Sunday, November 01, 2009

Die Villa Albani

Heute, am Hochfest Allerheiligen, habe ich mich bei Allerheiligen-Wetter (azurne Wolkenlosigkeit) auf den Weg zur Villa Albani gemacht. Diese wurde zwischen 1745 und 1763 von Alessandro Albani, Kardinal und Neffe Papst Klemens XI., erbaut. Also nicht von ihm persönlich, sondern vom Architekten Carlo Marchionni und einem Haufen von Arbeitern. Alessandro Albani stand am Anfang einer militärischen Karriere, als sein Onkel ihm nahelegte, wegen seiner Sehschwäche (welche im Alter dann beinahe zur Blindheit führte) doch lieber Kardinal zu werden. Und wenn der Onkel Papst ist und sagt "Komm, werd' doch Kardinal!", wer sagt da schon "Och, nö Du. Laß' mal!" (vor allem, wenn wir uns im 18. Jahrhundert befinden). Also empfing Alessandro im zarten Alter von 29 Jahren den roten Hut, was ihm eines der Rekord-Kardinalate in der Geschichte einbrachte: 58 Jahre!

Weltlich war er wohl, der Alessandro, allerdinge auch ein anständiger Diplomat und vor allem einer der scharfsinnigsten Antiquitäten-Kenner seiner Zeit. Er war außerdem ein schönes Beispiel dafür, daß es nicht immer um das tumbe "Haben" sondern oft eher um das geschickte "Erlangen, Bewundern und Weiterreichen" ging, fand seine gewaltige Antikensammlung sich doch steter Veränderung unterworfen, da der Kardinal mal besonders schöne Stücke als Geschenk springen ließ oder sie auch mal verkaufte, um Geld für Neuerwerbungen zu haben, die dann wieder für geraume Zeit bewundert wurden, bis sie einen anderen dankbaren Empfänger fanden. Jedenfalls mußte irgendwann ein Bau her, der die nicht eben ungewaltige Sammlung des Kardinals aufnehmen konnte. So entstand also die Villa Albani (zu deren Geschichte es gleich noch ein paar Zeilen gibt).

Ich wollte mir dieses sagenumwobene Prachtstück schon lange einmal von Nahem betrachten und wünsche mir nun, ich hätte mich vorher ein wenig mehr über ihren heutigen Status informiert. Denn wie es scheint ist die Villa immer noch in Privatbesitz und daher nicht zugänglich. Nach dem Franzosensturm fiel die Villa erst an die Chigi und dann an die Torlonia, eine Bankiers-Sippe, welche im 19. Jahrhundert offenbar alle anderen römischen Familien in puncto Reichtum in den Schatten stellte. Denen gehört die Villa auch heute noch.

Also sitzt der Herr Alipius jetzt 3 Stunden, 3 Doppio Macchiato und gefühlte 80 Kilometer später vor seinem Laptop und kann so gar nicht mit schicken Photos protzen. Es gibt daher jetzt leider nur die Appetit-Häppchen, die ich durch diverse Gitter oder aus einiger Entfernung aufnehmen konnte:

Dies ist eines der diversen Tore, welche auf das Grundstück der Villa Albani führen. Es liegt an der Ecke der Via Salaria und der Via di Villa Albani. Wie man sieht, macht die sprühende Gosse Roms auch vor Monumenten dieser Art nicht halt. Wer auch immer der Meinung war, diese Graffiti werten den Anblick irgendwie auf, tickt sehr verkehrt.


Dies ist ein kleines, am Anfang des Parkes der Villa gegenüberliegendes Gebäude. Wahrscheinlich war es gleichzeitig Hausmeisterei, Paßkontrolle und Besucherempfang (oder auch nichts von all dem).


Hier ist dasselbe Gebäude von vorne zu sehen. Man erkennt hier einigermaßen, wie sich der Großstadt-Moloch im Laufe der Jahrhunderte an die einst eher außerstädtisch gelegene Villa herangewuchert hat.


