Wednesday, May 13, 2009

Erwartungen voll erfüllt


Reaktionen auf die Rede von Papst Benedikt XVI in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem:
    "Ich bin nicht zu der Gedenkstätte gekommen, um historische Beschreibungen über die Tatsache des Holocaust zu hören. Ich kam als Jude, der darauf hoffte, eine Entschuldigung und eine Bitte um Vergebungzu hören von denen, die unsere Tragödie verursacht haben, unter ihnen die Deutschen und die Kirche. Zu meinem Bedauern hörte ich nichts dergleichen."
    Knesset-Sprecher Reuven Rivlin

    "...verpaßte Gelegenheit. Ich habe keine Entschuldigung erwartet, aber doch mehr als diese Rede. Das war sicherlich kein historischer Meilenstein."
    Avner Shalev, Leiter der Gedenkstätte

    "Es gab keine Erwähnung der Deutschen oder der Nazis, die an der Schlachterei teilnahmen und kein Wort der Reue. Wenn schon keine Entschuldigung, dann wenigstens ein ausdruck des Bedauerns." - "...nur eine allgemein gehaltene Rede ohne Leidenschaft, Anteilnahme und Gefühl." "Noch nicht einmal die Wörter 'sechs Millionen Juden' [sondern nur 'Millionen Juden'] hat er in den Mund genommen."
    Meir Lau, Chefrabbiner von Tel Aviv

    "Sie [des Papstes Formulierungen] mögen im Vorlesungssaal eines deutschen Theologieprofessors noch ihren Platz haben. Im Internt-Zeitalter snid sie jedoch wenig mehr als leere Banalitäten."
    Tom Segev, Historiker
Okay, ich hatte vor der Rede schon so meine Ideen, wie die Reaktionen von dieser Seite ausfallen werden. Daß diese Erwartungen aber in diesem Maße erfüllt werden, habe ich dann doch nicht gedacht.

Benedikt XVI kam nicht als Josef Ratzinger aus Deutschland nach Yad Vashem, sondern als Papst. Das Amt des Papstes hat bereits in der Person des Karol Wojtyla um Vergebung gebeten. Und das Amt des Papstes hat vorgestern in der Person des Josef Ratzinger der Welt (und zwar der ganzen, liebe Israelis und Palästinenser) etwas ins Gewissen geschrieben: Hier steht das Oberhaupt der Katholiken, die Füße auf dem Boden des Heiligen Landes, begehrter Grundbesitz der Christen, Juden und Moslems. Und dieses Oberhaupt formuliert Sätze wie: "Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, höre die Schreie der Gequälten, der Ängstlichen, der Beraubten; sende deinen Frieden über dieses heilige Land, über den Nahen Osten, über die gesamte Menschheitsfamilie" (vom in die Klagemauer gesteckten Zettel).

Das klingt vielleicht grade noch unverdächtig genug, selbst für diejenigen, die momentan ganz offenbar so gar nicht an Frieden in dieser Region denken. Wenn der Papst in Bezug auf das Heilige Land dann aber noch sagt, daß "die Augen der ganzen Welt ... auf die Völker dieser Region" blicken und daß "eine Lösung gefunden werden [muß], die es beiden Völkern ermöglicht, in Frieden in ihrer jeweiligen Heimat innerhalb von sicheren und international anerkannten Grenzen zu leben" und es in der Yad Vashem Rede toppt mit: "Man kann einen Nachbarn um seine Besitztümer, um seine Chancen und um seine Freiheit bringen. Man kann ein infames Netz von Lügen weben, um andere zu überzeugen, dass bestimmte Gruppen keinen Respekt verdienen", dann ahne ich schon, warum sich hier das Gift aufbaut. Soweit möchte man sich - bei allem Fordern nach Gewaltlosigkeit, Erinnerung, Entschuldigung, Bedauern - dann doch nicht auf das Spielchen einlassen. Also her mit der Diskreditierung. In diesem Zusammenhang ist es natürlich auch wichtig, daß das Leid quantitativ verstanden wird. 6 Millionen wird man so schnell nicht erreichen und ist somit im grünen Bereich.

Frieden oder Krieg? Ab in die gemeinsame Zukunft oder Verharren im trennenden Geheule? Macht der Gebete oder Macht der Waffen? Ich sehe den Papst hier nicht uneindeutig Stellung beziehen und habe nur den simpel-naiven Wunsch, daß sich einige Leute anschließen.

Nein, der Papst läßt sich ebensowenig von Beschimpfungen gegenüber Israel durch den Chef der Scharia-Gerichte der palästinensischen Autonomiebehörde auf eine Seite ziehen, wie er sich von kalkulierter Entrüstung aus seiner Amtsfunktion in die Rolle des schuldbeladenen Privatmanns schieben läßt. Er funktioniert nicht auf Knopfdruck und erfüllt daher nur bedingt sämtliche Erwartungen.


Ich bin ja sonst nicht so auf Gefühlsduselei aus, aber dieses Photo ist einfach zu schön: Ein Mensch aus Fleisch und Blut, aus Leib und Seele, aus Herz und Verstand, steht einer grauen, kalten Mauer gegenüber. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


Abschließend dann noch ein wenig Heiterkeit. Das Zitat der Woche aus der Frankfurter Rundschau: Die Warnung Benedkt XVI vor der ,hässlichen Fratze’ des Antisemitismus sei "wohlfeil, wenn das Kirchenoberhaupt mit dem Finger auf die Welt zeigt, ohne dazu zu sagen, dass er es war, der einen Holocaustleugner in den Schoß der katholischen Kirche zurückgeholt hat".

1 comment:

Mcp said...

Er ist guter Hirte.