Monday, November 24, 2008

Schnarch

Pornographie ist langweilig. Deswegen wird sie häufig mit 'Religion' vermischt, um ein besonderes Level der 'Gewagtheit' zu erreichen, um einem spießbürgerlichen Vergnügen einen subersiven Unterton zu verleihen, um einer lahmen Routine einen provozierenden Thrill anzuheften, um dem biederen Familienvater, der knallharten SM-Maid oder dem verpickelten Oberprimaner eine den Sündenfall zeitgleich mit dem Begehen schon auflösende 'ad hominem'-Exkulpation anzubieten ("Mönche, Nonnen, Kardinäle und Päpste haben es so doll getrieben? Na, dann darf ich ja wohl auch!").


Bereits im Juli vergangenen Jahres fand in Mailand die Ausstellung 'Arte e Omosessualita' (Kunst und Homosexualität) statt. Dort wollte der Mailänder Paolo Schmidlin auch seine Skulptur "Miss Kitty" ausstellen. Dies gestaltete sich einigermaßen schwierig. "Miss Kitty" ist ein älterer Herr, der eine blonde Perücke, eine Stola und Reizwäsche trägt und sonst garnix. Gähn, werdet ihr sagen. Zurecht. Jedoch: "Miss Kitty" ist niemand anderes als Papst Benedikt XVI. Oooooh! Die Frechheit! Die Größe! Die Tiefe! Die Kunst! Ja, genau. Das Thema ist hier natürlich völlig verfehlt. "Miss Kitty" hat mit Kunst ebensoviel zu tun wie der Papst mit Homosexualität. Wer das Werk sehen will, ergoogele es sich selber. Ich habe keine Lust, mein Blog damit zu besudeln.

Jedenfalls: Die Rechtfertigungen für die Ausstellung klingen, wie so etwas eben zu klingen hat:
    "Die Ausstellung gibt Künstlern Raum, die homosexuelle Ästhetik in einer grellen, stolzen Art mit einigen unvermeidlichen Provokationen zeigen wollen."

    "Die Künstler gebrauchen homoerotische Liebe als ein Hilfsmittel, um kontroverse Unterscheidungen zwischen Kunst, Erotik und Pornographie einzureißen."
Was immer man mit der Ausstellung zu erreichen hoffte: Eine Rechnung ging natürlich voll auf. Die "Anti Diffamation League" drohte mit Klage wegen der Verleumdung eines Staatsoberhauptes. Prompt war der Trubel da. Einer ursprünglichen Heraufsetzung des Mindestalters für Besucher auf 18 Jahre folgte eine Überlegung über eine Rücknahme des Schmidlin-Werks von der Ausstellung. Beide Lösungen schienen nicht so richtig befriedigend, und Kurator Viola wollte sich wohl auch nur bedingt reinreden lassen. Also kam es zu dem eigenartigen Fall, daß Kulturattaché Sgarbi das Werk kaufte und von der Ausstellung abzog. "Ich behalte das Werk für mich, damit ich dem Papst den Anstand wiedergeben kann, den er verdient", lautete die Begründung. Alles schön und gut.

Allerdings gibt es ein Problem: Im Museum wäre das Werk einem gemischten Publikum ausgesetzt gewesen, welches es zum Teil befürwortet und zum Teil abgelehnt hätte. Da wäre es wahrscheinlich im Museum zu Diskussionen und Auseinandersetzungen gekommen, die nicht unbedingt hätten fruchtbar sein müssen, die aber immerhin der einen Seite gleich vor Ort gezeigt hätten, daß es auch die andere Seite gibt. Da "Miss Kitty" aber nun in Sgarbis Keller (hoffe ich zumindest) steht, ist das Werk ein Phantom, welches einem ideologischen Streit Treibstoff verleiht. Denn selbstverständlich stand die gesamte italienische Schwulenbewegung umgehend Kopf, wegen Zensur und Theokratie und Verfolgung und so weiter. In den einschlägigen Blogs und Online-Magazinen wurde so getan, als habe ein erzkatholischer Mob mit Mollies und Heugabeln in der Hand dem Kurator die Wahl zwischen Abzug des Werkes und Niederbrennen des Museums gelassen. Auf der anderen Seite vermitteln katholische Blogger den Eindruck, als sei 'Arte e Omosessualita' nichts weiter als eine geschickt lancierte Attacke wildgewordener Schwuler auf die Heilige Mutter Kirche. Beide Positionen sind natürlich Humbug. Der eigentliche Punkt - zumindest für mich - ist die Kunstfrage. Hätte "Miss Kitty" ein Otto-Normal-Gesicht, interessierte die Skulptur nicht einmal die Toten. Aber - Pornographie ist langweilig - mit ein wenig (oder in diesem Fall etwas mehr) Religion gewürzt, wird es schon ein Top-Seller, oder wenigstens dem Künstler zu einem gewissen Ruhm verhelfen. Schmidlin wußte natürlich, daß er viele Katholiken gegen sich aufbringt. Aber er wußte auch, daß genau das die Masche ist, um erstens bei einer gewissen In-Crowd in gutem Ansehen zu stehen und zweitens seinen Namen plötzlich in 36 statt 12 Punkt lesen zu können.

1 comment:

Tiberius said...

Du hast Recht! Es ist einfaltslos und langweilig, im Grunde sogar lächerlich.

Der öffentliche Aufschrei wird von vielen Katholiken überbewertet:

Zum einen, bedarf es keiner öffentlichen Kampagne, um zu erkennen, daß einfachste Umgangsformen im Namen der Kunst verletzt wurden.

Zum anderen, dient der öffentliche Aufschrei nur dem Provokateur, nicht aber der Sendung, die eine Sache der persönlichen und unmittelbaren Begegnung bleibt.