Tuesday, April 28, 2009

Weiß nicht...

Ich muß erstmal zugeben, daß mein Logik- und Ethik-Professor Alfred Wilder O.P. mich total verdorben hat.

Ich konnte früher schon nicht mit Sprichworten wie "Weniger ist mehr" umgehen. Trotz des Wissens, daß das ja irgendwie "übertragen" oder "bildlich" oder "nicht so" gemeint ist, regte sich gleich Widerspruch. 'Hä?' hab ich mir dann immer gedacht. 'Soll'n das? Wenn weniger mehr ist, was ist dann mehr. Ach ja: Weniger. Aber was ist dann weniger? Ach so, stimmt: Mehr!?!? Also, wenn weniger mehr ist, dann ist ja mehr auch weniger. Also ist eigentlich keines von beiden nix, denn wenn ich 'weniger' sage, meine ich ja offenbar 'mehr'. Aber mehr ist doch weniger, oder...???" [** kopfschüttel... Flasche entkork... ansetzt... schluck...**]

Jetzt lese ich heute auf meinem täglich Google-Sprichwortservice das:
    "Whoever ceases to be a student has never been a student."

    (Wer auch immer damit aufhört, Student zu sein, war nie ein Student.)


    George Iles
Echt jetzt. Aristoteles hätte dem doch eine gesemmelt und gesagt: "Freundchen, Du warst sicherlich nie Student, zumindest nicht bei mir. Und deswegen kommst Du jetzt erstmal mit und ich erzähl ein bißchen was über die Identität und Diversität von Konzepten, dem Prinzip des Nicht-Widerspruchs und anderen kleinen Feinheiten. Und, nee, nix von wegen 'nur übertragen gemeint' und so. Die Leute saugen sowas auf, verbreiten es und am Ende kann man ihnen alles mögliche erzählen, weil niemand mehr nichts auseinanderhält."

Is' doch wahr.

[Update: Ich hatte gleich nach Posten des Artikels das schale Gefühl, daß irgendetwas fehlt. Leserin Raphaela war aber so freundlich, in einem Kommentar zu erwähnen, was natürlich fehlt, nämlich einer der "X ist Y"-Klassiker schlechthin: "Der Weg ist das Ziel." Danke!]

7 comments:

Raphaela said...

Und wie.

Mir steigt bei "Der Weg ist das Ziel" auch immer in ähnlicher Weise die gute alte Grausbirn' hoch.

Lupambulus Berolinen. said...

Und was ist mit Augustins "Lex iniusta non est lex"? ;-)

Mcp said...

Dialektik ist Teil der Logik. Wird Plato und Hegel nicht mehr gelehrt?

Bei aller Wertschätzung für Aristoteles, die ich gnadenlos teile, kommt man doch am Widerspruch nicht vorbei. Zumal der Widerspruch auch in der klassischen Logik einziges Beweismittel bleibt.

Sinnsprüche dieser Art sind Geistesakrobatik, die das Hirn fit halten und es vor allzu eloquenter Verfettung schützen. Ich liebe den Widerspruch. Rein logisch. :)

Der Herr Alipius said...

@ Wolfgang: Kann man so stehen lassen ;-)

@ Mcp: Klar werden die Jungs heute noch gelehrt. Aber das heißt ja nicht, daß mein Hirn (bei aller Freude am Mitdenken und Mitspielen) das Prinzip des Nicht-Widerspruchs einfach aufgibt.

Wieso ist der Widerspruch in der klassischen Logik einziges Beweismittel?

Mcp said...

Spannende Frage!

Ein direkter Beweis lässt sich nicht führen:

(1) Jeder Schweizer Käse hat Löcher
(2) Je mehr Schweizer Käse, desto mehr Löcher
(3) Je mehr Löcher, desto weniger Schweizer Käse
(4) Ergo: Je mehr Schweizer Käse, desto weniger Schweizer Käse

Folglich muss man den indirekten Beweis dadurch führen, das man im Gegenteil den Widerspruch nachweist:

(1)Alles was keine Löcher hat, ist kein Schweizer Käse
(2)Gegenteil: Alles was Löcher hat, ist Schweizer Käse.
(3)Da die zweite Behauptung offensichtlich falsch ist, ist (1) eine widerspruchsfreie Aussage und offensichtlich richtig.

