Ich bin ein Schönheits-Junkie. Ich habe bis jetzt noch keine Definition von Schönheit gefunden, die all das umfaßt, was mich durchschüttelt, wenn ich mich mit der Schönheit konfrontiert sehe. Und ich habe auch noch nicht den Versuch unternommen, Schönheit für mich selbst griffig zu definieren.
Natürlich ist die Philosophie Schönheits-mäßig schon geraume Zeit unterwegs. Natürlich hat sich von - sagen wir mal - Plato, wo Schönheit ja nicht nur Schönheit war, sondern auch das moralisch Gute einschloß und als Transportmittel zur Wahrheit der übergeordneten Ideen gedacht war, über Aristoteles, wo Schönheit neben dem Wahren, dem Guten und dem Einen Gegenstand einer eigenen Lehre wurde, bis heute, wo Schönheit privat extrem subjektiv behandelt, gleichtzeitig aber in der Öffentlichkeit streng genormt kommuniziert wird (wobei es Schönheitsideale ja immer gab, diese sich aber auch immer änderten und ändern), einiges geändert. Der Gegensatz zwischen subjektiven Empfinden und objektiver Analyse scheint ja ohnehin eines der gewaltigsten Problemfelder beim Thema Schönheit zu sein.
Und wo fängt man beim Thema Schönheit überhaupt an? Lohnt sich die Diskussion, ob Schönheit überhaupt existiert? Meiner Meinung nach nicht. Das ist wie das freiwillige Nachdenken darüber, ob der Mensch einen freien Willen hat. Ich will nicht behaupten, daß jeder Mensch schon einmal sich so von Schönheit gepackt sah, daß ihm oder ihr die Tränen kamen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß jeder Mensch wenigstens eine grobe Intuition dafür besitzt, was für ihn persönlich schön ist.
Kann man Schönheit messen? Lassen sich Regeln oder Formeln für die Schönheit aufstellen? Ich bin mir nicht sicher. Es gibt ja z.B. den berühmten goldenen Schnitt. Doch scheint dieser weder alleine für Schönheit verantwortlich zu sein, noch Schönheit zu garantieren.
Was macht Schönheit mit mir, wenn sie mir erfolgreich auflauerte und ich nun starr bewundernd vor ihr verweile? Spielt das Resultat automatisch ins Erotische oder Sexuelle? Wird ein "Haben!"-Reflex ausgelöst? Überwiegt die Freude des Augenblicks, oder mischt sich schnell Trauer über den zu erwartenden Verfall ein, wie weit entfernt dieser zeitlich auch immer liegen mag?
Fragen über Fragen, und ich bin über ein stetiges In-mich-Hineinblicken noch nicht hinaus. Ganz ehrlich: Für mich ist Schönheit ein ziemlich reiner Genuß. Und auf eine seltsame Art ist Schönheit für mich auch etwas, was in der Natur der sich mir präsentierenden schönen Sache existiert, weniger in mir. Und, Knüller: Ich fand im Laufe der Jahre heraus, daß Schönheit für mich dort am überzeugendsten ist, wo sie sich nicht "wehren" kann. Ein schöner Mensch, laß es eine Audrey Hepburn oder einen George Clooney sein, wird irgendwann ihr/sein möglichstes tun, nicht schön zu sein (ohne dies zu beabsichtigen, versteht sich). Sprich: Die Traumfrau oder der Traummann wachen nicht nur irgendwann einmal mit Mundstuhl und zerknitterter Visage neben Euch auf, sie entlarven natürlich mit der Zeit Charakterzüge, die ein wenig von der Schönheit fortnehmen. Die Stadt Bamberg, das Schloß Pommersfelden oder die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen müssen schon von Naturkatastrophen oder marodierenden Horden heimgesucht werden (was Gott verhüte), bevor ihre Schönheit abnimmt, aber sie werden sich nicht selbst plötzlich als un-schön präsentieren.
