In der Blogoezese ist seit gestern ganz schön was los. Der Schriftsteller Navid Kermani hat nämlich in der NZZ einen Text veröffentlicht, im welchem er sich mit dem Kruzifix problematisch oder assertorisch oder apodiktisch (je nach Lesart) auseinandersetzt, dies für Christenohren nicht immer unruppig und einem Tonfall, der hin und wieder schon ein wenig Skandalpotential besitzt. Und zum Skandal ist es dann auch fix gekommen: Karl Kardinal Lehmann und Peter Steinacker sollten gemeinsam mit Kermani (dazu noch Salomon Korn) den Hessischen Kulturpreis verliehen bekommen. Doch die beiden Christen legten ein Veto gegen ihn ein: Er habe das christliche Kreuz angegriffen.
Scipio, Elsa (gleich dreimal) und Johannes haben bereits darauf hingedeutet, daß der Wind hier nicht nur aus der "Ein Moslem blockiert den Dialog"-Ecke weht. Zu diesem Thema gibt's daher von meiner Seite nix.
Warum gibt der Herr Alipius trotzdem jetzt auch noch seinen Senf dazu? Ich will mir das halt auch mal anschauen und mich dabei an den Text halten, den ich Euch mal im Original und mit hauchzarter Hervorhebung (fett) und Kommentierung (rot) wiedergebe:
Bildansichten: Warum hast du uns verlassen?
Guido Renis «Kreuzigung»
Von Navid Kermani
Aus Versehen stieg ich genau vor der Kirche San Lorenzo in Lucina aus dem Bus, der mir zum ersten Mal in Rom nicht vor der Nase abgefahren war, so glücklich hatte der Tag bereits begonnen. Wie ich mich auf der Karte orientierte, empfahl mir der Kunstreiseführer einen Blick auf die «Kreuzigung» von Guido Reni, die eines seiner Meisterwerke sei. Ich konnte mich an kein anderes Meisterwerk Renis erinnern, assoziierte nur Andachtskarten, Amen, Antipode Caravaggios, aber dankbarer sollte ich dem Kunstreiseführer selten sein.
Als Nachdruck hat das Gemälde immer noch etwas von einem Andachtsbild, wie es die Zigeuner vor den Kirchen für fünfzig Cent verkaufen, als gewaltige Leinwand auf dem Hochaltar der Barockkirche, wo es schwarz-goldene Säulen, ein Plüschvorhang, dicke Engel [Yay! ;-)] und elektrische Kerzen umrahmen, ist Renis «Kreuzigung» ein Aufruhr, gerade indem es der Verklärung des Schmerzes widerspricht. Gewiss stösst mir die Lust, die katholische Darstellungen seit der Renaissance an Jesu Leiden haben, auch deshalb so auf, weil ich es von der Schia kenne und nicht kenne. Ich kenne es, weil das Martyrium dort genauso [Kermani scheint sich im Folgenden also weniger exklusiv gegen ein christliches Symbol auszusprechen, als gegen eine Grundstimmung, die er persönlich für ungesund hält, und die ihm im Schiitischen Islam auch gegen den Strich geht] exzessiv bis hin zum Pornografischen [Im ganzen Text spielt natürlich das subjektive Empfinden Kermanis eine große Rolle. Wenn er hier vom "Pronographischen" redet, ist es eben das, was ihm an den Leidensdarstellungen besonders hervorhebenswert scheint. Da kann man stöhnen (no pun), muß es aber wirklich nicht. Es sei denn, man fühlt sein eigenes Empfinden der Anteilnahme, des stillen Wunderns und auch der Liebe zum großartigen Opfer brutal überrollt. Dann steht allerdings Empfinden gegen Empfinden, und auch wenn der Christ beim Anblick des Kruzifixes seine Sinne und seinen Verstand auf das Wahrhaftigere richtet, darf er deswegen Kermani seinen Grusel nicht absprechen] zelebriert wird, und ich kenne es nicht, weil genau dieser Aspekt der Schia in Grossvaters Glauben, der mehr als jeder andere Bezugspunkt meine eigene religiöse Erziehung bestimmt hat, wie ich bei der Lektüre seiner Memoiren feststelle, keine Rolle spielte, ja als Volks- und Aberglauben abgelehnt wurde, der die Menschen davon abbringe, die Welt zu verbessern, statt nur ihren Zustand zu beklagen [Das kaufe ich natürlich nur bedingt. Ich kann mich weder in Kermani noch in seinen Großvater versetzen, aber wenn ich mir erlauben darf, von mir selbst zu reden: Mich verleitet das Kruzifix (egal wie blutig oder brutal) keineswegs zu Klageliedern über den Zustand der Welt. Im Gegenteil: Als Katholik weiß ich ja, wie die Geschichte weitergeht. Folglich habe ich nicht nur Grund zum Jubel, sondern auch einen gewissen Antrieb, die Welt mit meinen bescheidenen Möglichkeiten in der Tat ein wenig freundlicher zu gestalten].
