an Lebensgefahr zu erreichen. Dies wird nicht getan. Folglich ist hier ganz offenbar die Gefährdung von Leben das geringere Übel gegenüber der Streichung von Arbeitsplätzen in der Tabakindustrie, gegenüber einer Einschränkung der persönlichen Freiheit (sprich: dem Recht, sich mit Zigaretten auf Raten selbst zu töten) oder gegenüber unzumutbaren Wartezeiten bei Millionendeals auf dem globalen Basar. Die Kirche ist da einen Schritt weiter: Ihre Lehre ermöglicht es den Menschen, den Geschlechtsakt auf sein eigentliches Ziel zu konzentrieren, dabei die Würde zu behalten, im Stande eines vernunftbegabten Tieres zu verharren und sich nicht in einen lust-kontrollierten Sex-Roboter zu verwandeln. Ihre Lehre ermöglicht das Leben, sowohl das ungeborene (Sex als Mittel zur Zeugung), als auch das bereits existierende (Enthaltsamkeit und Treue als Schutz vor Infektion).

Das Zuckerstückchen zum Schluß, ebenfalls aus besagtem Kurier-Kommntar:
    "Wenn die Flut kommt, kann man natürlich predigen, daß das Wasser naß und böse ist. Sinnvoller wäre es, schwimmen zu lernen. Dem neuen Papst ist zuzutrauen, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen."
Ungeachtet des im letzten Satz ausgedrückten immensen Vertrauensvorschusses sei angemerkt: Wenn die Flut kommt, dann sitzen diejenigen, die ihre Zeit nicht mit dem Erlernen von ermüdenden Bewegungen in endlosen Wassern verplempert haben schon längst in der Arche. Und diese Arche trägt nach wie vor den Namen "Katholische Kirche".

Tuesday, April 25, 2006




Frohe Ostern und ein herzliches Willkommen an alle treuen "am römsten"-Leser!

Es geht wieder los! Weg mit den Taschentüchern und die Tränen getrocknet! Nach zwei wundervollen Wochen daheim im Stift brachte die Lauda-Air Josef und mich heute morgen aus dem sonnigen Klosterneuburg zurück in das etwas graue und erstaunlich kühle Rom.


Ach nee, Kinders, was ist das schön, zusammen mit der ganzen Klosterneuburger Gemeinde in unserer Basilika die Osternacht zu feiern! Osterfeuer, Lumen Chrsiti, hunderte von leuchtenden Kerzen, Weihrauchschwaden, das erste Halleluja nach 5 Wochen und mit brausender Orgel wird einem die Freude der ganzen Welt über den Auferstandenen sanft um das Gemüt gelegt. Wer so etwas miterlebt, der versteht, warum der Herrgott uns die Sinne geschenkt hat.

Lukas' Priesterweihe ist auch ganz glatt verlaufen. Der Gute war vorher schrecklich nervös, aber als es dann soweit war, konnte man ihm die Ergriffenheit zwar äußerlich ansehen, aber er sprach mit fester Stimme und zitterte überhaupt nicht. Und auch bei der Primiz wirkte er sehr sicher und gefestigt. Und die Heilige Mutter Kirche freut sich über einen neuen Priester. Betet für ihn.

Schade, daß ich mich nach zwei Wochen schon wieder von meinen Mitbrüdern und dem Stift verabschieden mußte. Die Anderen sind alle wohlauf. Clemens und Daniel mußten leider ganz plötzlich nach Amerika, um einer befreundeten Familie Beistand zu leisten, die einen tragischen Todesfall zu beklagen hat.

Wir haben mit unserer Choralschola einen Teil des Weihegottesdienstes gestaltet und das Ganze kam ziemlich gut an. Großen Anteil am Erfolg hat unser Herr Meinrad, der mit seiner wirklich schönen Stimme ein wunderbares Halleluja gesungen hat.

Das war's erst einmal in aller Kürze. Ich leg mich jetzt in die Wanne und dann ins Bett. Ich bin seit 4:30 auf den Beinen und morgen geht's auch wieder früh los.