Die Induktionsmethode kommt als Beweismittel überhaupt nicht Frage:
(1) Dieser Käse ein Schweizer Käse, folglich hat jeder Käse Löcher.
(2) Ergo ist Käse ohne Löcher kein Käse. So ein Käse.

Quod erat drumdarum.

Ich liebe die Logik. :)

Der Herr Alipius said...

Vorbemerkung: Ich habe Dein Beispiel so verstanden, daß Du mit "Schweizer Käse" einen Käse meinst, der zwingend Löcher haben muß und daß ein Käse mit Löchern ein Schweizer Käse ist. Entsprechend argumentiere ich jetzt.

Ein direkter Beweis lässt sich nicht führen:
(1) Jeder Schweizer Käse hat Löcher
(2) Je mehr Schweizer Käse, desto mehr Löcher
(3) Je mehr Löcher, desto weniger Schweizer Käse
(4) Ergo: Je mehr Schweizer Käse, desto weniger Schweizer Käse.

Der Fehler im Sprung von 2) zu 3), die Relation zwischen Löchern und Käse nicht zu berücksichtigen, bzw. die in 2) käseinhärenten Löcher in 3) als allgemeine Abwesenheit von etwas Seiendem zu setzen, liegt natürlich auf der Hand. Ich wüßte aber mit Bezug auf dieses Beispiel, was hier eigentlich ursprünglich bewiesen werden soll (Du schreibst "Ein direkter Beweis lässt sich nicht führen" - Beweis wofür?).


Folglich muss man den indirekten Beweis dadurch führen, daß man im Gegenteil den Widerspruch nachweist:
(1)Alles was keine Löcher hat, ist kein Schweizer Käse
(2)Gegenteil: Alles was Löcher hat, ist Schweizer Käse.
(3)Da die zweite Behauptung offensichtlich falsch ist, ist (1) eine widerspruchsfreie Aussage und offensichtlich richtig.

Das ist genau der Punkt, an dem ich mich reibe: In dem Satz "Jeder Schweizer Käse hat Löcher" ist die Prädikatsgruppe "hat Löcher" in der Definition von Schweizer Käse enthalten. Man könnte z.B. auch sagen "Jeder Dreieck hat drei Seiten" oder "Jede Menge von vier enthält zwei", da "hat drei Seiten" zur Definition von "Dreieck" gehört und da "vier" ein vierfaches der "eins" voraussetzt und somit automatisch auch "zwei" enthält. Wenn man jetzt hingeht und solche Axiome der Art "b impliziert a" ("Mensch impliziert Tier", "4 impliziert 2" oder "Schweizer Käse impliziert Löcher ") verneint, dann sehe ich zwar die Spielmöglichkeiten, aber irgendetwas in meinem Kopf sagt auch immer gleichzeitig "nö!".


Die Induktionsmethode kommt als Beweismittel überhaupt nicht Frage:
(1) Dieser Käse ein Schweizer Käse, folglich hat jeder Käse Löcher.
(2) Ergo ist Käse ohne Löcher kein Käse. So ein Käse.

Weiß nicht, ob das so stimmt. Induktion funktioniert ja nur dann nicht, wenn die zwischen Gruppen bestehenden Zusammenhänge falsch bewertet werden. Würde man nicht eher sagen
(1) "Dieser Käse (welcher Löcher hat) ist ein Schweizer Käse, folglich hat jeder Schweizer Käse Löcher".
(2) "Ergo ist ein Käse ohne Löcher kein Schweizer Käse."