Kreuzen gegenüber bin ich prinzipiell negativ eingestellt. Nicht, dass ich die Menschen, die zum Kreuz beten, weniger respektiere als andere betende Menschen. Es ist kein Vorwurf. Es ist eine Absage. Gerade weil ich ernst nehme, was es darstellt, lehne ich das Kreuz rundherum ab. Nebenbei finde ich die Hypostasierung des Schmerzes barbarisch, körperfeindlich, ein Undank gegenüber der Schöpfung, über die wir uns freuen, die wir geniessen sollen, auf dass wir den Schöpfer erkennen. [Dies ist die eine Stelle, mit der ich ernsthafte Probleme habe. Hier wird gesagt, die Christen vergegenständlichten den Schmerz Christi, und dann bricht der Text ab. Es geht jedoch weit über das Vergegenständlichen des Schmerzes hinaus. Eine Kruzifixdarstellung ist für mich in ihrer Substanz eine Darstellung des Ausmaßes der Liebe Gottes zu den Menschen ("Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er sienen eigenen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern das ewige Leben habe" Joh 3,16). Das Hingeben des Sohnes geschah unter entsetzlichen Schmerzen, welche ER zu erdulden hatte. Doch diese Schmerzen sind nicht das, worum es geht. Wenn ein Kruzifix mich substanziell an die Liebe Gottes erinnert, so ist der in der Darstellung mitgelieferte Schmerz eher akzidentieller Natur. Das soll nicht heißen, daß er mich kalt läßt. Im Gegenteil. Aber der Schmerz ist letztlich nicht das, worum es geht. Ich will es mal mit einem Apfel vergleichen: Der gute Geschmack ist hilfreich und schön, aber letzten Endes geht es um Vitamine und Lebenserhaltung. Ebenso der Schmerz Christi: Er ist niederschmetternd, grausam, furchtbar. Aber letztlich überwiegt oder siegt der Schmerz nicht. Letztlich erinnert uns das Kruzifix an Gottes Liebe zu seinen Geschöpfen und an das Ewige Leben, welches auf jene wartet, die an IHN glauben]. Ich kann im Herzen verstehen, warum Judentum und Islam die Kreuzigung ablehnen. Sie tun es ja höflich, viel zu höflich, wie mir manchmal erscheint, wenn ich Christen die Trinität erklären höre und die Wiederauferstehung und dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei. Der Koran sagt, dass ein anderer gekreuzigt worden sei. Jesus sei entkommen. Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie [Die offizielle Lesart ist, glaube ich, daß Lehmann und Steinacker hier ausgeflippt sind]. Meine Tochter früher in der Kirche zu wissen, wo sie als Grundschülerin gelegentlich die Fürbitte las, weil sie so gut lesen konnte und so eitel war, auf jeder Bühne stehen zu wollen, selbst wenn sie dafür eine Stunde früher aufstehen musste, meine Tochter unterm Kreuz zu wissen, war unangenehm. Natürlich sagte ich nichts, schliesslich ist man liberal. Eingegriffen habe ich nur bei der Messe zur Einschulung, als die Kinder Hostien essen sollten, gleich welchen Glaubens. Da wünschte ich mir, die Kirche sei weniger liberal [Hüstel... Dies ist, wie auch die Anderen anmerken, ein Satz, der wahrscheinlich tiefer gesessen hat, als jedes Kreuz-Dissing].
