Thursday, March 06, 2008

Atheismus Reloaded

Ich habe heute im Internet ein paar Daten fürs Studium gesucht. Ich stieß dabei in einem Weblog auf eine etwas dämliche atheistische Karikatur. Weblogs haben in der Regel lange Link-Listen. Einige Kommentare zu der Karikatur verleiteten mich, andere Seiten zu besuchen, von denen ich wieder durch Verlinkung auf andere Seiten kam. Nach wenigen Minuten steckte ich bis zum Hals in einem Sumpf aus Atheismus, Antiklerikalismus, Antikatholizismus etc.

Als kleine Nebenbei-Bemerkung muß ich erst einmal dieses loswerden: Ich kann immer besser verstehen, warum Christen das Internet mit Skepsis betrachten. Das blödeste Argument hier ist das der "Selbsterhöhung". Ich las neulich irgendwo, man solle als guter christlicher Bub oder als anständiges christliches Mädel ja nur kein Blog unterhalten. Denn dann lesen Leute die Artikel, reagieren darauf und geben einem das Gefühl, wichtig zu sein. HÄ? Sind das die nächsten Generationen von Katholiken, die wir uns wünschen? Technologiefremde, weggeschlossene, verschüchterte "Ich bin nix, ich kann nix, gebt mir einen Rosenkranz"-Duckmäuser, die sich lieber von der homeschoolenden Mom die Windeln wechseln lassen, als im immer wichtiger werdenden Medium Internet mal für den Herrn die Tastatur glühen zu lassen? Das kann's ja wohl nicht sein! Im Gegenteil! Scheucht die Lütten an die Computer, aber erst nach anständiger Katechese und fachmännischer Einführung in das Konzept von Sünde und Vergebung. Da sind natürlich Eltern und Klerus gefordert, weswegen das "Selbsterhöhungs"-Argument ein wenig so klingt, als wolle man sich hier aus der Verantwortung schleichen: "He, machen wir den Kleinen das Internet doch einfach madig, dann müssen wir keine solide katholische Arbeit leisten, bevor sie zum ersten Mal online gehen!"

Verständlich wird die Skepsis vor dem Internet, wenn man sich das vorherrschende Level von Kirchen- und Religionskritik anschaut. Das wird in der Regel einfach plump geklotzt. Logische Fehler bis zum Steinerweichen, am liebsten immer noch die ignoratio elenchi. Dies nicht aus Kalkül ("Erkennt heute eh kein Schwein mehr, hähähä!"), sondern weil diese Fehlleistung schon nicht mehr als Fehlleistung gilt. Da ist die Kirche dann schlecht, weil man irgendwo Fotos gesehen hat, auf denen Priester den faschistischen Gruß machen. Da ist das Christentum dann böse, weil Hexen verbrannt wurden. Da ist Religion dann direkt aus der Hölle importiert, weil Moslems sich und Andere in die Luft sprengen. Daß hier die Beispiele von religiös motivierter menschlicher Größe und Güte und das Teilhaben nicht-religiöser Menschen an allen nur erdenklichen Horror-Taten ebenso gut einen Schluß zugunsten von Kirche, Christentum und Religion oder zuungunsten von Atheismus oder Antiklerikalismus zulassen, wird verschwiegen. Dies ebenfalls nicht aus sauber reflektierter Bosheit, sondern aus purer Ignoranz. Und dann übertrumpft eine "Papst mit Hitlerbärtchen"-Karikatur die andere, die Aufgeklärten kraulen sich gegenseitig wohlig grunzend die Rücken und schaukeln sich ins Nirvana der Kirchen- und Gottlosigkeit. Klar, daß ich mich selbst da nicht wohlfühle und schon gar nicht will, daß meine Kinder auf dieses Niveau gezogen werden.

Aber zurück zum Atheismus und Antiklerikalismus: Erst einmal muß ich feststellen, daß das, was mit dem Aufkleber "Atheismus" daherkommt, in den meisten Fällen nur Kirchenkritik ist, diese wiederum in den meisten Fällen aus der untersten Schublade. Wenn ich mir die manchmal hilflos, selten kompetent, häufig stereotyp und immer motzig formulierten Beiträge so durchlese, dann stellt sich mir die Frage: Ist dieser Atheismus und Antiklerikalismus nicht nur eine Methode, eine Masche, ein Automatismus mit dem sich heutzutage grade junge und nicht eben erstklassig informierte Leute aus der Verantwortung ziehen wollen, indem sie sich selbst die Absolution erteilen? Machen sie nicht deswegen so ein Geschrei um Gott, weil sie endlich wollen, daß er totgeschwiegen wird? Und wollen sie ihn nicht deswegen totgeschwiegen wissen, weil er ihnen Antworten gibt, die zwar ihre Probleme lösen, aber gleichzeitig dafür auch Gegenleistungen fordert, von denen die unangenehmste sicherlich ist, sich erst einmal selbst nicht mehr als Gott zu betrachten? Es geht streng genommen ja gar nicht um die Fragen, ob Gott existiert. Es geht darum, ob ich mich in geziemendem und notwendigem Maße auf ihn einlassen will und kann. Wenn die Antwort auf diese Frage "nein" lautet, dann brauche ich einem allwissenden und allgewaltigen Schöpfer gegenüber schon eine mehr als gelungene Ausrede. Also wird der Ulk-Syllogismus
    Prämisse 1: "An der kirchlichen Botschaft könnte was dran sein."
    Prämisse 2: "Manche katholischen Geistlichen bauen Mist."
    Schlussfolgerung: "Gott existiert nicht."
aufgestellt.

