Thursday, January 08, 2009

Die lustigen Religionen

Irgendwo zwischen Pasolinis hysterisch-verzweifelter Gesäß-, Geschlechtsteil- und Kopulationsfixiertheit und Charlotte Roches sekreteschmatzender Seelenschau haben sich die olympischen Spiele des fleischlichen Tabubruchs in einen simplen Wettlauf um Schlagzeilen und Umsatzzahlen verwandelt. Und spätestens seit den Filmen der Saw- und Hostel-Reihen, welche der in der realen Welt verachteten Folter quasi-pornographischen Status verliehen, ist auch auf dem Blut-, Gewalt- und Eingeweide-Sektor nur noch die krassere Form gefragt und nicht mehr der Inhalt, der nachdenklich stimmt, sich konsumkritisch zeigt oder wenigstens die Gemetzel ins Lächerliche zieht.

Bill Maher könnte mit seinem Film "Religulous" (= religion + ridiculous) nun neue Standards für schleimig-herablassenden Elitär-Atheismus setzen, dem in Zukunft dann (abhängig von den Besucherzahlen) weitere artgleiche Werke folgen. "Religulous" ist eine "Dokumentation", die mit der Technik der "Sabotage-Interviews" arbeitet: Mahers Name wird den Interviewpartnern nicht bekanntgegeben, und die Interviews werden angeblich für eine Dokumentation mit dem Titel "A Spiritual Journey" aufgenommen. Maher zieht also los und holt sich diverse fromme Wundertüten vor die Kamera, vor allem evangelische US-Christen. Aber auch die Mormonen, der Vatikan, das Judentum und (hört, hört) die Moslems kriegen ihr Fett ab. Das Ganze ist als Comedy angelegt, mit witzigen Voiceovers, entsprechender Musik und schneller Schnittechnik. Da "Borat"-Macher Larry Charles Regie führt, kommt der Film auch optisch nett daher und verführt an nicht wenigen Stellen in der Tat zum Schmunzeln.

Der Film hat aber einige Probleme. Da ist erst einmal seine Unehrlichkeit. In den Interviews wird Interesse geheuchelt, doch Maher walzt dann später herablassend und arrogant über die Statements seiner Gesprächspartner hinweg und wirkt dabei (vor allem im plötzlich todernsten "Religion muß sterben, damit die Menschheit leben kann"-Finale) nicht weniger dogmatisch predigerhaft als die Leute, gegen die er angehen will, was schon die zweite Schwäche des Streifens ausmacht. Hinzu kommen das vollkommene Ignorieren aller positiven Effekte der Religionen (vor allem des Christentums (vor allem des Katholizismus)) und die schon bekannte illegitime Argumentation, die auf einem Mißverständnis des Gottesbegriffes beruht. Beispiel: Maher fragt einen christlichen Opi, ob er an den Weihnachtsmann glaubt. Natürlich nicht. Ist ja auch klar, meint Maher, denn wie kann ein einziger Mann im Laufe nur eines Tages Millionen von Geschenken durch Millionen von Schornsteinen liefern. Findet der Opi auch. Selbstverständlich ist es bei einem Mann, der gleichzeitig das Gebets-Gemurmel von einer Milliarde Menschen hört, ganz anders, wirft Maher darauf ein. Wer Gott so denkt, der ist natürlich aus der Atheisten-Ecke auch nur schwer wieder herauszukriegen. Aber er sollte nicht meinen, er liefere mehr als Appelle an niedere Instinkte. Leider muß es auch nicht mehr sein, denn - zurück zu Porno und Gewalt - mehr scheint nicht gewollt.

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