Wenn solche Vorgänge für mich nur Kindereien wären, hätte sie sich auch bekreuzigen können. Für mich aber ist das Kreuz ein Symbol, das ich theologisch nicht akzeptieren kann, akzeptieren für mich, meine ich, [Wie gesagt: Subjektives Empfinden...] für die Erziehung meiner Kinder [... wenn auch mit Konsequenzen für Andere]. Andere mögen glauben, was immer sie wollen; ich weiss es ja nicht besser [Hmm... "Gotteslästerung und Idolatrie" ist somit eher als Serviervorschlag zu verstehen]. Ich jedoch, wenn ich in der Kirche bete, was ich tue, gebe acht, niemals zum Kreuz zu beten. Und nun sass ich vor dem Altarbild Guido Renis in der Kirche San Lorenzo in Lucina und fand den Anblick so berückend, so voller Segen, dass ich am liebsten nicht mehr aufgestanden wäre. Erstmals dachte ich: Ich – nicht nur: man –, ich könnte an ein Kreuz glauben [Man tut's auch, weltweit milliardenfach].
Reni verklärt nicht den Schmerz, den er nicht zeigt. Ihm gelingt, was andere Jesusdarstellungen behaupten: Er führt das Leiden aus dem Körperlichen ins Metaphysische über. Sein Jesus hat keine Wunden, keine Abzeichen der Striemen und Hiebe, ist schlank, aber nicht abgemagert. Selbst wo seine Hände und Füsse ans Kreuz genagelt sind, fliesst kein Blut. Wären die Nägel nicht, es sähe aus, als breite er die Hände zum Gebet aus. Er blickt in den Himmel, die Iris aus dem Weiss des Auges beinah verschwunden: Schau her, scheint er [Das "scheint" ist für den Rest des Textes maßgeblich (subjektive Empfindung)] zu rufen. Nicht nur: Schau auf mich, sondern: Schau auf die Erde, schau auf uns. Jesus leidet nicht, wie es die christliche Ideologie will, um Gott zu entlasten [Versteh' ich nicht und seh' ich nicht. Jesus litt, um die Menschen zu entlasten, nein, zu befreien], Jesus klagt an: Nicht, warum hast du mich, nein, warum hast du uns verlassen [Weit hergeholt, aber das "scheint" nicht vergessen].
Die Landschaft ist christianisiert, so dass nicht die Menschen geschieden sind in Tätervolk und Opfervolk wie im Neuen Testament, sondern Himmel und Erde, Gott und die Menschen. Der Totenkopf am Kreuz deutet darauf hin, dass hier schon andere gestorben sind; die zeitgenössisch gekleideten Spaziergänger in verdüsterter italienischer Landschaft geben zu verstehen, dass auch jetzt gestorben wird; die Häuser im Hintergrund mit der Kuppel, die der Petersdom sein könnte, weisen auf die Stadt, aus welcher der Gekreuzigte zu stammen scheint. Dieser Jesus ist nicht Sohn Gottes und nicht einmal sein Gesandter. Gerade weil sein Schmerz kein körperlicher ist, nicht Folge denkbar schlimmster, also ungewöhnlicher, unmenschlicher Folterungen, stirbt dieser Jesus stellvertretend für die Menschen, für alle Menschen, ist er jeder Tote, jederzeit, an jedem Ort. Sein Blick ist der letzte vor der Wiederauferstehung, auf die er nicht zu hoffen scheint [Das alles ist bedingt neu und nicht unrichtig: "Menschensohn", der Name, den Jesus auf sich selbst bezog, kann im Aramäischen sowohl einen bestimmten Menschen meinen ("Sohn des Propheten" ist "Prophet", "Sohn des Menschen" ist "Mensch", nicht als Gattungsbegriff, sondern als ein bestimmtes Individuum der Gattung Mensch) als auch "jemand" als auch "jeder Mensch". Es ist somit nicht falsch, Christus, den "Menschensohn" als "jeden Menschen" zu sehen, aber das Bild ist nur vollständig, wenn man ihn gleichzeitig als Sohn Gottes und auch als den Gottesknecht des Isaias sieht].
Soweit der Text. Ich finde ihn schon irgendwie heftig, aber auch interessant. Es ist natürlich eine sehr persönliche Geschichte und die "Attacken" auf das Kreuz sollte man daher wirklich nicht zu düster bewerten, zumal ja auch eine gewisse Hoffnung durchschimmert, die aber ebensosehr auf subjektivem Empfinden beruht, wie die Ablehnung: "Oh, das ist ein Kreuz, das mich anrührt. Vielliecht ist an der Geschichte ja doch was dran". Wenn Kermani tiefer in die Materie dringt, wer weiß... Aber das nächste splattrige Kreuz ist natürlich nicht fern...
