Der gestrenge Prälat links ist der Erzbischof von Olinda und Recife (Brasilien), Jose Cardoso Sobrinho. Der hat jetzt im Sinne von Canon 1398 des CIC (Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu) einen Arzt und dessen Helfer sowie die Mutter eines neunjährigen Mädchens exkommuniziert. Denn die Kleine war von ihrem Stiefvater über circa drei Jahre hinweg sexuell mißbraucht worden und ist nun mit Zwillingen schwanger geworden. Die Exkommunikation betrifft das Mädchen selbst nicht, "wegen ihres Alters". In einer aktuellen Umfrage sprachen sich 87% aller Brasilianer gegen Abtreibung aus. Rechtlich war alles im grünen Bereich: In Brasilien sind im Falle einer Vergewaltigung und bei hoher Gefahr für das Leben der Mutter Abtreibungen legal. Bei dem Mädchen traf natürlich beides zu.
Mir ist etwas unwohl. Nicht, weil abgetrieben wurde, sondern weil exkommuniziert wurde. Ich bin gegen Abtreibung. Aber ich sehe hier keinen Spielraum. Man kann ja noch nicht einmal argumentieren, daß das Mädchen die Zwillinge nach der Geburt zur Adoption hätte freigeben können. Sie hätte die Geburt wohl kaum heil überstanden. Natürlich ist es ein Drama, daß die Zwillinge das Licht der Welt nicht erblicken. Aber wäre es nicht ebenso grausam, ein neunjähriges Mädchen durch eine Zwillingsgeburt umzubringen? Ist die Mutter der Kleinen nicht schon genug geschlagen?
Ich bin der Meinung, daß man beim Thema 'Abtreibung' ruhig das ein oder andere 'Wenn' und 'Aber' in Betracht ziehen darf. Natürlich soll es keine Freifahrtscheine geben. Natürlich sollen die Menschen sich der Konsequenzen ihres Handelns grade im Bereich Sexualität bewußt sein. Natürlich soll und darf die Kirche nie damit Aufhören, eheliche Treue und sexuelle Mäßigung zu predigen. Aber es ist doch nicht so, daß wir es bei dieser Neunjährigen mit einer hysterischen Sex-Bestie zu tun haben, die immer wieder mal schwanger nach Hause kommt und dann von ihrer gleichgültigen Mutter zur Abtreibungsklinik gefahren wird. Wenn jetzt ein Erzbischof hingeht, den Kodex aufschlägt, mit den gefühllosen Fingerspitzen zum Canon 1398 runtergleitet und die Exkommunikation proklamiert, dann ist das doch genau das, was die Mutter in diesem Moment nicht braucht. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie nicht nur katholisch, sondern wüßte sich in dieser schweren Zeit im Schoße der Kirche auch gerne gut aufgehoben. Es wandern doch ohnehin schon genug Brasilianer zu irgendwelchen obskuren protestantischen Sekten ab. Ich will damit nicht sagen, daß die Kirche schnellstmöglich den Prot-o-Morph 2000 einschalten soll. Im Gegenteil. Wie wäre es, wenn man das gute, alte, katholische "Sowohl... als auch..." anwendet? Natürlich kann und soll man beim Thema Abtreibung grundsätzlich die Reihen geschlossen halten. Aber in einem Fall wie diesem darf die Abwehr vielleicht auch mal etwas weniger eng am Mann stehen, oder?
Um es noch einmal zu unterstreichen: Ich bin gegen Abtreibung, und wenn ich darüber zu entscheiden hätte, ob ein Zwillingspärchen geboren oder abgetrieben wird, dann wählte ich natürlich die Geburt. Aber, Mann, wir reden hier von einer Neunjährigen, die vor lauter Panik wahrscheinlich eh schon 20 Jahre ihrer Herztätigkeit eingebüßt hat und von einer Mutter, die nun exkommuniziert und alleine mit ihrer Kleinen daheim sitzt und nicht einmal mehr die Sakramente in ihrer Kirche empfangen darf. Das ist doch hirnrissig.
[Update: Damit die Wogen hier nicht zu hoch schlagen, möchte ich anmerken, daß ich diesen Beitrag in der Hitze des Gefechts geschrieben habe. Will meinen: Mein ursprünglicher Ausbruch ist authentisch, aber nach längerem Überlegen jetzt schon relativiert.]