Alles Liebe,
Alipius

Saturday, April 08, 2006

Aller Abschied fällt schwer!



Aber ich bin ja nur für zwei Wochen weg. Also bleibt stark.
Auf ein Wiedersehen nach Ostern!

Alles Liebe,
Alipius

Friday, April 07, 2006

Wir sind gekommen, um unsere Kämme zurückzufordern!


Was soll ich sagen? Ich war mal einer derjenigen, die von sich behaupteten, der größte Cure-Fan der Welt zu sein. Während ich mit dem ganzen "sich nachts auf Friedhöfen rumteiben und unheimich gotisch sein" rein gar nix anfangen konnte und mir die Fraggle-Szene bis auf die schwarzen Klamotten eigentlich auch immer ein wenig suspekt war, finde ich das ein oder andere Cure-Album heute immer noch hörenswert.


Für eines werde ich den Jungs um Fat Bob Smith aber ewig dankbar sein: Über sie bin ich vor einundzwanzig Jahren auf meine uneinholbar für immer auf Platz eins liegende Lieblingsband gestoßen: And also the Trees (Foto links)

Wenn Ihr die Trees schon kennt, dann wißt Ihr, was ich meine. Wenn Ihr sie nicht kennt, dann wird es höchste Eisenbahn. Die Briten formierten sich 1980, veröffentlichten 1983 ihr erstes Album (produziert von Lol Tolhurst, was ihnen jahrelange Vergleiche mit The Cure einbrockte) und brachten bis heute insgesamt acht weitere Studioalben heraus. Es gibt noch zwei Compilations (From Horizon to Horizon und 1980-2005), welche zum Anfixen für Neueinsteiger ganz interessant sind.

Was soll ich nun über die Trees sagen? Sie haben sich musikalisch stets weiterentwickelt, sind immer neue Wege gegangen und sich doch immer treu geblieben. Es beginnt mit den beiden ersten, leicht düsteren Scheiben And also the Trees und Virus Meadow. Von der Gruft zogen die Jungs dann um ins Herrenhaus, schlüpften in Gehrock, Weste und Plastron und veröffentlichten das tonnenschwere, romantische, hinreißende Meisterwerk The Millpond Years. Diesem folgte mit Farewell to the Shade der Höhepunkt der Romantik-Phase und zugleich die endgültige Befreiung der Band von allen Einflüssen und Vergleichen. Das fünfte Album, Green is the Sea, überrascht mit einem satten Piano, das sich fast als roter Faden durch das Werk zieht. Zudem weist die Platte mit Tremendous Risk for Mr. Ferdico und The Man who knew zum einen das atemberaubendste und zum anderen das schönste Instrumental-Stück der Band auf. The Klaxon, Album Numero sechs, findet die Trees während des Umzugs vom Landsitz in die neon-beleuchtete City. Die Songs werden spannungsgeladener und der Sound irgendwie "städtischer". The Flatlands, der letzte Track auf dem Album, ist so unvorstellbar schön, daß ich gar nicht erst versuchen werde, ihn zu beschreiben, sondern Euch nur auf Knien anflehe, ihn zu hören. Endgültig auf den regennassen Straßen der Großstadt angekommen sind die Trees auf Angelfish, das mit seinen leicht jazzigen Anklängen und einem von Bassist Steven Borrows gesungenen Stück neue Wege einschlägt. Auf Silver Soul, dem achten Album, gibt es eine große Vielfalt an Stilen, die sich durch das mittlerweile traumwandlerisch sichere Zusammenspiel der Band zu einem großartig gemischten Ganzen fügen. Nach diesem Album war plötzlich für mehr als vier Jahre Sendepause und ich begann schon, mir in die Hosen zu machen, als ich dann irgendwann im Internet las, daß ein neuen Trees-Album in Arbeit sei. Further from the Truth ist nichts für Amateure. Wenn Ihr die Trees nicht kennt, dann erst mal Finger weg. Die Songs auf dieser Platte erschließen sich wegen der sparsamen Instrumentierung und dem insgesamt sehr subtilen Auftreten erst nach einer Weile. Aber wenn man dann die Stücke Detail für Detail erkennt und auch zwischen den Zeilen liest (bzw. zwischen den Tönen hört), dann tut sich eine ganze Welt auf und man weiß: Die Trees sind wieder da!