3 days ago
13 comments:
Mit Genuss gelesen, lieber Freund!
Vielleicht sind wir ja liberaler, als wir selber glaubten :-)
Danke!
Naja, "liberal" ist ja ein etwas komisch vorbelasteter Begriff (ebenso wie "konservativ"). Ich würde weder Dich noch mich als "ganz und gar nicht liberal" bezeichnen.
Ich habe Kermanis Text jetzt zum dritten Mal gelesen. Ich habe zwischenzeitlich sogar alles gelesen, was von ihm online verfügbar ist. Der „aufgeklärte“ Muselmann denkt wie ein islamischer Fundi, er drückt sich allerdings gewählter aus. Ich habe, als sie im Netz noch verfügbar war, bei der sogenannten „Globalen Islamischen Medienfront“ (GIMF)*) mitgelesen und fühle mich beim Lesen von Kermanis Texten genau daran erinnert. Zum Teil dieselben Argumente gegen „das Kreuz und seine Diener“, allerdings mit blutigen und grausamen Videos und Bildern untermauert. Die Diktion dort war noch schärfer, der Wortschatz derselbe. Kermani ist gebildet, aber ob er „aufgeklärt“ im europäischen Sinne ist, wage ich doch sehr zu bezweifeln. Er sagt viel, aber er sagt nicht alles. Das Gefühl werde ich beim Lesen seiner Texte nie los.
Man sollte endlich die „aufgeklärte“ Toleranzduselei, mit der mancher dem Islam begegnet, beiseitelegen und diesen Herren mit einer gesunden Portion Misstrauen und Angriffslust begegnen. Ich halte nichts von einem „interreligiösen Dialog“ bei dem mein Glaube hemmungslos kritisiert wird, während sich die Gegenseite nach Regensburg wie eine Mimose generierte. Das ist keine harmlose Disputation, hier geht es um Menschenleben. Man werfe einen Blick auf die Lage der Christen in den moslemischen Ländern und suche nach ähnlich dezidierten Stellungnahmen Kermanis dazu. Islamismuskritik? Fehlanzeige. Ist es bloß Angst oder denkt er in Wahrheit viel radikaler? Ich nehme Letzteres an. Schon aus rein logischen Gründen.
Von christlichen Theologen erwarte ich einfach mehr Mut bei der Verteidigung meines Glaubens. Punkt. Meistens verhalten die sich jedoch wie ein Kaninchen vor der Schlange. Wenn man eine RE-Christianisierung Europas ernsthaft ins Auge fasst, dann wird man diesen Mut brauchen und auch um die Mission unter den europäischen Moslems nicht herumkommen.
Ein ganz besonders Schlauer hat im Elsas Kommentarbereich angemerkt, dass der Lehmann doch hätte lieber antworten sollen, statt wie ein Weib herumzuzicken. Hätte er können? Naivlinge. (Sorry) Bei gleicher Münze und selber Diktion wäre am nächsten Tag ein antichristlicher Hassorkan durch den hiesigen Blätterwald gefegt. Der bricht sich doch schon aus viel geringeren Anlässen Bahn. Das sei zu Ehrenrettung Lehmanns angemerkt.
Das Urteil einiger, deren Meinung ich schätze und achte, scheint mir in diesem speziellen Fall durch einen verstockten, wenn auch verständlichen, „Anti-Lehmann“ Reflex getrübt. Ein stockliberaler Priester meiner Kirche ist mir immer noch lieber als ein Moslem, für den ein „Kreuzdiener“ und „Götzenanbeter“ bin. Ich bin halt ein intoleranter Reaktionär.
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*) Eine deutschsprachige Seite, auf der übersetzte Texte zum islamischen Widerstand im Irak und Afghanistan zu lesen waren. Unterleget war das mit Bildern und Videos von Selbstmordanschlägen, Hinrichtungen und dergleichen Grausamkeiten mehr. Alles sehr religiös unterlegt und zum Lobpreis Allahs. Soviel zu Kermanis Kritik am Leiden Jesu.
Ich kann nicht beurteilen, wie Kermani denkt, aber seine Sprache - sichtbares und verständliches Produkt seiner Denkprozesse - klingt für mich persönlich doch schon bedeutend differenzierter als eine 0815-Fundi-Tirade.