3 days ago
4 comments:
Lieber Alipius,
in aller Freundschaft, wenn ich das sagen darf, und auch als correctio fraterna, zu der ich mich gefordert fühle, was Du hoffentlich nicht als Anmaßung siehst, muß ich Dir hier klar widersprechen.
Es geht nicht darum, daß das kleine Mädchen hier unschuldig und selbst ein Opfer ist (und bitte glaube mir, daß sie mir unsagbar leidtut). Das Verbot der Abtreibung ist auch kein Mittel der Kirche, eheliche Treue und sexuelle Mäßigung zu fördern, so fördernswert diese sind. Es geht um den Schutz der ungeborenen Menschen. Und ist ein ehernes, wenn nicht das fundamentale Prinzip der Moraltheologie, daß ein intrinsisches Übel - die gezielte Tötung unschuldigen menschlichen Lebens - nicht durch einen guten Zweck gerechtfertigt werden kann. Der Katechismus sagt ganz klar "Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar." (Nr. 2271) Etwas anderes ist es - soweit ich mich entsinne, ich bin ja kein Moraltheologe - wenn lebenserhaltende Maßnahmen bei der Mutter (z.B. Medikamente) zum nicht bezweckten Tod des Kindes führen, das wäre dann möglicherweise erlaubt (aber wie gesagt, dafür will ich meine Hand nicht ins Feuer legen).
Und wenn ich noch etwas kritische anmerken darf (bitte, wirklich unter Freunden, es geht mir hier nur um die Sache), finde ich es nicht fair, dem Bischof hier Gefühllosigkeit vorzuwerfen. Zum einen hat er gar keine Entscheidung getroffen, da der Kodex für die vollzogene Abtreibung die Exkommunikation als Tatstrafe vorsieht, sie tritt also automatisch mit der Tat ein, der Bischof hat das bloß festgestellt. Zum anderen sollten wir aufpassen, daß wir nicht die Sprache der Feinde der Kirche übernehmen: warum soll der Bischof gefühllos gewesen sein? Woher wissen wir, daß es ihm nicht große Schmerzen bereitet hat, dies aussprechen zu müssen, daß er vielleicht sogar eine Nacht im Gebet darüber verbracht hat?
Du hast in allen Punkten recht, eben daher ist der Fall für mich ja so betrüblich. Ich weiß, daß das Prinzip des doppelten Effekts im Sinne des Aquinaten hier nicht greift und habe mich deshalb gehörig aus dem Fenster gelehnt.
Drei Punkte:
Erstens: Ich wollte das Verbot der Abtreibung nicht als Mittel zur Förderung ehelicher Treue oder sexueller Mäßigung verstanden wissen, sondern die Aufklärungsarbeit der Kirche im Vorfeld als etwas, das Abtreibungen im Idealfall schon von vornherein überflüssig macht.
Zweitens: Ich habe mich grade mal schlau gemacht und gesehen, daß es schon neun- ja sogar acht- und fünfjährige Mädchen gab, die Kinder zur Welt brachten. Das relativiert meine Sorge um die Kleine jetzt natürlich ein wenig.
Drittens: Ich weiß nicht, wie die Geschichte im Vorfeld kommuniziert wurde, aber ich hätte es nicht unklug gefunden, hätte man die Exkommunikation nicht medial breitgetreten. Das ist mein eigentlicher Vorwurf an den Bischof. Die Gefühllosigkeit nehme ich zurück.
Naja, ich muß mich halt auch mal in die andere Richtung falsch aufregen können und dürfen.
Was mich erschreckt ist die Tatsache, das der Täter in keiner Weise belangt wird!!!
Wer sich mal mit Missbrauch an Kindern auseinandergesetzt hat wird vielleicht begreifen das die Seele des Kindes in großer Not ist.Wie soll ein neunjähriges Mädchen dann Kinder austragen???!!!
Ich glaube das das Leben eines jeden schützenswertt ist. Ich glaube aber auch, das das Leben eines Kindes, das Vergewaltigt worden ist, ein Recht hat zu leben!
Aber wie gesagt: Was ist mit dem Täter?????
Beichten - Fertig???
Naja, der Täter sitzt im Knast, und die junge Mutter wurde nicht exkommuniziert, wie der Presse zu entnehmen war, denn sie wollte die Abtreibung nicht. Aber als Jurist muß ich mich ja korrekt ausdrücken. Als Minderjährige, die selbständig nicht handlungsfähig war, konnte sie sich nur dem Entschluß ihrer Mutter unterwerfen, die im übrigen den Vergewaltiger in ihr Haus gelassen hat.
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