Was für alle Platten gilt ist, daß die Texte von Simon Huw Jones einen ganz großen Teil des Reizes dieser Band ausmachen. Jones' Spezialität sind die fiktiven Protagonisten. Er holt immer wieder neue Charaktere aus dem Zylinder und läßt uns für die Dauer eines Liedes an ihren Alltäglichkeiten, ihren Triumphen, ihren Niederlagen, ihren Sehnsüchten und ihren Freuden teilnehmen. Ganz stark.

Ich weiß, ich habe jetzt nicht besonders viel zur Musik gesagt. Aber überlegt Euch Folgendes: And also the Trees existieren mittlerweile seit einem Vierteljahrhundert. Kein Schwein kennt sie. Und sie produzieren trotzdem immer weiter Alben. Diese Kerle leben für Ihre Musik. Und das hört man in jeder Note.

Ich kann Euch nicht versprechen, daß Ihr die Trees lieben werdet. Aber wenn Ihr nach Musik sucht, die Ihr vorher so noch nicht gehört habt, weil in den Charts einfach kein Platz für soviel Eigenständigkeit ist, dann könnt Ihr an diesem Quartett nicht vorbei. Wie gesagt: Für Einsteiger sind die Compilations interessant. Wer mutig ist und gleich zu einem amtlichen Album greifen will, der sollte sich entweder Green is the Sea oder The Klaxon oder Angelfish (die zugänglichsten Scheiben) besorgen. Wer direkt einen Happen aus der Feinschmecker-Ecke haben möchte, der braucht The Millpond Years.

Also: Vergesst ganz schnell alle Alben, die ich bisher in diesem Blog gelobt habe. Die einzig legitime moderne Musik kommt von And also the Trees! Viel Spaß beim Hören!

Alles Liebe
Alipius

Ich hab' den Kaffee quer durch's Zimmer geprustet...

... als ich dieses Bild bei den Jungs von liberal scum gesehen habe. Keine Panik: Das ist eine Photomontage, also lebt der Kerl im Hintergrund wahrscheinlich noch.


Prozessionen in Rom...

... sahen früher mal so aus.

Heute muß man sich darunter etwas anderes vorstellen: Seit Ende März durchstreifen ungezählte Touristengruppen von bis zu zwanzig Mitgliedern die Ewige Stadt. Da besteht natürlich die Gefahr, daß man sich in einigen der engeren Gassen verläuft, daß man seine Gruppe verliert oder sich im Gewimmel vor der Fontana di Trevi versehentlich einer falschen Gruppe anschließt. Um dem vorzubeugen sind die Touristenführer auf eine simple aber wirksame Idee gekommen. Wer immer vorne weg marschiert, hält einen Stock empor, an dessen Spitze ein unverwechselbares und unübersehbares Erkennungszeichen angebracht ist. In der Regel sind das Tücher in schrillen Farben oder Nationalflaggen. Es können aber auch Maskottchen oder Stofftiere sein. Neulich sah ich sogar eine leere Evian-Flasche, die einfach über das Stockende gestülpt worden war. Die Augen fest auf besagte Flasche gerichtet, watschelten circa 40 Japaner brav in Zweierreihe hinter dem Gruppenleiter her. Das wirkte ein wenig gespenstisch ("Imhotep, Imhotep, Imhotep").

Wednesday, April 05, 2006

Ein kleiner und ein großer Schreck...

Hallo allemiteinander!


