Eine Dame aus Polen - praktizierende und fromme Katholikin - zieht wegen eines neuen Jobs nach Deutschland. Sie beherrscht die Sprache nicht so gut und läßt sich beim Ausfüllen diverser Dokumente helfen. Irgendjemand steckt Ihr, daß es einen steuerlichen Vorteil bringt, sich "offiziell" nicht zu einer der Großkirchen zu bekennen, für die der Staat die Mometen einzieht. Sie nickt freudig und geht heim. Einige Monate später trudelt bei ihrem Heimatpfarrer ein Brief der deutschen Diözese ein, der die Dame nun angehört. Der Pfarrer entnimmt dem Brief, daß die Dame sich von der Kirche losgesagt hat.
Ein getaufter österreichischer Katholik empört sich über die Skandale im Priesterseminar St. Pölten und will mit der Kirche erst einmal nichts mehr zu tun haben, obwohl er seinem katholischen Glauben weiter anhängt. Er tritt aus. Zwei Tage später kippt er tot um. Ein katholisches Begräbnis wird ihm verweigert, weil man seine Entscheidung, nicht mehr zur Kirche zu gehören, respektieren will.
Ein katholisch getauftes deutsches Mädel flitzt aufs Amt und tritt aus der Kirche aus, weil sie keine Katholikin, ja noch nicht einmal mehr Christin sein will.
Nicht, daß ich glaube, die Kirche in Deutschland hätte zum momentanen Zeitpunkt ohne die Kirchensteuer eine Überlebenschance. Aber es wurmt mich schon, daß seit Jahrzehnten die Leute glauben, ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Katholiken hänge von einer Steuer und nicht von der Taufe ab. Klar, die Geschichte wird ja auch sehr nebulös kommuniziert. Die Leute sagen "Ich will austreten" und meinen in der Regel "Ich will euch nicht mehr meine Kohle nachwerfen" und nicht "Ich will wirklich und ehrlich nicht mehr zu euch gehören". Wo die Kirche aufgrund des monetären Liebesentzugs eine totale Abwendung vom katholischen Glauben sieht, findet man häufig genug Menschen, die sehr wohl noch gerne in den Genuß der Sakramente kämen, wenn es ihnen denn gestattet wäre.
Nicht nur durch die Steuer sondern auch durch z.B. den Religionsunterreicht wird ja im Grunde Mittelmäßigkeit (um es vorsichtig zu formulieren) nicht nur nicht verhindert, sondern ermöglicht. "Wir kriegen unser Geld ja eh." - "Um die Inhalte müssen wir uns nicht kümmern, wir haben ja die Religionslehrer." Mein explizit 'katholischer' Religionsunterricht war eine fade, katechismusfreie und gefährliche Mischung aus Identitätsraub, Beleuchtung von Problemen ohne Ausbreitung christlicher Lösungsansätze und Gutmenschen-Training ohne Aufzeigen von Grenzen.
Vor 250 Jahren war es für katholische Bischöfe ein Leichtes, wohlgenährt und seidenumhüllt in goldenen Kutschen übers Land zu schaukeln. Denn damals besaß die Kirche auch weltliche Macht oder zumindest eine halbe Welt an Grundbesitz. Das wirkt heute natürlich obszön, aber immerhin war damals eine gewisse Ehrlichkeit im Spiel. Die Bischöfe, deren Herz etwas zu sehr an weltlichen Dingen hing, machten wenigstens nicht nach draußen einen auf Bettelmönch, um dann hinter verschlossenen Türen rumzuvöllen (Eher umgekehrt: Manche Bischöfe ließen es in Ausübung ihres Amtes kräftig krachen und bewohnten auch nicht unspektakuläre Amtsräume, hatten aber als Schlafstätte manchmal eher eine Pritsche als ein duftig-weiches Himmelbett). Wenn man mit dem System der Kirchensteuer endlich aufräumte, dann kehrte in mehr als nur einem Sinn endlich wieder Ehrlichkeit ein. Wenn die Kirche von den Spenden ihrer Gläubigen lebt, dann müßten vielleicht viele Prälaten und Priester erst mal kleinere Brötchen backen. Aber der Verzicht auf 'eingetriebenes' Geld brächte erstens einen Gewinn an Ansehen und könnte zweitens diejenigen, die die Kirche wirklich lieben und in den Priestern - trotz all ihrer Felher - wirklich die in persona Christi capitis agierenden sehen zu Unterstützung nicht nur im materiellen Sinne bewegen.