Zum Beispiel hat er ja nicht nur am Leiden Jesu Kritik geübet, sondern auch am Zelebrieren des Martyriums bis him zum Pornographischen in der Schia. Da kann man jetzt einwenden, daß er in Wahrheit vielleicht viel radikaler denkt, aber das ist nur eine Möglichkeit, und diese Möglichkeit sollte nicht schwerer wiegen als die, daß Kermani versucht, sich einen Reim aufs Christentum zu machen, der eines Tages vielleicht nicht in vollkommener Ablehnung endet.
Klar sollen christliche Theologen, Priester und auch Laien ihren Glauben verteidigen. Aber sie sollten es eben so tun, daß noch ein Mittelweg zwischen aufgeklärter Toleranzduselei und pauschaler Islam-Verurteilung erkennbar und begehbar bleibt. Sonst wären die ganzen Reden und Gesten der Papstreise ins Heilige Land wertlos. Wer Frieden will, muß bereit sein, Frieden zu geben. Wer gehört werden will, muß hören und wer verstanden werden will, muß zumindest versuchen, mit gutem Willen zu verstehen.
Ich bin mir übrigens sicher, daß Lehmann, wenn er geantwortet statt gejammert hätte, niemals zur "gleichen Münze" gegriffen hätte. Das ist eben der Mittelweg: Man darf sich als Christ dem fundamentalistischen Islam nicht zu Füßen werfen, ebenso, wie man dem dialogbereiten Islam die Türe vor der Nase nicht zuknallen darf.
Ich zumindest habe sowohl innerhalb der Katholischen Kirche als auch im interreligiösen Dialog mittlerweile die Nase gesstrichen voll von verhärteten Fronten. Ich hab schon genug mit irgendwelchen ignoranten Schreiberlingen unserer "aufgeklärten" Presse zu tun. Da wär's mir ganz lieb, wenn sich in der realen Welt die Erwachsenen mal an einen Tisch setzen und abseits vom Medienrummel Tacheles reden. Ohne Erfolgsdruck, aber mit Respekt und gutem Willen.
Es ist mir schon klar, daß es immer verblendete Selbstmordattentäter geben wird. Aber ich denke, es wäre besser, wenn ihnen alle Menschen guten Willens in allen Religionen gemeinsam entgegentreten, als wenn man zusätzlich noch versucht, mit der einen Hand Schuld zu verteilen und sie mit der anderen Hand gleichzeitig abzulehnen.
Ich finde es eigentlich nicht besonders fair, wenn nicht gar unstatthaft, Kermani mit radikalen Islamisten in Verbindung zu bringen, nur weil du dich beim Lesen dabei "erinnert" fühlst.
Die Vorwürfe Kermanis an das Christentum - die ich nicht als Vorwürfe verstehe, sind doch nicht neu. Sie sind jahrhundertelang sogar innerchristlich Streitpunkte gewesen - es ist merkwürdig, dass du dich daran nicht "erinnerst". (Wahre Natur Jesu, Streit um die Ikonenverehrung mit der Ostkirche).
Das hier ist natürlich ein Schleifenzirkel ...
>>Bei gleicher Münze und selber Diktion wäre am nächsten Tag ein antichristlicher Hassorkan durch den hiesigen Blätterwald gefegt. Der bricht sich doch schon aus viel geringeren Anlässen Bahn. Das sei zu Ehrenrettung Lehmanns angemerkt.>>
Weil wir Angst also haben, dass sie jetzt wieder den Aufstand proben, ist es also angesagter, das Maul zu halten und dabei nur düster und frustriert zu beschwören, wie sich die Gegenseite bloß wieder aufregen würde, FALLS wir etwas sagen. Jetzt wird es langsam schizophren, finde ich.
Ich meine, es geht hier ja nicht um Mohammedfiguren sondern um die Anfrage an den islamischen Glauben. Da kommt es allerdings auch auf "Münze und Diktion" an. Das Ottonormalmuslim in Hintersonstwo nicht fähig ist, zu begreifen, was ein Zitat in einer Regensburger Rede genau bedeutet, ist zwar nicht entschuldbar, aber von Lehmann und Steinacker kann man noch verlangen, dass sie imstande sind, eine Meditation über das Kreuz als solche zu lesen. Vielleicht sehe ich das zu sehr aus schriftstellerischer Warte aus.
