Während der Lektüre von Sonja Zekris Artikel Angst vor Menschen ohne Zweifel in der sueddeutschen.de hätte ich mich fast in einen sabbernden Zellklumpen verwandelt. Gerettet wurde mein Verstand durch die sich nach wenigen Zeilen quasi wie von selbst bildenden Widerlegungen vieler der im Artikel gemachten Aussagen.
Mit dem Sprung von eh schon häufig unsachlicher Kritik zu streckenweise blanker Verleumdung ist ein neuer Tiefstand erreicht. Hier einige Highlights:
- Der Papst regt sehr viele Menschen zum Nachdenken über Alternativen an. Wir müssen nicht glauben, was er sagt - ein Lob der Aufklärung. ['Aufklärung' bitte unbedingt im Hinterstübchen behalten!]
[...]
Josef Ratzingers Lehre war nie gemütlich konservativ, sondern stets kompromisslos reaktionär, und so ist es bis heute geblieben [Zum wiederholten Male drängt sich dieser Tage der Verdacht auf, daß jemand, der über den Papst urteilt, entweder seine Enzykliken nicht gelesen oder nicht verstanden hat]. Damals wie heute gilt ihm der Mensch weniger als die Einheit der Institution, das Prinzip mehr als ein Leben [Ein übler, populistischer Tiefschlag, dessen Schmerzhaftigkeit sich im nächsten Absatz zeigt], und die Folgen sind so verheerend wie immer, wenn Ideen [!!!] wichtiger als Menschen werden.
Der Hinweis auf das päpstliche Kondom-Verbot ist nicht originell, aber zur Papst-Reise nach Afrika doch ersichtlich relevant: Dass die Kirche von ihren Gläubigen verlangt, eher zu sterben als sich vor HIV zu schützen [Kriminell blöd. Es sei denn, der Mensch stirbt an ehelicher Treue und sexueller Enthaltsamkeit, was die einzigen Dinge sind, die der Vatikan verlangt. In Konsequenz erübrigen sich dann die Kondome], verrät Robespierreschen Dogmatismus, und es zeigt, dass die reine Lehre der katholischen Kirche lebensgefährlich ist [Die Kirche ist die einzig mir bekannte Institution, die sich in Afrika nicht nur gegen AIDS stark macht, sondern dabei auch noch das sicherste Mittel zur Bewahrung vor Infektion proklamiert. Siehe die Beiträge von gestern] für die Menschen, erst recht in einem Kontinent, in dem südlich der Sahara 22 Millionen HIV-Infizierte leben.
Europa hat jahrhundertelang gerungen um die Gleichstellung der Frau und den Schutz von Minderheiten wie Schwulen und Lesben. Der Papst hingegen versöhnt sich lieber mit der Pius-Bruderschaft, die Deutschland in einen Gottesstaat verwandeln möchte und die Todesstrafe für hilfreich hält [Ja, das sind genau die Gründe, warum der Papst die versöhnliche Geste gewagt hat. Aufklärung, ick hör dir trapsen...]. Nichts ist beängstigender als Menschen ohne Zweifel [Es sei denn man formuliert so schön zweifelsfrei und normativ, daß die Kirche von den Gläubigen verlangt, zu sterben, oder daß ihre Lehre lebensgefährlich ist...]. Der Papst darf von Amts wegen nicht zweifeln. Wie soll sich ein Unfehlbarer beraten lassen? Wie soll er Fehler zugeben, wie bereuen? [Auschwitz, USA, WYD Sydney, Brief an die Bischöfe...]
Natürlich ist das alles eine Frage der Relation. Dem neuen russischen Patriarchen Kirill werden Reformerqualitäten zugeschrieben, weil er vielleicht eines Tages mit dem Papst sprechen könnte. Zwischen den beiden liegt vieles im Argen, nur in ihrer Feindseligkeit gegenüber Schwulen, anderen Konfessionen und der Moderne im Ganzen ähneln sie sich bis aufs Haar [Es kristallisiert sich langsam etwas heraus: Menschen, die nur mit negativem Vorzeichen denken, können sich offenbar nicht vorstellen, daß das Bejahen von Werten wie Familie, religiöser Identität oder Tradition VOR dem Hinterfragen von gleischgeschlechtlichen, sexuellen Beziehungen, von falschem Irenismus (unitatis redintegratio, Abs. 11) oder von blinder Fortschrittsgläubigkeit steht]. Da hätten sie viel Gesprächsstoff.
Was deutlich wird ist, daß unter 'Aufklärung' offenbar nicht der korrekte Gebrauch des eigenen Verstandes abseits der von den Medien vorgeplärrten Spuren verstanden wird, sondern einfach ein Wechsel der Autoritäten: Weg vom Papst hin zu denjenigen, die wirklich etwas zu verlieren haben, sollten die Worte des Papstes einmal breit und tief Gehör finden und zu entsprechenden Lebensentwürfen anregen. Daß dabei mit denselben Mechanismen des Obskurantismus operiert wird, welche man den Religionen und der Kirche so gerne vorhält, ist nur unangenehm für diejenigen, die diese Masche eh durchschauen.
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