Leichtfertige Worte und wirre Zukunftsmusik, ich weiß. Aber das mußte mal von der Seele. Ich mag die Kirchensteuer nicht. Und so sehr mir unsere Heilige Mutter als prunkiges Barocktheater mit glänzenden Priestern und schäumenden Zeremonien gefällt: Ich sähe sie lieber abgemagert aber fest im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, als vom Staate durchgefüttert und eingelullt.
3 days ago
9 comments:
Lieber Alipius,
du sprichst mir aus der Seele.
Ich würde für meine Priester auch Kartoffeln pflanzen und stricken lernen.
Philomena
Deinem tollen Artikel ist nichts hinzuzufügen.
Hallo Alipius!
Mir sprichst du auch aus der Seele. Ich weiß, dass sich mein gesichertes Leben als Priester in Deutschland komplett ändern würde ohne Kirchensteuer. Aber es würde der Kirche gut tun. Sie würde davon nicht untergehen. Und dafür würde ich auch gerne von der Hand in den Mund leben. Bzw. von den Kartoffeln, die Philomena für mich pflanzt....
Ein klares Jein!
Die Gefahr ist eben, daß die Kirche vor Ort (das heißt auch vor Bistum) eine Kirche der reichen Spender wird!
*grusel*
Meine sehr geehrten Herren Kleriker!
Ich bin entsetzt und muss mich wohl verlesen haben. Zweifelsohne legt Ihr eueren Hauptfocus auf die spirituelle Betrachtung der steuerlichen Gesamtsituation- das ist partiell auch gut so, jedoch in höchstem Maße einseitig.
Im Folgenden stelle ich mal ein paar Punkte zum Verhältnis von Staat,Kirche und Pecunia heraus:
1. Die Kirche(n) gehören zu den größten Arbeitgebern Europas- nicht, was die Umsätze, so doch, was die Anzahl der Beschäftigten vielerlei Konfession anbelangt.
2. Ein Großteil der sozialen/caritativen Aufgaben der Gesellschaft wird von den Kirchen geleistet. Das war auch traditionell so- historisch zweifelsfrei nachweisbar seit der Urkirche bis heute. Die gesamte abendländische Bildungsmaschinerie ist monastischen Ursprungs.
3. Die Kirchen unterscheiden nicht generell konfessionsgebunden, wem sie ihre Leistungen zukommen lassen. Natürlich ist sie gezwungen, im Einzelfall anders zu agieren, schon allein, um die Glaubwürdigkeit zu erhalten.
Auch in seelsorgerischer Hinsicht ist das so.
Des weiteren ist die Kirche Anlaufstelle für alle Menschen. " Kommt zu mir- die ihr mühselig und beladen seid.." Von Jesus Christus selbst haben wir- und speziell in der apostolischen Sukzession Ihr beide (!) den Auftrag zum caritativen Engagement zur Verbreitung des Evangeliums bekommen. Dessen war und ist sich die Kirche zu allen Zeiten bewusst, auch und gerade im prächtigen Barock- außereuropäisch, wie innereurpäisch. Hier seien die "reichen" Jesuiten unter Ignatius genannt, die maßgeblich die Gegenreformation und Missionierung vorwärts brachten. Um vorab einen finanziellen Re-Kontext zu liefern: Prachtbauten, wie Il Gesu und San Ignazio haben hier durchaus auch fördernd in der Sache gewirkt, und wir sollten dies folglich auch ganzheitlich als Teil der uns als Kirche übertragenen Mission betrachten.