Links seht Ihr José Kardinal Saraiva, den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse (der ja momentan wegen Karol "Santo subito" Wojtyła die Hände ziemlich voll haben dürfte). Als ich heute das Angelicum verließ, da hatte ich plötzlich trotz einsetzender Dämmerung so ein scharlachfarbenes Jucken im Augenwinkel. Ich drehte also meinen Kopf und Seine Eminenz kam mir in genau der Gewandung entgegen, die Ihr auf dem Photo seht. Was daran so toll ist? Naja, alle Kardinäle, die ich bisher live und in Ringkußnähe gesehen habe, trugen entweder Schwarz mit scharlachfarbenem Saum oder Scharlach mit weißem Rochett darüber. Aber so einfarbig knallig wie heute war's noch nie. Und ich kann nur eins sagen: HAM-MER! Wenn das Moirée-Zingulum in farblichem Einklang mit der Soutane so frech herumschimmert, dann brüllen sogar noch in Toledo die Stiere. In natura ist das Rot einfach viel umwerfender als auf jedem Foto. Nachdem ich mich ganz höflich verneigt hatte, kugelte der kleine Portugiese freundlich lächelnd und "Bona Sera"-end an mir vorbei und ein ihm folgender hochgewachsener Prälat starrte ganz verwirrt auf mein Sarockel.


Zum Sarockel gibt's gleich noch mehr. Jetzt muß ich nach dem kleinen Schreck (der eigentlich mehr ein "Hoppla!" als ein Schreck war) noch von dem großen Schreck berichten: Ich verließ das Grundstück des Angelicums und machte mich auf den Weg zur Piazza Venezia. Jedoch: Der gesamte Platz vor dem Angelicum war abgesperrt. Ich blickte die Straße hinab und staunte nicht schlecht, als ich sah, daß ein riesiges Gerüst, welches seit Monaten vor einem alten Haus stand, komplett umgekippt war, so daß nun die Straße mit einem meterhohen Berg verbogenen Metalls bedeckt war. Der Schweißausbruch-Faktor war hierbei extrem hoch, da ich nämlich nach der Uni immer unter eben diesem Gerüst entlanggehe. Röchel. Ich ging dann gar nicht erst in diese Richtung, da ein Berliner Olympiastadion voller Gaffer den Weg versperrte und ich mir außerdem nicht sicher war, wie splatter-mäßig der Anblick sein könnte. Man weiß ja nie, wer oder was zum Zeitpunkt des Einsturzes gerade unter dem Gerüst entlanggegangen oder -gefahren ist. Ich finde ja das "Mach mal locker, Alter!" der Italiener grundsätzlich nicht unsympathisch. Andererseits wundert es mich keine Spur, daß hier so etwas passiert. ("He, Manfredo! Mit fehlen Acht Schrauben für das Gerüst!" - "Hmm, ich hab auch keine. Hier, nimm das Kaugummi.")


Jetzt nochmal zurück zum Sarockel. Für alle, die es noch nicht wissen oder schon wieder vergessen haben: Das Sarockel ist der lange, schmale Leinenstreifen, der vorne und hinten an unserer Ordenstracht herunterhängt, wie auf dem Photo zu sehen ist.

Also. Das hier ist Rom. Folglich sollten die Einwohner dieser Stadt doch so ziemlich alles, was der Katholische Klerus an kleidermäßiger Extravaganz aufzubieten hat, schon einmal gesehen haben. Wenn ich aber mit Kutte und Sarockel so durch die Straßen schlendere, dann frage ich mich manchmal, für wieviele der Verkehrsunfälle in Rom Josef, Max und ich veranwortlich sind. Das Sarockel ist ganz offensichtich Titelseiten-Material. An die Blicke und das "Che cosa?" habe ich mich schon gewöhnt. Ich frage mich nur, ob ich langsam mal damit anfangen soll, für die Fotos Geld zu verlangen?