Ich habe dieses Photo durch ein Gitter hindurch geschossen. Hier gab's mahr zu Hören als zu Sehen, zwitscherten mir doch aus den Bäumen gut ein halbes Dutzend verschiedenster Vogelstimmen entgegen.


Ein Photo von der Rückseite des Parks. Dies könnte die eigentliche Villa sein, wenn meine Straßenkarte einigermaßen stimmt. Mehr als das war aber von dem Bau tatsächlich während der Runde, welche ich um den Park drehte, nicht zu sehen. Schade.


Heute ist die Villa wie gesagt in Privatbesitz, was ich ja eigentlich nicht so schlecht finde. Mich wurmt's immer ein wenig, wenn in Bauten, die eigentlich einer einzigen Familie reichlich Auslauf bieten sollten, plötzlich - wie im Zentrum Roms - tausende von Büros oder gar Geschäften untergebracht sind, oder wenn Turisten-Tsunamis durch die zu Museums-Stückchen degradierten Gemächer spülen. Da ist's mir persönlich lieber, ich bekomme nichts zu sehen und stelle mir einfach alles vor, als daß ich mit einer Menschenmenge durchgeschleust werde und mir irgendwie so beobachtet und fast wie ein Eindringlich vorkomme.

Noch fix ein paar Worte zur Geschichte der Villa (welche unter anderem zeigen, daß es da drinnen eh nicht mehr so schön ist, wie zur Zeit des Kardinals):

Die in der Villa aufbewahrte Sammlung wurde vom Sekretär des Kardinals, Johann Joachim Winckelmann, katalogisiert. Winkelmann war ein deutscher Archäologe, Antiquar und Kunstschriftsteller und gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und der Kunstgeschichte. Außerdem war er gemeinsam mit Anton Raphael Mengs für die künstlerische Gestaltung der Villa Albani verantwortlich.

