Wednesday, April 05, 2006

Ein kleiner und ein großer Schreck...

Hallo allemiteinander!


Links seht Ihr José Kardinal Saraiva, den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse (der ja momentan wegen Karol "Santo subito" Wojtyła die Hände ziemlich voll haben dürfte). Als ich heute das Angelicum verließ, da hatte ich plötzlich trotz einsetzender Dämmerung so ein scharlachfarbenes Jucken im Augenwinkel. Ich drehte also meinen Kopf und Seine Eminenz kam mir in genau der Gewandung entgegen, die Ihr auf dem Photo seht. Was daran so toll ist? Naja, alle Kardinäle, die ich bisher live und in Ringkußnähe gesehen habe, trugen entweder Schwarz mit scharlachfarbenem Saum oder Scharlach mit weißem Rochett darüber. Aber so einfarbig knallig wie heute war's noch nie. Und ich kann nur eins sagen: HAM-MER! Wenn das Moirée-Zingulum in farblichem Einklang mit der Soutane so frech herumschimmert, dann brüllen sogar noch in Toledo die Stiere. In natura ist das Rot einfach viel umwerfender als auf jedem Foto. Nachdem ich mich ganz höflich verneigt hatte, kugelte der kleine Portugiese freundlich lächelnd und "Bona Sera"-end an mir vorbei und ein ihm folgender hochgewachsener Prälat starrte ganz verwirrt auf mein Sarockel.


Zum Sarockel gibt's gleich noch mehr. Jetzt muß ich nach dem kleinen Schreck (der eigentlich mehr ein "Hoppla!" als ein Schreck war) noch von dem großen Schreck berichten: Ich verließ das Grundstück des Angelicums und machte mich auf den Weg zur Piazza Venezia. Jedoch: Der gesamte Platz vor dem Angelicum war abgesperrt. Ich blickte die Straße hinab und staunte nicht schlecht, als ich sah, daß ein riesiges Gerüst, welches seit Monaten vor einem alten Haus stand, komplett umgekippt war, so daß nun die Straße mit einem meterhohen Berg verbogenen Metalls bedeckt war. Der Schweißausbruch-Faktor war hierbei extrem hoch, da ich nämlich nach der Uni immer unter eben diesem Gerüst entlanggehe. Röchel. Ich ging dann gar nicht erst in diese Richtung, da ein Berliner Olympiastadion voller Gaffer den Weg versperrte und ich mir außerdem nicht sicher war, wie splatter-mäßig der Anblick sein könnte. Man weiß ja nie, wer oder was zum Zeitpunkt des Einsturzes gerade unter dem Gerüst entlanggegangen oder -gefahren ist. Ich finde ja das "Mach mal locker, Alter!" der Italiener grundsätzlich nicht unsympathisch. Andererseits wundert es mich keine Spur, daß hier so etwas passiert. ("He, Manfredo! Mit fehlen Acht Schrauben für das Gerüst!" - "Hmm, ich hab auch keine. Hier, nimm das Kaugummi.")


Jetzt nochmal zurück zum Sarockel. Für alle, die es noch nicht wissen oder schon wieder vergessen haben: Das Sarockel ist der lange, schmale Leinenstreifen, der vorne und hinten an unserer Ordenstracht herunterhängt, wie auf dem Photo zu sehen ist.

Also. Das hier ist Rom. Folglich sollten die Einwohner dieser Stadt doch so ziemlich alles, was der Katholische Klerus an kleidermäßiger Extravaganz aufzubieten hat, schon einmal gesehen haben. Wenn ich aber mit Kutte und Sarockel so durch die Straßen schlendere, dann frage ich mich manchmal, für wieviele der Verkehrsunfälle in Rom Josef, Max und ich veranwortlich sind. Das Sarockel ist ganz offensichtich Titelseiten-Material. An die Blicke und das "Che cosa?" habe ich mich schon gewöhnt. Ich frage mich nur, ob ich langsam mal damit anfangen soll, für die Fotos Geld zu verlangen?

Besonders witzig war eine Begegnung mit einer älteren Touristin aus den USA, die mit Ehemann, Tochter und zwei anderen betagten Damen unterwegs war. Ich stand so nichtsahnend an der Ampel, als plötzlich von irgendwoher in englischer Sprache ohne große Umwege über Höflichkeitspfade die Frage "Wissen sie, wo die Fontana di Trevi ist?" ertönte. Die Frage wurde nach anderthalb Sekunden wiederholt. Ich drehte mich einfach mal um und tatsächlich: Ich war gemeint.
"Sprechen sie mit mir?" fragte ich zurück.
"Ja!"
"Da haben sie ja Glück, daß ich Englisch verstehe."
"Ja!"
"Da vorne halblinks und an der nächsten Ecke rechts und sie laufen direkt darauf zu."
"Danke. Was ist das?"
"Ein Sarockel."
"Was?"
"Ein Sarockel."

Hier drehte sich die Dame um und zerrte ihren Mann heran. "Hey, William! Mach mal ein Foto. Das zeigen wir zu Hause dem Herrn Pfarrer." Dann wieder zu mir: "Hi, ich bin Cookie aus Long Island!"
"Alipius aus Klosterneuburg."
"Was?"
"Al aus Wien."
"Hi Al! Sie sind sehr nett. Beten sie für mich."

William hatte mittlerweile das Foto geschossen und Cookie & Co. machten sich auf den Weg zur Fontana di Trevi.


Okay, und ich mache mich jetzt auf den Weg ins Bett.

Alles Liebe,
Alipius

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