Besonders witzig war eine Begegnung mit einer älteren Touristin aus den USA, die mit Ehemann, Tochter und zwei anderen betagten Damen unterwegs war. Ich stand so nichtsahnend an der Ampel, als plötzlich von irgendwoher in englischer Sprache ohne große Umwege über Höflichkeitspfade die Frage "Wissen sie, wo die Fontana di Trevi ist?" ertönte. Die Frage wurde nach anderthalb Sekunden wiederholt. Ich drehte mich einfach mal um und tatsächlich: Ich war gemeint.
"Sprechen sie mit mir?" fragte ich zurück.
"Ja!"
"Da haben sie ja Glück, daß ich Englisch verstehe."
"Ja!"
"Da vorne halblinks und an der nächsten Ecke rechts und sie laufen direkt darauf zu."
"Danke. Was ist das?"
"Ein Sarockel."
"Was?"
"Ein Sarockel."

Hier drehte sich die Dame um und zerrte ihren Mann heran. "Hey, William! Mach mal ein Foto. Das zeigen wir zu Hause dem Herrn Pfarrer." Dann wieder zu mir: "Hi, ich bin Cookie aus Long Island!"
"Alipius aus Klosterneuburg."
"Was?"
"Al aus Wien."
"Hi Al! Sie sind sehr nett. Beten sie für mich."

William hatte mittlerweile das Foto geschossen und Cookie & Co. machten sich auf den Weg zur Fontana di Trevi.


Okay, und ich mache mich jetzt auf den Weg ins Bett.

Alles Liebe,
Alipius

Monday, April 03, 2006

#100!

Jawoll!

Das hier ist Beitrag Nummer 100!

Zur Feier des Tages gibt's noch ein paar Beobachtungen und Anekdötchen aus der Ewigen Stadt.


Also zuerst einmal: Die Römer halten zwei Weltrekorde!

1.) Ich habe noch nie zuvor soviele Mädchen bzw. Damen im Alter von 15 bis 50 Jahren gesehen, die sich so unvorstellbar schlecht kleiden. Vielleicht ist das ja momentan auch die Mode und ich habe es irgendwie nicht so richtig mitbekommen. Aber was die Römerinnen streckenweise an Klamotten aufbieten verstößt einfach gegen alles. Lederstiefel bis unter die Achseln; nabelfrei bis zum Hals; Kleider, Blusen und Kostüme im Fransen-/Fetzen-Look; Farben, die sich bis aufs Blut gegenseitig bekämpfen; Modeschmuck von der Baustelle; Kopfbedeckungen vom Mars; Make-up von Jackson Pollock. Unvorstellbar. Es gibt lobenswerte Ausnahmen, aber so richtig hingucken kann man bei den Römerinnen was die Kleidung betrifft normalerweise erst, wenn sie etwas über 50 sind.