Deduktion: Prämisse 1: "Dieser Käse ist ein Käse mit Löchern/Dieses Tier ist ein vernunftbegabtes Tier". Prämisse 2: "Alle Käse mit Löchern sind Schweizer Käse/Alle vernunftbegabten Tiere sind Menschen.", Konklusion: "Dieser Käse ist ein Schweizer Käse/Dieses Tier ist ein Mensch"
Induktion: Prämisse 1: "Dieser Käse ist ein Käse mit Löchern/Dieses Tier ist ein vernunftbegabte Tier". Prämisse 2: "Dieser Käse ist ein Schweizer Käse/Dieses Tier ist ein Mensch". Konklusion: "Alle Schweizer Käse sind Käse mit Löchern/Alle Menschen sind vernunftbegabte Tiere."

Das ist immer noch vage, weil man nach einem einzigen durchlöcherten Käse, der einem dann als "Schweizer" vorgestellt wird, vielleicht noch nicht darauf schließen wird (oder darf), daß alle Schweizer Käse Löcher haben. Andererseits wird die Aussage "Ein Käse ohne Löcher ist kein Schweizer Käse" so lange aufrechterhalten, bis man einen Schweizer Käse ohne Löcher findet, was bestenfalls unwahrscheinlich ist. Es ist mir natürlich auch klar, daß die Induktion auf diese Art nicht immer und überall funktioniert.

Mann, das ist viel länger geworden, als ich wollte... Aber, wie Du selbst sagtest: Ich liebe die Logik!

Schreib' mir unbedingt zurück, wenn ich hier irgendwo einen groben Fehler begangen habe (natürlich auch sonst). Wenn's zu lang wird, kannst Du auch gerne über mein Profil auf "am römsten" mich direkt anmailen, dann spammen wir nicht meine Combox zu.

Mcp said...

Nein, Du hast natürlich recht. Meine Beispiele waren reine Satire. Meine Aussage vom Widerspruch als einzigem Beweismittel war etwas kühn. Das wollte ich nicht so direkt zugeben. :)

Trotzdem gibt es gegen jede Beweismethode Vorbehalte. Gegen die Induktion spricht das Induktionsproblem. Die Deduktion bedarf unbeweisbarer Prämissen, die sich meist auf den gesunden Menschenverstand berufen. Der aber kann bekanntlich irren. Die Scholastik bietet dafür zahlreiche bizarre Beispiele, obwohl ich ein großer Fan ihrer logischen Strenge bin.

(Damals war es noch üblich jede These mit der ausführlichen Darstellung der Antithesen zu beginnen. Wer das nicht tat, machte sich unglaubwürdig. Ich habe großen Respekt vor den denkerischen Fähigkeiten unserer Vorvordern. Heute ist das Totschweigen wissenschaftlicher Antithesen hingegen sehr beliebt. Man beachte die „Klimadebatte“, die keine ist. Aber das nur am Rande.)

Hinzu kommt das Gettier-Problem und die Arbeiten von Gödel (Unvollständigkeitssätze). Alles Probleme der modernen Logik, die nahelegen, dass sich eigentlich gar nichts beweisen lässt. Ich übertreibe.

(Aber Gottes Wege sind nicht ohne Grund unerforschlich und Descartes war ein Idiot. [Man sollte den Franzosen das philosophieren überhaupt verbieten.] Ich werde, wenn ich Zeit finde, die Unerforschlichkeit göttlicher Wege anhand aktueller wissenschaftlicher Beispiele begründen. Das Opus Dei hat dazu mal ein schönes Seminar abgehalten. Stichwort Quantenphysik.)

Das Einzige, was in der Logik definitiv ausgeschlossen ist, ist der Widerspruch. Hat man einen Widerspruch gefunden, ist der Beweis erbracht, dass eine Aussage fasch ist. Nach Popper kann man Aussagen nicht verifizieren, sondern nur falsifizieren, was nach meiner Ansicht nur eine erweiterte Formulierung des Induktionsproblems ist. Daher meine Aussage, dass der Widerspruch das einzige sichere Beweismittel (nämlich die Falsifikation) ist. Aber natürlich weiß ich, dass es hierzu auch gegenteilige Ansichten gibt.

Aber wenigstens sind alle Schwäne weiß. :)