Ja, das Theologen den Glauben vehementer verteidigen sollten, sehe ich auch so.
Das hast du treffend erkannt.
Ich kann aber nicht sehen, wo Steinacker und Lehmann dies getan hätten und noch tun. Den Dialog für beendet zu erklären hat aus meiner Sicht überhaupt gar nichts mit Verteidigung des Glaubens zu tun.
Es mutet mich vielmehr, entschuldigung, klischee-islamisch an.
„Hätt ich gewusst,
Dass eine Zeile töten kann,
Wie eine Kugel die Brust …“
Der Versschnipsel beschreibt nicht nur Pasternaks dichterische Selbstzweifel, sondern auch ein Problem moderner Informationstheorie. Nicht die Absicht der Quelle entscheidet über die Rezeption der Nachricht, sondern allein die Erfahrung des Empfängers. Deine selbstbezügliche Sicherheit, liebe Elsa, hinsichtlich der Absichten eines Dir, wie mir unbekannten Menschen kann ich nicht teilen. Das hat mit Fairness nichts zu tun. Selbst wenn nur mir, und nur mir, die Texte Kermanis fundamentalistisch erscheinen, so hätte ich jedes Recht dazu, es genauso zu nennen. Wie Lehmann oder Steinacker auch. Sie nur deshalb zu verurteilen, weil sie Deine Interpretation seines Textes nicht teilen, könnte man genauso unfair nennen. Die Meinungsfreiheit ist nicht ohne Grund ein hohes und zugleich fragiles Gut. Sie ruht auf der Akzeptanz anderer Meinungen. Die Unterstellung, dass der Andere zur verstehenden Rezeption unfähig wären, ist eine Herabwürdigung, aber kein Argument.
Die kühle Abwägung realer Machtverhältnisse ist keine Funktion der Angst, sondern ein Gebot der Vernunft. Wer gegen den Strich der öffentlichen Meinung bürstet, mit dem wird nicht diskutiert. Mit dem wird kurzer Prozess gemacht. Der wird stigmatisiert und ausgegrenzt. Zum Paria stilisiert und in den sozialen Tod getrieben. Je bedeutender der Mann, desto härter die Reaktion. Im Zuge der „Bittlinger-Affäre“ ein katholischer Fundi genannt zu werden, mag in eurer Umwelt als lustige Auszeichnung gelten, in meiner Gesellschaft kann man die Christen an einer Hand abzählen.
Wenn Du, lieber Alipius, so sicher bist, dass Lehmann, wenn er geantwortet hätte, „niemals zur "gleichen Münze" gegriffen hätte“, dann darf ich daraus wohl schließen, dass Du Kermanis Text doch für eine „0815-Fundi-Tirade“ hältst, nur geschickter formuliert?
Gut, ich habe mich geirrt, Kermai ist kein islamischer Fundmentalist. Er ist etwas viel Schlimmeres. Er ist das Lieblingskind der linksliberalen Mainstreampresse, der Quotenmoslem des deutschen Feuilletons. Lehmann hat es geschafft eine Opposition gegen sich aufzubringen, die ganz Links beginnt und die tief hinein in die konservativen Kreise reicht. Eine recht merkwürdige Allianz, die nur noch von jener getoppt wird, die von fundamentalistischen Islamvereinen über die „Al Azhar“ Universität in Kairo, die deutsche Islamkonferenz, deren Teilnehmer Kermani ist, bis in die Berliner Parteizentralen reicht. Ein interessantes Thema, aber viel zu komplex, um es hier beackern zu können.
Interessant auch deshalb, weil Kermani eigentlich bloß die zweite Wahl im Reigen möglicher Kandidaten war. Fuat Sezgin, der Erstnominierte des Hessischen Kulturpreises, der wegen des Juden Korn absagte, gehört zu jener Spezies die im P.M.- Magazin, der Welt des Halbwissens, schon mal über die Überlegenheit islamischer Wissenschaft schwafeln dürfen. Sein Lebenswerk besteht aus einer pseudowissenschaftliche Brühe, aus der nicht nur Al Quida, nebst diverser fundamentalistischer Islamvereine, eifrig löffelt sondern die auch einigen hiesigen Islamverstehern sichtbar gut mundet. Dass die Farbe der deutschen Partei dieselbe ist, die das Banner des Propheten schmückt, ist sicher nur ein saublöder Zufall.