2.) Bei den Männern ist es eigentlich ähnlich. Aber die kleiden sich nur bis zum Alter von circa Mitte Zwanzig so olmig, daß einem der Atem stockt. Die Teenie-Jungs sind vor lauter Baseballkappen und Turnschuhen kaum zu sehen und haben die Jeans so tief hängen, daß ich immer Mitleid bekomme und mir denke 'Hach, der arme Bub! Hat schon einen Bartansatz und kann sich noch nicht richtig anziehen.' Was aber bei den Herren besonders auffällt - und was den Römern somit auch den Weltrekord einbringt - ist, daß sie sich ab circa 55-60 überwiegend tadellos und einwandfrei kleiden. Klar, mit diesen schicken italienischen Schuhen hat man da ja die halbe Miete eh schon eingefahren. Dazu dann noch ein wie angegossen sitzender Anzug mit dezenter Krawatte und fertig ist der Gentleman, selbst wenn er nur den Müll vor die Tür bringt. Klasse auch die jetzt in der warmen Jahreszeit immer häufiger zu sehende Kombination aus Segelschuhen, Tuchhose, Hemd und Jacket. Was die älteren Semester betrifft sind die römischen Herren stilmäßig ganz weit vorne, eine Tatsache, zu der natürlich auch unser Heiliger Vater und die Kardinäle einen nicht unerheblichen Beitrag leisten.
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Ihr erinnert Euch vielleicht, daß ich vor einiger Zeit mal ein wenig von den römischen Bettlern erzählt habe. Da muß ich jetzt mal einen ganz groben Regelverstoß leisten und mich über einige Individuen beschweren, die eigentlich als Sinti/Roma das Unantastbarkeitssiegel der ethnischen Minderheit tragen, aber was soll's. Also: Es geschieht immer wieder mal, daß ich in der Straßenbahn sitze und mir plötzlich eine circa DIN-A6-große, gelbe Pappkarte in den Schoß geworfen wird, auf der in italienischer Sprache darauf hingewiesen wird, daß die geworfen habende Person an Leukämie leidet und dringend Kohle für eine Behandlung braucht. Im oberen Teil dieser Karte befindet sich ein graues Feld von der Größe eines Paßfotos, auf welchem ein menschlicher Kopf abgebildet ist. Dies so ungenau und kontrastlos, daß man nicht einmal erkennen kann, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Zum ersten Mal stutzig wurde ich, als ich innerhalb von drei Tagen zwei verschiende Frauen mit diesen Karten durch die Bahn tingeln sah. Da machte das unscharfe Foto dann schon mehr Sinn. Erst recht, als dann eine Woche später plötzlich ein Mann neben mir stand, und mir - "Padre! Padre!" - eine dieser Karten hinhielt. "No," antwortete ich. "Padre!" - "No." - "Padre!" - "No." - "Padre! - "NOOOOO!" Mein letztes Signal der Spendenverweigerung war - zugegeben - etwas ruppiger und lauter, als ich es eigentlich geplant hatte. Aber wenigstens kam die Botschaft an und der Kerl trollte sich. Vorerst. Als er seine Tour zurück machte, um die Karten wieder einzusammeln, machte er plötzlich Halt, drehte sich um und begann, mich zu beschimpfen und mit Flüchen zu belegen. Da es für mich nicht wirklich von Belang ist, daß meine Kinder mit grünem Haar, vier Augen und zwölf Fingern an jeder Hand geboren werden, beließ ich es bei einem vertsändnisvollen Lächeln und sah von meinem spontan sich aufdrängendem Plan ab, dem guten Mann außerhalb der Bahn ein hundertprozentig wirksames Heilmittel gegen Leukämie zu zeigen. Was auch ein wenig unangenehm auffällt, ist diese "Wat denn? Das war schon alles?"-Masche. Ich bin wirklich nicht knauserig, was die Bettler betrifft und wenn eine Zigeunerdame mir an einem Kirchenportal einen Becher hinhält und rumlamentiert, dann werf ich auch immer wieder mal was hinein. Zumindest tat ich es bis heute. Denn: Bisher durfte ich in keinem der Fälle das nette Wörtchen "Grazie" vernehmen. Im Gegenteil. Die Ladies schauen nicht mal in den Becher, um zu sehen, was ich abgedrückt habe. Die fangen alle durch die Bank sofort an, mich anzu-"Padren" und mir wüste Geschichten von halbtoten Kindern zu erzählen und um Mindestbeträge von 10 Euro zu feilschen. Ohne Scherz, das machen die wirklich. Aber nur so ist es wahrscheinlich zu erklären, daß ich heute mittag auf dem Weg ins Angelicum vom Bus aus eine mir wohlbekannte Lady aus dem besagten Kreise dabei beobachten durfte, wie sie sich hinter das Steuer eines niegelnagelneuen VW Golf klemmte und davonbrauste.
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Jetzt haben wir also Sommerzeit. Das bedeutet, daß es draußen noch hell ist, wenn ich um 19:00 Uhr aus dem Angelicum komme. Das macht die ganze "Nachmittags studieren müssen"-Geschichte sehr viel erträglicher.
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Geständnis: Ich bin jetzt schon seit einem halben Jahr in Rom und ich habe noch kein einziges Mal italienisches Eis gegessen. Das beste Gelato - da ist sich die Fachweilt einig - gibt's bei Giolitti. Acht Milliarden Sorten, eine leckerer als die andere. Problem: Der Laden platzt vierundzwanzig Stundem am Tag, sieben Tage die Woche aus allen Nähten. Wirklich: Die Kunden stapeln und schichten sich vor, neben, über und in den Vitrinen, daß man nicht mal mehr eine Rosenkranzperle in den Laden hineinbekommt, geschweige denn einen Klosterneuburger Junior. Naja, und ich möchte halt unbedingt mein erstes Gelato in Rom bei Giolitti zu mir nehmen. Wahrscheinlich werde ich aber spätetens nach Ostern schwach und falle über die nächtbeste Eisdiele her. Mal schau'n.
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Ansonsten bin ich schon ziemlich im Urlaubs-Modus. Ich freue mich auf's Stift und auf die Mitbrüder. Bereitet Euch schon mal sanft auf eine "Rom, Römer, am Römsten"-Pause vor, die so circa vom 8. bis zum 24. April dauern wird.

