Tuesday, May 19, 2009

Mützchen

Aus der SWF Nachtcafe-Sendung von 15. Mai "Mehr Schein als Heiligkeit - Wie glaubwürdig ist die Kirche?"
    Axel Hochrein (Schwulen- und Lesbenverband) zu Weihbischof Franz-Josef Overbeck: "Wir haben jetzt einen Papst, der an Weihnachten wieder über die Beseitigung der Armut in der Welt gesprochen hat. Und wenn man genau hinschaut, dann sieht man, der hat ein hermelinumbrähmtes Mützchen, ein hermelingefüttertes Ding an. Ja das ist doch ein Widerspruch in sich."
Dies ist mit Abstand mein allerliebstes Nicht-Argument, wenn man versuchen will, der Kirche Unglaubwürdigkeit unterzuschieben.

Spielen wir's mal in der Phantasie durch:

Overbeck (oder ein beliebiger anderer katholischer Bischof): "Der Papst mag ein solches Mützchen tragen, aber der Wert ist, gemessen an dem, was die Kirche an finanziellem Aufwand für die Bekämpfung des Hungers aufbietet, gering. Wenn mir die Frage gestattet ist: Wieso sitzen sie hier im Fernsehstudio und ergehen sich in moralischer Entflammung, wenn sie doch in Franziskanerkutte draußen bei den Armen ihrem offensichtlichen Ideal viel näher kämen?"

Hochrein (oder ein beliebiger anderer Schwulen- und Lesbenvertreter): "Hey! Momentchen Mal! Ich spende Geld für die Armen. Und auch für die Kranken! Nur, weil ich hier sitze und anständige Klamotten trage, heißt das doch noch lange nicht, daß ich nichts für Andere tu!"

Overbeck: "Aber beim Papst heißt ein hermelinverbrämtes Käppchen schon irgendwie, daß er nichts für Andere tut?!"

Hochrein: "Mann, das ist doch nicht nur das Käppchen! Der trägt doch grundsätzlich teure Fummel! Dazu Riesen-Petersdom, Riesen-Vatikan-Palast, Klunker und was weiß ich noch alles."

Overbeck: "Nun, der Papst hat die Empfehlung der Armutsbekämpfung ja sicherlich nicht nur an sich selbst und an seine Kurie addressiert, sondern an alle Menschen guten Willens, von denen sie ja - zumindest was die Armutsbekämpfung betrifft - einer zu sein scheinen. Wenn man das bedenkt, kann man sicher sein, daß für die Bekämpfung der Armut ein ganz anständige Sümmchen zusammenkommt, Petersdom hin, Vatikanpalast her."

Hochrein: "Ja, klar, ich werde zum Spenden aufgerufen, damit die im Vatikan sich ihr Leben in Saus und Braus leisten können!"

Overbeck: "Nein. Erstens erwähnte ich bereits, daß die Kirche nicht unwesentliche Summen spendet. Zweitens werden Papst und Kurie - unabhängig von ihrer Definition von "Saus und Braus" - ihr Leben auch ohne ihre Spende wie gewohnt führen. Ein hungerndes Kind würde sich aber darüber freuen."

Hochrein: "Wenn sie Freude bei hungernden Kindern wollen, dann sollen sie halt den Vatikan verkaufen. All das Gold- und Silberzeugs. All die Juwelen. Die Seidenklammotten. Sollen in kleine Appartments ziehen. Und das Geld, was dann zusammenkommt, sollen sie spenden."

Overbeck: "Nun, Papst, Bischöfe und Prieseter sind auch Symbolfiguren. Sie müssen sich das ähnlich vorstellen wie bei einer Gay-Pride-Parade. Da kann man auch nicht einfach als Mitgestaltender in Jeans uns T-Shirt zu Fuß zwischen den Zuschauern herlaufen. Da müssen prunkige Wagen her, dröhnende Musik, aufwendige Kostüme, Gast-Stars, Modeschmuck, Bands, Räumlichkeiten, Essen und Trinken, Dekorationen und so weiter. Sonst stellt sich die richtige Chemie und Identifikation mit der Sache nicht auf der Ebene ein, die sie für ihr Unterfangen als wünschenswert betrachten. Und ihre Bewegung ist ja schon dazu bereit, jährlich in immer mehr Großstädten ganz schöne Summen für diese Spektakel auszugeben."