Alessandro Albani starb im Jahre 1779. Die Villa ging an seinen Neffen, Gian Francesco Albani, ebenfalls Kardinal. Als dieser nach einem arbeitsreichen und persönlich eher anspruchslosen Leben sich im Alter auf seine Villa zurückzog, stellte er sich wohl eher so etwas wie einen ruhigen Lebensabend vor. Allerdings machten ihm da die Franzosen einen Strich durch die Rechnung. Gian Francesco war kein besonders großer Anhänger der Revolution bzw. der Auswirkungen, welche diese auf die Kirche in Frankreich hatte. Also schmiegte er sich politisch ein wenig an Österreich an. Als die Franzosen 1798 Rom einnahmen, kam es also, wie es kommen mußte. In einer Instruktion, welche Bonaparte Ende Januar 1798 an General Berthier richtete, heißt es:
    "Das Ziel des Generalissimus der Armee in Italien wird sein, mit allem Nachdruck die Verbrechen [Ich nehme an, hier sind die während der September-Massaker massakrieterten Priester gemeint. Vielleicht bezieht Bonaparte sich auch auf die Ausbeute der eingezogenen Kirchengüter in Frankreich, welche seiner Meinung nach zu niedrig war] zu rächen, deren sich der Römische Hof gegen die Französische Republik schuldig gemacht hat. Diese Rache wird ihren Ausdruck finden in der Vernichtung des päpstlichen Regiments und in der Aufrichtung einer neuen und freien Regierung. Das Asylrecht der Kirchen und der Gesandtschaften ist aufzuheben. Kontributionen sind zu erheben, um die Französische Republik zu entschädigen [... für die Mühen und die Kosten, welche das Niederreißen der Kathedralen und Klöster in Frankreich verursachte, nehme ich an. Vielleicht auch für den Streß, den das durch die Zivilkonstitution des Klerus erzwungene Schisma einbrachte], besondere Kontributionen werden außerdem von den 50 reichsten Familien erhoben werden. Die Güter des Papstes, seiner Familie und des Hauses Albani werden eingezogen werden."
Für Kardinal Gian Francesco bzw. für seine Villa bedeutete dies...
    "Am folgenden Tage gewann ich es über mich, die entweihte, ausgeplünderte Villa Albani, Winckelmanns Tempel zu besuchen. Nirgends in Rom haben die Franzosen so gefrevelt. Der fromme Fürst Albani hatte sich immer mutig gegen sie und ihre Tod und Verderben bringenden Grundsätze erklärt. Sie rächten sich am Heiligtum der Kunst am Gemeingute der Menschheit. Daß die Kolossalbüste der Pallas, das Hauptrelief des Antinoos, die Statue der Leukothea und andere Hauptstücke der Sammlung weggenommen wurden, war ungerecht; daß die Basreliefs aus den Wänden, die herrlichen antiken kolossalen Masken aus der wunderschönen Vorhalle gerissen und entführt wurden, war gewöhnlicher Raub. Allein daß Statuen, die man nicht mitnehmen wollte und konnte, verstümmelt, die Säule aus Verd’Antico angehauen, dem prachtvollen Becken von rotem afrikanischem Marmor der Rand mutwillig ausgebrochen, zart ausgeführten Marmorbasreliefs kleine Teile mit mühsamer Bosheit abgebrochen wurden, sind Züge von jenem pöbelhaften Frevel, den dies gebildetste Volk der Erde – wie es von seinen Schmeichlern, den Demagogen aller Nationen genannt wird – sich so häufig zu schulden kommen ließ." (Friederike Brun, geb. Münter, Römisches Leben, Leipzig 1833, II, S. 10)
Richard Duppa malt ein nicht weniger tristes Bild (Übersetzung meine):
    "Wegen meines Interesses für die shcönen Künste und wegen meiner natürlichen Anhänglichkeit an die Bildung kann ich nur tiefstes Bedauern empfinden wegen der Zerstörungen in der Villa Albani, jener Villa, die wegen ihrer Lage, ihrer Eleganz, ihrer Gelehrsamkeit und ihrer ausgezeichneten Kunstwerke, als weltweit einzigartig betrachtet wurde. Die Anlage, welche noch nicht dem Erdboden gleichgemacht und die Villa, die noch kein kompletter Schutthaufen ist, bleiben nun und für immer ein melancholisches Monument des Vandalismus des achtzehnten Jahrhunderts. Jede Status, jede Büste, jede Säule, jeder Kaminsims, jedes Stück Marmor wurde von seinem Platz gerissen und nach Paris geschickt, wenn es nicht zum Nebenerwerb gewisser Agenten des Direktiriums wurde, welche dafür zu sorgen hatten, daß nicht zurückblieb, was man noch verderben konnte. Ja, selbst die Sträucher der Gartenanlage wurden entwurzelt und zum Verkauf angeboten. Um ein solches Werk zu vollbringen bedarf es entweder der verderbtesten Verachtung jeglichen kultivierten Gefühls oder einer unersättlichen Barbarei..." (R. Duppa, A brief account of the subversion of the papal government: 1798, London, 1799)
Gian Francesco Albani floh vor den Franzosen nach Neapel, nahm später am Konklave in Venedig Teil und kehrte nach Rom zurück, wo er 1803 im Alter von 83 Jahren verstarb. Seine verwüstete Villa wollte er nicht mehr aufsuchen, da er im Exil ohnehin im Geiste von ihr Abschied genommen hatte und sie im geschändeten Zustand nicht wiedersehen wollte. Tja, der Glanz der Welt... Ich zumindest hoffe und bete, daß beide Kardinäle nebenher noch genug Zeit und Energie fanden, sich auch Schätze im Himmel zu sammeln.

2 comments:

Stegi said...

Besitz verpflichtet auch manchmal, die Allgemeinheit daran teilhaben zu lassen.
Es gibt auch einen Mittelweg- ohne Massen von Turis: Fürst Colonna öffnet seine Galerie immer nur samstag vormittags fürs Publikum.

Anonymous said...

Der Zeitungsartikel unter roma.repubblica.it/.../villa_albani-16019417/ dürfte Sie interessieren. Das Anwesenheit ist im Besitz der Familie Torlonia, die in Rom nicht den besten Ruf hat, und die bisher alle Kaufangebote der Stadt abgelehnt hat.

H. Niemann, Mainz