Alles Liebe,
Alipius

Saturday, April 01, 2006

Frascati? Lecker!

Hallo Ihr Lieben!

Clemens ist seit Dienstag in Rom und sorgt im Kolleg für Stimmung. Er, Joseph und meine Wenigkeit haben heute einen Tagestrip nach Frascati gemacht. Logo, da fällt einem natürlich sofort einer der bekanntesten italienischen Weißweine ein. Zurecht, denn der Tropfen ist in der Tat nicht übel und zudem ausgesprochen traditionsreich, wurden doch in römischen Weinschenken schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts größtenteils Weine aus dem Anbaugebiet Frascati angeboten.

Heute geht es aber nur um das Städtchen und um einen seiner Bewohner. Frascati ist ein in den Hügeln gelegener Flecken östlich von Rom. Es ist eines der sogenannten suburbikanen Bistümer, einer Reihe von Bischofssitzen im Latium, allesamt in der Nähe der Stadt Rom und somit des Papstes gelegen. Die Bischöfe dieser Städte waren immer eng in die Leitung der Kirche miteinbezogen. Wenn ich recht informiert bin, so setzte sich die bis 1958 übliche Zahl von 70 Kardinälen zusammen aus 14 Kardinaldiakonen, 50 Kardinalpriestern und sechs Kardinalbischöfen. Diese Kardinalbischöfe waren eben die Bischöfe der sechs suburbikanen (urbs = lateinisch für Stadt oder auch Rom) Bistümer: Albano, Frascati, Ostia und Velletri, Palestrina, Porto und Santa-Rufina, Sabina.

Frascati ist recht reizend. Es bläst einen nicht mit unvergleichlichen Kunsstschätzen weg, aber es hat einen gewissen Charme und unglaublich liebenswerte Einwohner, die einem wißbegierig am Sarockel hängen und erst wieder loslassen, wenn man ganz genau erklärt hat, warum man mit so einer abgefahrenen, superlangen, weißen Krawatte herumrennt, was genau die Augustiner-Chorherern sind und wo zum Henker Klosterneuburg liegt. Das Mittagessen war ein wenig durchschnittlich, vor allem, weil ich wegen meines diesjährigen "Kein Alkohol während der Fastenzeit"-Plans nicht von dem Wein kosten konnte.

Frascati hat aufgrund seiner Funktion als Bischofsstadt nicht nur eine hübsche Kathedrale (die leider während der Stunden, die wir in der Stadt waren, geschlossen hatte), sondern auch eine Reihe von schicken Renaissance-Villen, die ringsherum auf den Hügeln liegen. Besonders hervorzuheben ist unter diesen sicherlich die Villa Aldobrandini, die Ihr hier in etwas marodem Zustand abgebildet seht. Die Villa wurde ab 1603 von Kardinal Pietro Aldobrandini erbaut. Dieser war ein Neffe von Papst Klemens VIII und somit eine dieser historischen Gestalten, die dem Begriff "Nepotismus" den Namen gaben, oder wenigstens dafür sorgten, daß er in aller Munde blieb.