Auf das Thema indes werde ich zurückkommen. Nicht gleich, aber bald.
Kermanis Text ist eine Absage, kein Friedensangebot. Der Frieden, den die Kirche zu schließen gedenkt, ist ein einseitiger Entschluss und er bedeutet Selbstaufgabe, die Abdankung unseres Glaubens zugunsten eines anderen. Der Papst ist guter Hirte, nur hat er nicht diskutiert, er hat beschwichtigt. Die Juden und die Moslems. Das ist kein Dialog. Die christliche Theologie greift nicht mehr an, ja verteidigt nicht einmal mehr, sondern stellt selbst in Frage, indem sie am Sühneopfer Christi zweifelt und sich unentwegt dafür entschuldigt, dass sie das Kreuz, die Botschaft der Hoffnung, anderen Völkern gebracht hat. Wer das tut, der hat den Glauben daran verloren, dass die Verkündung der Frohen Botschaft auch in der Vergangenheit ein Segen war, auf dem kein Fluch lastet. Eine Bekehrung kann nur zum Heile führen und kein Unheil kann daraus entstehen. Ohne das Kreuz sähe die Welt heute hoffnungsloser aus. Dafür muss man sich nicht zu entschuldigen.
Das Wort, lieber Alipius, muss bewaffnet sein, wenn es einen gerechten Frieden sucht. Den einzigen Frieden, den ein Schwacher, Zaudernder, Winselnder je erhalten wird, ist jener, der auf dem Friedhof herrscht.
Wenn man sich schon mit einen Dawkin nicht einigen kann, woher schöpft man die Hoffnung, dass dies mit einem Islam möglich wäre, dessen ganze Theologie nicht nur antichristlich, sondern auch antiwestlich ist? Selbst in der Wahrnehmung des gemäßigten Islam ist der Westen mit dem Kreuz identisch. Sie haben sogar recht damit, denn das, was heute den Westen repräsentiert, hat sich aus Metamorphose des Christentums entpuppt. Die Araber hassen Israel nicht, weil es jüdisch ist oder die Palästinenser unterdrückt, sondern weil es der westlichen Lebensweise frönt und mit Amerika, den „Kreuzzüglern“, verbündet ist.
Ich bin kein Theologe, kenne mich in den Feinheiten der Lehre nicht sonderlich aus. Und doch. Das Kreuz war vor Jesus „ein Skandal“, „eine Fürchterlichkeit“. Ein Zeichen der Unterdrückung und Versklavung. Ein Zeichen, das den Geknechteten jede Hoffnung nehmen sollte. Nach Jesus ist es ein Symbol des Glaubens daran, dass wir die Schrecken, die Bedrückung, das Leiden und die Gebrechen des irdischen Daseins überwinden werden. Das Kreuz ist die Frohe Botschaft, weil es die Leiden und den Tod symbolisiert, die man im Glauben überwindet. Ohne das Leid, den Tod und das Opfer wird die erlösende Botschaft sinnlos und das Kreuz zum „Skandal. Das wissen die islamistischen Fundis genau. Und nur das würde auch ein Kermani akzeptieren. Ich glaube an keinen Dialog. Man kann verhandeln, ja, sofern man eine verhandelbare Masse hat.
Dies ist meine Meinung und ich will es vorerst dabei bewenden lassen. Ich will niemanden bedrängen oder in Bedrängnis bringen. Ich verstehe, akzeptiere und achte Eure Meinung, tut es mit meiner bitte auch.
Naja, ich hatte eigentlich nie vor, deine Meinung nicht zu respektieren und hoffe, nicht den entsprechenden Eindruck erweckt zu haben.
Nur zu diesem Abschnitt ein klärendes Wort:
"Wenn Du, lieber Alipius, so sicher bist, dass Lehmann, wenn er geantwortet hätte, „niemals zur "gleichen Münze" gegriffen hätte“, dann darf ich daraus wohl schließen, dass Du Kermanis Text doch für eine „0815-Fundi-Tirade“ hältst, nur geschickter formuliert?"