Hochrein: "Okay, fein! Ich werde persönlich dafür sorgen, daß im nächsten Jahr keine Gay-Pride-Paraden stattfinden. Ich werde eine Organisation gründen, die das so zusammengesparte Geld sammelt und an die Armen der Welt spendet. Und dann will ich aber vom Vatikan was sehen! Die sollen dann mal schön den Laden verscherbeln und es uns gleichtun!"

Overbeck: "Wissen Sie, es macht schon einen Unterschied, ob man ein eben erst gesetztes Pflänzchen mit einem Ruck entwurzelt und im nächsten Jahr einfach ein Neues in die Erde setzt, oder ob man einen seit zwei Jahrtausenden gewachsenen Riesenmammutbaum umhaut. Der läßt sich nicht so schnell wieder erschaffen. Fänden sie es nicht ehrlicher, einfach anzuerkennen, daß gute Dinge innerhalb und auperhalb der Kirche getan werden können und getan werden?"

Hochrein: "Aber wozu dann die Kirche? Wenn man auch außerhalb Gutes tut? Dann kann der Laden doch weg?"

Overbeck: "Vielleicht nach Meinung derjenigen, die den Katholischen Glauben nicht teilen und die Kirche auf eine diesseitige Funktion rezuzieren wollen. In Wirklichkeit brauchen wir aber die Kirche, um die Menschen zum Heil zu führen."

Hochrein: "Pfff! Das haben sie gesagt."

Overbeck: "Nein, das hat Christus gesagt."

usw... usf...


Die Antwort von Weihbischof Overbeck auf den eingangs zitierten Vorwurf will ich Euch dann auch nicht vorenthalten: "Um auf Ihrem Niveau zu bleiben, müßte ich sagen, warum sitzen Sie hier nicht mindestens in einer Franziskanerkutte?"

8 comments:

Olifant said...

Danke für das köstliche Interview!

Tiberius said...

"In Wirklichkeit brauchen wir aber die Kirche, um die Menschen zum Heil zu führen."

Ja, und dreimal ja. Nicht notwendig zu erwähnen, daß das Heil der Seele an höchster Stelle steht. Oder vielleicht doch? Immerhin vermittelt die Amtskirche in Deutschland oft den Eindruck, sie sei nur der verlängerte Arm des Wohlfahrtsstaates.

Yon said...

Ein Hoch auf die Franziskaner!
Hab letztes Wochenende wieder nur die allerbesten Erfahrungen gemacht. :)

Und ein kräftiges Amen zum Rest.

Anonymous said...

Schönes Interview, in der Tat. Mir fehlt noch...

Overbeck: Nun, mal vorausgesetzt, wir bieten die Sixtinische Kapelle zum Verkauf an. Was meinen Sie, wer die angemessen bezahlen - und natürlich erhalten - kann? Und wird der Käufer wohl alle Welt für ein bezahlbares Eintrittsgeld Michelangelo gucken lassen? Sind Sie wirklich für die Privatisierung von unzähligen Baudenkmälern?

Elsa said...

Ich bin aus dem Alter heraus, wo ich zu Technobeats abhottende Typen oder Typinnen in mangelhafter Bekleidung sehen möchte. Falls ich je in dem Alter war.
In der Tat finde ich den Anblick eines weißhaarigen Alten mit hermelingefüttertem Mützchen irgendwie wohltuender. Man kann gleichzeitig Gutes tun und dabei auch noch einen bezaubernden Anblick geben, das geht, doch doch.

Der Herr Alipius said...

Ja, geht mir genau so...

Elsa said...

Hatte ich auch keine Sekunde bezweifelt*gg
Und bevor sie den Vatikan an us-amerikanische oder chinesische Investoren verscherbeln, kette ich mich an die Säulen im Petersdom, um das in guter alter Autonomenmanier zu verhindern. Die von Assheuer beschworenen in Ketten gehaltenen Gläubigen mal in einer anderen Version, sozusagen ...

dilettantus in interrete said...

S. Elsa in vinculis!