Jetzt ist es auch so, daß ich nicht selten dort Schönheit sehe, wo manch Anderer unnützes Extra erblickt. Klar, da steht meine Vorliebe für das Barocke natürlich erst einmal an erster Stelle. Diese führt dazu, daß ich manchmal ganz schrecklich unmoralisch werde. Also zum Beispiel Schloß Pommersfelden: Daß das Gebäude selbst mich umhaut, dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. Aber es geht noch weiter: Bei diesem Bau, sowie bei vielen anderen schönen Barockschlössern, die ich besuchte, kommt es vor, daß ich plötzlich eine ganz konkrete Vorstellung von dem Leben bekomme, was einst dort herrschte. Und das finde ich dann auch ganz gewaltig schön. Nicht auf so'ne doofe Neidart: 'Määäänsch! So hättste auch gerne gelebt!' Nein, ich empfinde einfach dieses 'Das ist schön!' und wenn überhaupt ein Gefühl sich dem anschließt, dann eine stille Freude für die, die so lebten. Sowas darf man natürlich heutzutage streng genommen nur noch ganz leise sagen, weil jedermann und seine Mama dir gleich mit dem Blut und dem Schweiß der Bauern kommen. Aber das ist für mich einfach eine andere Kategorie. Erstens empfand ich nämlich, als ich einmal in einem "Mittelalterdorf" eine karge Durchschnitts- bis Low-Level-Bauernhütte betrat, ebenfalls dieses 'Das ist schön!', als ich zu spüren glaubte, wie die so ziemlich am Existenzminimum herumkrebsende Familie sich zusammenfindet und am spärlichen offenen Feuer Augenblicke der Normalität erlebt (Dies übrigens auch nicht auf eine komische Schuld-Art nach dem Motto 'Hach, die waren mit dem Geringsten schon glücklich und ich verfressener Wohlstandssack...'). Zweitens bedeutet Freude für die Barockschloßbewohner ja nicht automatisch Kaltherzigkeit gegenüber den damals weniger Glücklichen.
Und irgendwie zieht sich dieses Gefühl in verschiedenen Varianten durch all meine Schönheits-Erlebnisse. Wenn ich ein besonders ausgeschmücktes Pontifikalamt sehe (und sei es nur auf Photos), dann finde ich dies nicht nur schön, dann freut mich das auch für alle, die dort anwesend sind oder waren (trotz der Menschen, die das Geld, was für Mitra, Hirtenstab, Brustkreuz, Bischofsring, Barockkasel und Cappa Magna ausgegeben wurde, besser gebrauchen könnten). Wenn ich - was bisher eigentlich nur eine handvoll Mal vorkan - in einem wirklich erstklassigen Restaurant bei Kerzenschein und zu Pianoklängen unter geziemend gekleideten Menschen in einer Atmosphäre, die ich nicht anders als schön bezeichnen kann, ein Hammer-Menü zu mir nehme, dann finde ich dies eben nicht nur schön, sondern dann freut es mich auch für alle Anwesenden (trotz der Obdachlosen, die 100 Meter weiter in der Kälte kauern). Also ich sag das jetzt nur erklärend, nicht wertend...
Naja, das war jetzt nur ein Milligramm von all dem, was sich so abspielt, wenn ich mich mit Schönheit auseinanderzusetzen habe. Und es war auch eher so ein "Für mich selbst Reflektieren", welches ich jetzt aber trotzdem poste, weil es ja vielleicht Leute gibt, die ein paar Empfindungen und Gedanken teilen wollen oder so...
3 days ago
4 comments:
Ich habe mich eben ein bisschen durch deine Bamberg-Einträge gewuchtet und bin mal wieder bei der Heiligen Kunigunde hängengeblieben. Die ist schön! So mütterlich weich, liebreizend lächelnd und doch sehr selbstbewusst, aber demütig und ja... schön!
Zu Schönheit gehört unbedingt auch ein gutes Stück Seele - so wäre z.B. die Madonna della Scala (trotz ihrer großen Füße wundervoll anzusehen!) nicht halb so schön, wenn sie nicht auch rührend mütterlich wäre; Berninis Teresa wäre weniger herrlich, wenn sie da nur so einfach läge und nicht völlig außer sich wäre. Schönheit - nicht belangloses Hübschsein - ist eben auch spirituell.
Schönheit ist unglaublich vielfältig; es gibt unzweifelhaft Schönes in ganz verschiedenen Stilrichtungen, und kaum einer hat zu allem Schönen gleichermaßen Zugang. (So berührt mich die Schönheit einer romanischen oder gotischen Kirche mehr als die einer barocken - und trotzdem können wir uns ohne allzugroße Schwierigkeiten über dies Thema unterhalten.)
Vollends geheimnisvoll wird es für mich, wenn ein unzweifelhaft schönes Kunstwerk Schreckliches darstellt, wie Breughels Höllenbilder oder der Isenheimer Altar.
Alipius, danke!!! Ich hätte es schöner nicht ausdrücken können...
@Alipius
Weils auch schön ist, hier:
http://www.eo-bamberg.de/eob/dcms/sites/bistum/glauben/gottesdienstzeiten/gottesdienste/ritus.html
für deinen nächsten Bamberg-Aufenthalt.
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