Bei 99 Prozent der Atheisten liegt die Sache doch so: Ich kann mit einem Atheisten sechs Stunden lang über Gott und Nicht-Gott diskutieren. Am Ende werden wir beide dasitzen und wissen, daß es Gott gibt. Warum? Weil er uns die Fähigkeit gegeben hat, ihn zu kennen und zu erkennen.

Für einen "Atheisten" ist es eine Wahl. Für mich ist es eine Berufung.

7 comments:

Bee said...

Ach ja, die Gefahren des Internets...
ich versteh das nicht. Ich hab im Netz mein virtuelles Dorf, ich geh da zur Arbeit, ich besuch meine Nichte zum Kaffeeklatsch, treffe Freunde, schau oder hör mir Diskusionen an, geh auf Shopping-Tour und mir kann da genau so viel oder so wenig passieren, wie in jeder anderen Stadt. Ich meine, die, die vorm Netz warnen, sehen die in ihrer Stadt auch nur die Schmuddelecken und den Rotlichtbezirkt und lassen deshalb die ihre Pänz nicht auf die Straße? Die Leute sind im Netz genau so dämlich oder schlau wie auf der Straße.

Der Herr Alipius said...

Ist einerseits richtig. Andererseits kann man sich im Netz viel einfacher seine eigene kleine Welt konstruieren und in dieser sich mit seiner eigenen Netz-Identität verlieren. Und ein Pänz auf der Straße ist viel seltener alleine, als ein Pänz zu Hause am Computer.

Anonymous said...

Heute habe ich in einem Blog, dessen Namen ich schnell wieder vergessen habe, einen hochlogischen Schluß dieser Art gefunden. Irgendwo hat ein Priester hochtörichter Weise Pornovideos geklaut. Die Bloggerin nahm das zum Anlaß, zu behaupten, das komme vom Katholizismus und vom Zölibat. Damit impliziert sie, vermutlich ohne es zu merken, daß a)nur Katholiken und b) die meisten Katholiken Pornos klauen.
Ich habe einen Augenblick überlegt, ob ich da antworte, und es dann gelassen, da ich nicht davon ausgehe, mich diesem Mädchen verständlich machen zu können.

Anonymous said...

Ich betrachte Atheismus als eine Art Wagnis, ein Abenteuer das auch schief gehen kann und bin bereit das Risiko einzugehen, "ungetröstet" durch den Glauben mein Leben zu leben. Das ist in der Tat meine Entscheidung für mein Leben und ich schätze es sehr, wenn andere Leute andere Entscheidungen fällen. Ich muß niemanden von meiner Lebensweise überzeugen und schon gar nicht will ich irgendjemanden missionieren.
Allerdings machen viele atheistische Seiten genau den Eindruck des missionarischen Eifers. Und ich gebe zu, daß sogar mir diese "Die-Kirche-ist-an-allem-Schuld-Atheisten" mörderisch auf die Eier gehen. Wobei ich gleich hinzufügen sollte, daß ich mit "Männer-sind-an-allem-schuld-Feministinnen" und "Fleisch-essen-ist-böse-böse-Veganern" das gleiche Problem habe. Anderseits kann ich mit "Halleluja-Ich-bin-gerettet-Christen" genauso wenig anfangen. Und wenn mich am Kirchentag innerhalb einer Stunde tausend Leute mit einem "Ich-kann-auch-ohne-Alkohol-fröhlich-sein -Grinsen" missionieren wollen, kann ich schon mal ein klitzekleines bißchen sauer werden.

Alles in allem habe ich die Erfahrung gemacht, daß Diskussionen mit Christen (oder Veganern oder Feministinnen :) etc) relativ nutzlos und unerquicklich sind (wobei ich davon überzeugt bin, daß dies umgekehrt genauso gilt) und das es deshalb einfacher ist, seinen "Gegner" eines schönes Leben zu wünschen und dann mit seinem eigenen Leben weiterzumachen.

Der Herr Alipius said...

Das klingt fair und vernünftig.

Aber: Wieso bist Du als Atheist denn beim Kirchentag? Wenn schon, dann doch bitte zum Katholikentag ;-)

Anonymous said...

Ach, das war einfach Pech. Ich war geschäftlich in der Stadt und hatte vergessen das Kirchentag war. Mir ist aber auch schon schlimmeres passiert. Ich war mal zum Karneval in Köln (aus Versehen) und da hab ich richtig gelitten. :)
Diese geballte Lebensfreude kann ein Nordlicht schon ganz schön in Angst und Schrecken versetzen. :)))

Der Herr Alipius said...

Ich weiß. Es ist eine Gratwanderung. Einerseits finde ich Lebensfreude selbst in geballter Form schön, andererseits bekomme ich sofort eine Gänsehaut wenn sie irgendwie erzwungen wirkt.