Karwoche, Triduum und Osteroktav im Stift bedeuten immer auch ein Abgeschnittensein vom Krach, ein Wegtreten von der Demarkationslinie hinein in das Sanktuarium, die plötzliche Rückkehr der Stille, die sich dann wieder auflöst und anschwillt zum heiligsten Lärm, der einmal vorhangzerfetzend und ein anderes Mal soldatenniederwerfend die Welt zerspringen läßt und schließlich - als vom Herrn gemachter Tag besungen - langsam ausklingt.
Am Gründonnerstag - nach der Feier der Einsetzung der Eucharistie - prosten wir Jüngeren uns immer mit einem winzigen Glas Sekt zu. Wie ein Mitbruder es formuliert: "Glückwunsch Leute! Heute hat der Chef die Firma gegründet!"
Am Karfreitag folgt am frühen Nachmittag der Kreuzweg, der in unserer schönen Stiftskirche, die über den Durchgängen zwischen den Seitanaltären riesige Kreuzwegbilder hat, sehr intensiv ist. Die Kirche ist zu diesem Anlaß schon immer recht gut besucht. Ich hatte in diesem Jahr das Gefühl, als seien mehr Leute da gewesen als je zuvor in den letzten fünf Jahren. Abends dann die Karfreitagsliturgie mit Kreuzverehrung. Unser Herr Prälat singt in der Passion immer den Christus, und er macht das ausgesprochen gut. Er hat eine schöne Stimme, die geziemend melancholisch klingt, ohne zu dramatisieren. Nach der Karfreitagsliturgie verpufft die Chorherrenwolke und bis zur Osternacht schleichen dann außerhalb der Gebetszeiten nur noch vereinzelt schweigende Schatten durch die Gänge. Aus den Zimmern erklingen diverse Passionen und ich wundere mich immer wieder, warum die Sonne eigentlich scheint.
Die Osternacht macht dann alles wieder frei und rein. Das Unerhörte, dem doch die ganze Welt zu lauschen hat. Resurrexit, sicut dixit, alleluja. Oder, wie wir es traditionell beim Auszug singen: "Er ist erstanden von dem Tod, Freu dich, Maria! Wie er gesagt, der wahre Gott. Halleluja."
Als Sahnehäubchen mit kandierter Kirsche obendrauf folgt dann am Ostersonntag ein donnerndes Pontifikalamt, welches mir so gut gefällt, weil ich jedes Jahr aufs Neue spüre, daß die Orchesterklänge, das Orgelgedröhne, die Weihrauchschwaden, das "Victimae paschali laudes" im Kreuzgang, die Prozessionen und überhaupt all die kleinen und großen Fein- und Grobheiten für mich persönlich so gar nichts mit billigem Triumph-Geschepper zu tun haben sondern sehr viel mehr mit kostbarer Erlöstseins-Freude.
Was mir täglich in der Heiligen Messe die Kraft gibt, voranzuschreiten, das verleiht mir regelmäßig einmal im Jahr zu Ostern die Gewißheit, daß alles viel viel viel viel kühler gegessen als gekocht wird. Ein Mixa hier, ein Williamson dort, ein Kondom, ein Atheistenbus, 'provozierende' Kunst, ein wenig zuviel Stolz auf offenen Dissens, ein wenig zuviel Feigheit im täglichen Katholikendasein, grölender Säkularismus, schmieriger Klerikalismus, jammernder Laizismus: Alles geschenkt.
Nur auf IHN kommt es an.
Wer die Kirche annehmen oder ablehnen will, der muß zuerst Christus annehmen oder ablehnen. Wer Christus annehmen will, dem kann geholfen werden. Wer Christus ablehnen will, der sollte besser einen verdammt guten Grund haben (nicht, daß dieser Grund eine Rechtfertigung oder Hilfe ist, aber das Wortspiel war zu verlockend).
3 days ago
3 comments:
Was ist aber, wenn man merkt (oder zu merken meint), dass diese heutige Institution Kirche eine Wendung der Aussagen Jesu um 180° ist?
Ich meine, wollte Jesus wirklich einen Apparat, der willkürlich komisch erscheinende Frauen verbrennt? Wollte er wirklich einen territorialen Staat ("Mein Reich ist nicht von dieser Welt")?
Ich bin selbst Katholik, Messdiener, Lektor und Jugendleiter in unserer Gemeinde, aber das, was heute Kirche ist, ist das die Umsetzung der Verkündung des Reiches Gottes?
Grundsätzlich tue ich mich ziemlich schwer mit "Was wollte Jesus wirklich"-Spekulationen über die Kirche. Aber sei's drum.
Jesus hat sicherlich nicht "aus Versehen" ausgerechnet die impulsive Fettnäpchensuchmaschine Petrus zum "Felsen" erkoren. Als Schöpfer allen Lebens weiß er um unsere Limitationen.
Mt 28.19-20: "So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe." Dies tut die Kirche auch heute. Daß dabei oft auch allzu Menschliches im Spiel ist, darf nicht verwundern und schon gar nicht trennen.
Man kann der "heutigen Institution Kirche" übrigens schwerlich nachsagen, daß sie "komisch erscheinende Frauen verbrennt". Das war einmal und das war eine fürchterliche Zeit. Aber wir sollten - bei aller gebotenen Aufmerksamkeit der Vergangenheit gegenüber - nicht unser irdisch-kirchliches Dasein mit Herumstochern in diesen Wunden verbringen.
Das, was heute Kirche ist, kann nur Umsetzung der Verkündigung des Reiches Gottes sein, wenn die Leute sich nicht zu fein sind für die Sünden der Kirche und sich für das Erhalten der (ebenfalls von Jesus geforderten) Einheit trotz Fehlern in der Kirche stark machen. Wenn jeder seine eigene "Ich find' aber, daß Christus das anders gemeint hat"-Kirche eröffnet, stehen wir bald noch übler da.
Fettnäpchensuchmaschine... sehr gut! :D
"Dies tut die Kirche auch heute. Daß dabei oft auch allzu Menschliches im Spiel ist, darf nicht verwundern und schon gar nicht trennen."Dem kann ich auch zustimmen. Aber warum glaubte die Kirche, die Menschen zum Beispiel vor gefährlichen Büchern schützen zu müssen, etwa durch den Index librorum prohibitorum. Dazu habe ich noch nichts gelesen, was mich von dessen Notwendigkeit überzeugen könnte bzw. durch die Evangelien gerechtfertigt sein könnte.
Man kann der "heutigen Institution Kirche" übrigens schwerlich nachsagen, daß sie "komisch erscheinende Frauen verbrennt". ... mit Herumstochern in diesen Wunden verbringen.Richtig, aber ich bin der Auffassung, dass man diese Geschichte ehrlich aufarbeiten sollte, was in letzten Jahren auch teilweise geschehen ist. *lob*
Liebe Grüße
Florian
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