Mal ehrlich: Man muß schon ziemlich viel Phantasie besitzen, um in dem fast senkrechten Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger den "Hitler-Gruß" zu erkennen. Ein zwanzigjähriger Amataur-Reporter schickte das Photo an die BILD-Zeitung mit der Bemerkung: "Ich war ganz erschrocken." Huch!
Leicht ließe sich die Geschichte abtun als nur ein weiterer grotesker Auswuchs des in Deutschland über lange Zeit mehr als erfolgreich kultivierten und von mir schon früher mit Kopfschütteln betrachteten Selbsthasses gewürzt mit einer Portion Paranoia. Das Problem ist, daß sich hier noch etwas anderes manifestiert. Es ist die zunehmende Bereitschaft der Menschen, die Realität in festgeeisten Paketen von Ursache und Wirkung, Problem und Lösung, Reiz und Reaktion zu erleben und zu bewerten. Das Enthymem "Der rechte Arm ist oben. Also werden hier Nazis verherrlicht." mag sich, eingebettet in den Kontext von Nikolausfiguren und Autorenalter noch niedlich ausnehmen. Es gibt aber zahllose Beispiele, in denen durch Auslassung notwendiger Prämissen oder Voraussetzung falscher Prämmissen verwegene Schlüsse gezogen werden. Einige dieser Schlüsse sind durchaus bedenklich und dennoch (oder, weil sie einen von der nötigen Kopf- und Herzensarbeit entschuldigen, grade deswegen) weit verbreitet und führen in bestimmten (nicht eben kleinen) Kreisen zu einer widerspruchslosen Akzeptanz. Um nur einige Beispiele zu nennen:
- "Er mag Chris de Burgh. Also ist er ein Looser."
"Christen und Moslems zoffen sich. Also ist Religion kacke."
"Er trägt einen Mao-Anstecker. Also ist er korrekt."
"Die Katholische Kirche toleriert Homosexualität nicht in dem Maße, wie es wünschenswert ist. Also ist die Katholische Kirche böse."
"Sie will keinen Sex vor der Ehe. Also ist sie eine fömmelnde, frigide Kuh."
"Ein Kind behindert mich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens an der freien und ganzen Entfaltung meiner Möglichkeiten. Also ist die Schwangerschaft abzubrechen."
Daß Christentum und Katholische Kirche sich dabei häufig am Empfänger-Ende des Gewehrlaufes finden leuchtet auch ein. Schließlich gibt es wohl kaum einen Bereich, in welchem man so viele Urteile fällen darf, ohne auch nur einen Funken echter Information zu besitzen. Ein Tatbestand, der übrigens schon 1975 von Mgr. Nelson W. Logal beklagt wurde, damals allerdings im Hinblick auf die Theologie, welche sich im Jahrzehnt nach dem Konzil von einer zu studierenden und zu verstehenden und von langbärtigen Langeweilern gepflegten Materie zu einem hippen Massenprodukt mit totaler Deutungsfreiheit entwickelt hatte. Da heutzutage Theologie als solche natürlich selbst als "do-it-yourself"-Produkt in der Arena öffentlicher Meinungen zu anspruchsvoll ist, hat man die Urteilswut eben auf Kirche und Religion als solche verlagert. "Millionen verbrannter Hexen", "Unterdrückung der Frauen" und ein "Nazi-Papst"? Was will man eigentlich mehr? Die Wahrheit? Bloß nicht!
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