Berühmtester Bewohner dieser Villa nach Kardinal Aldobrandini war wahrscheinlich Henry Benedict Stewart, Kardinal und Duke of York (1725-1807), in Jakobiten-Kreisen auch bekannt als Henry IX, König von Großbritannien, Schottland, Frankreich und Irland (Bild links). "Hä? Wie kann denn ein Kardinal gleichzeitig König sein?" werden sich jetzt einige Leute fragen. Nun ja, er war nie wirklich König, er war nur ein im Exil lebender Prätendent der Stuart-Linie, dessen Stunde vielleicht irgendwann einmal hätte schlagen können. Da dieses "irgendwann einmal" allerdings ausgesprochen vage war, und da die Stuart-Restaurations-Träume des Jahres 1745 sich in Luft auflösten, beschloß er, eine kirchliche Laufbahn einzuschlagen, ging nach Rom und begnügte sich mit dem Kardinalstitel, den er bereits 1747, im Alter von 22 Jahren verliehen bekam. Er nahm dann im darauffolgenden Jahr die Weihen entgegen, wurde Erzpriester der Vatikanischen Basilika und im Jahre 1761 Kardinal-Bischof von Frascati. Quellen zufolge war Henry Benedict sehr fromm und ernsthaft, trat als eifriger Verwalter in seinem Bistum auf, brachte einige Reformen des Klerus zustande und gründete ein Seminar, welches er mit einer großartigen Bibliothek ausstattete. Er lebte größtenteils in seinem Bistum, wo er sich eben die Villa Aldobrandini zugelegt und standesgemäß ausgestattet hatte. Naja, es passierte dann das Übliche: Die Revolutionäre beraubte den Kardinal zuerst aller französischen Besitzungen. 1798 wurde Rom von den Franzosen eingenommen. Der Papst wurde nach Frankreich verfrachtet, die Kardinäle entweder eingesperrt, gefügig gemacht oder in alle Winde verjagt. Etwas vorlaut und vorschnell jauchtze der "aufgeklärte" Teil Europas damals über den "endgültigen Untergang des Papsttums". Kardinal Stuart mußte 1799 unter Mithilfe ausländischer Mächte vor den Franzosen nach Venedig fliehen. Seine Villa wurde selbstsverständlich restlos ausgeräumt. Jedoch konnte er 1800 wieder nach Frascati zurückkehren, wo er 1807 verstarb.

Warum erzähle ich das alles? Henry Benedict Stuart war einer der Wohltäter des Schotten-Kollegs. Im Hause hängen zwei seiner Portrsaits und - viel wichtiger - an einer Wand in der Krypta ist sein Original-Grabstein angebracht. Ihr seht ihn links abgebildet. Es ist für mich ein ziemlich eigenartiges Gefühl, hier in Rom immer und immer wieder mit Geschichte und Geschichten in Berührung zu kommen. Aus naheliegenden Gründen interessiere ich mich besonders für die Geschichte der Kirche und für die Schicksale einzelner Personen, die im Laufe der Jahrhunderte in ihr wirkten. Und da ist Rom schon ein recht ergiebiges Plätzchen. Wenn ich hier und heute erkenne, plötzlich - sei es auch auf noch so bescheidene und unbedeutende Art - ein Teil dieser Geschichte geworden zu sein, dann verstehe ich sofort, was die Kirche mit "Tradition" meint: Es ist nicht das sture und starre Festhalten an Dingen, denen die Zeit und die Welt schon längst davongelaufen sind. Es ist vielmehr der nie versiegende Schatz an Erfahrungen, Fehlern, Triumphen, Lehren und Einsichten, der von Generation weitergereicht und vermehrt wird, und einen befähigt, Zeit und Welt in gebührender Relation zu ihrem Schöpfer zu sehen.

Alles Liebe,
Alipius