Eigentlich nicht. Ich sehe in Kermanis Artikel natürlich die Stellen, an welchen es den Christen so richtig weh tun soll. Ich sehe aber im selben Artikel auch Ansätze, die mir für eben die angesprochen 08/15-Tiraden zu differenziert klingen. Wenn ich "gleiche Münze" sage, meine ich damit eine hypothetische Rede Lehmanns, in welcher er Passagen beider Preisklasse eingebaut hätte: Die einen sollen den Moslems weh tun, die anderen sollen differenziert klingen. Man wäre gar nicht bis zu den differenziert klingenden gekommen, weil schon vorher in allen Ländern mit islamischer Mehrheit die Kirchen gebrannt hätten. Weil Lehmann dies sicherlich auch sieht, hätte er eben nicht mit "gleicher Münze" zurückgezahlt.
Wie Du sagst: Die Erfahrung des Empfängers entscheidet über die Rezeption der Nachricht. Der ungebildete, mobilisierbare Moslem, dem seit seiner Geburt eingeredet wird, er sei zu kurz gekommen und Schuld daran seien die Kreuzfahrer, der hat keinen anderen Erfahrungshorizont als den des Hasses auf den Westen. Ich, der ich zu meinem Bekanntenkreis einige wenige Moslems zähle, die alle dermaßen sakularisiert sind, daß ich auf Taufscheinkatholiken manchmal heimlich stolz bin, habe eben die Erfahrung, daß die Moslems in den Schlagezeilen meistens Terroristen sind, aber die, die ich persönlich kennenlerne, nicht einmal religiös, geschweige denn fundamentalistisch sind.
Und noch etwas: Der Schwache erhält außer der Friedhofsruhe noch einen weiteren Frieden, nämlich den, der ihm in den Seligpreisungen verheißen worden ist.
Und noch etwas: Der Schwache erhält außer der Friedhofsruhe noch einen weiteren Frieden, nämlich den, der ihm in den Seligpreisungen verheißen worden ist.Ja sicher. Aber nur solange, wie die Starken die Schwachen zum Glauben führen. Fällt die Kirche, fällt das Heil, dann öffnen sich die Pforten zur Hölle und es triumphiert der Antichrist. Ich hätte ungern, dass dies Schicksal mich auf meiner Wache trifft.
Ich will Dir nicht zu nahe treten. Sollte ich Dich an irgendeiner Stelle meiner Antwort verletzt haben, so bitte ich demütig um Vergebung. Das war nicht Absicht.
Noch eine „allerallerletzte“ Bemerkung. Nicht der ungebildete, analphabetische Moslem ist das Problem. Es sind, wie immer, die Schreibtischtäter. Diejenigen, die beim Freitagsgebet die schlichten Gemüter erhitzen und den Mob auf die Straße treiben. Kermani ist kein Hetzer, aber er schlägt intellektuelle Bresche für den moslemischen Pöbel, den man doch bitteschön verstehen müsse. Dabei ist es nicht Plebs, der gefährlich ist, sondern diejenigen, die ihn lenken. Kermani blendet das aus. Ich frag nochmal: Angst oder Absicht?
Nein, Du bist mir nicht zu nahe getreten und Du hast mich nicht verletzt, wirklich nicht. Keine Bange, ich kann schon Einiges ab ;-)
Und ich sehe, daß wir Beide ja im Prinzip das Gleiche wollen: Einen Katholischen Klerus, der den Schwanz nicht einzieht, sondern klar ansagt, was Sache ist und den Leuten, so gut es eben geht, den Weg zum Heil weist. Bei mir finden diese Überlegungen eben immer abseits der Moslem-Problematik statt. Nicht, weil ich die nicht sehe oder nicht sehen will, sondern weil ich finde, daß die Priester immer versuchen müssen, diesem Ideal nahe zu kommen, Moslem-Gefahr oder nicht.
"Angst oder Absicht?" ist natürlich eine gute und berechtigte Frage, auf die ich als Antwort momentan aber nur Spekulationen anbieten könnte. Also dazu erstmal nichts.
Gut. Das hast Du schön gesagt.
Danke ;-)
Ich kann Kardinal Lehmann verstehen. Ich hätte auch abgelehnt. Kermani beachtet nicht die fundamentalen Regeln des Anstands, wenn er die Kreuzestheologie als Idolatrie und Gotteslästerung bezeichnet. Dieser Mann ist einfach nur ein Hetzer.
"... einfach nur ein Hetzer" ist maßlos übertrieben und demonstriert genau die Art von verhärteten Fronten, die ich bereits in den Kommentaren zu diesem Artikel angesprochen und auf die ich im Moment einfach keinen Bock mehr habe.
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