Zu dieser Zeit gab es, wie im Artikel gefordert , noch keine staatliche "Eintreibung" eines Obulus Dei. Der Peterspfennig war und ist(!) eine mehr oder weniger freiwillige Zuwendung an den Vatikan.
Nun- auch in den Ländern hatten die Kirchen finanziellen Bedarf- den sie weitestgehen selbst durch rechtmäßigen Grund- und Pfründebesitz deckelten. Der Staat als solches war hier noch völlig außen vor.
Alipius erwähnt zurecht das reiche Vermögen, welches sich unsere Kirche angehäuft hatte. 1802/03 bemächtigte sich der Staat radikal und unrechtmäßig quasi dieses ganzen Vermögens. Günstigenfalls wurde es nicht zerstört, leider war das nicht überall so. Folglich hat sich ab diesem Zeitpunkt auch die weltliche Seite größte Schuld auf die Schultern geladen.
In den 1870ern wurde uns der Kirchenstaat im Risogimento völlig geraubt. Zweifelsohne leitete dies auch positive Entwicklungen ein.
Der Modus agendi freilich war indiskutabel. Der italienische Staat, hat hier, genauso wie das deutsche Reich die eigene Schuld anerkannt!!
Die Folge ware diverse Konkordate zur Wiedergutmachung und zur Reparation im allerwahrsten Sinne. Endlich wurden Kirchen nicht mehr als Ställe genutzt- die verbrannten Bücher blieben jedoch für immer Asche.
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Zurück zum Jetzt und Heute:
70% des Einkommens bezieht die Kirche aus Steuermitteln. Wenn mein Vorredner von der Besoldung des Klerus spricht, entringt sich mir ein kleines Lächeln, denn diese wird buchungstechnisch überhaupt nicht aus diesen Mitteln bestritten (abgesehen von den Bischöfen, die aber konkordatsgemäß direkt vom Staat besoldet werden). Für den ursprünglich autarken Unterhalt des übrigen, "niederen" Klerus existier(t)en schon immer die sogenannten Pfründestiftungen, von denen sich der Staat auch die Sahneschnittchen raubte. Dennoch gehen bis zum heutigen Tag die Erlöse der Pfründe (vornehmlich Pachtzinsen) an die Diözesen, die daraus die Besoldung vornehmen.
Soweit ein paar von vielen Hintergründen.
Ohne die Kirchensteuermittel bliebe den Kirchen nichts übrig, als ihre vielfältigsten Aufgaben im Schwarzer-Peter-Spiel an den Staat zurückzureichen. Davor hat dieser eine Heidenangst- es bedeutete unweigerlich den sozialen und finanziellen Bankrott des selben. Ein mächtiger Teil unseres Engagements beruht nämlich zusätzlich auf ehrenamtlicher Basis- das kann ich mir bei unseren Beamten analog nicht vorstellen.
Somit gibt es zur Erhebung der Kirchensteuer leider keine Alternativen- geistlichen Herren mit entsprechender Intention (s.o.) bleibt es überlassen, ihr Salär caritativ zu verwenden.
In der Hoffnung, ausnahmsweise mal auf den Saro....äh,... Schlips getreten zu sein,
Stegi
Thomas: Ich bleibe mal in der Theorie und sage: Ich habe natürlich die Hoffnung, daß eine Kirche, die auf die Kirchensteuer verzichtet, auch hardcore genug ist, um Leute nicht nur deswegen vorzuziehen, weil sie reiche Spender sind. Natürlich besteht die Gefahr, daß die Kirche, wenn sie keine Steuern mehr erhält, "gekauft" wird...
Stegi: Sicher ist das Ganze eine heikle Sache. Bei mir steht aber tatsächlich die, wie Du es nennst, spirituelle Betrachtung im Vordergrund. Der Staat ist natürlich happy, daß er die Kirche dafür bezahlen kann, ihm Arbeit im wohltätigen Bereich abzunehmen. Ich weiß aber nicht, wie lange man den Staat für geraubtes oder zerstörtes Kirchegut zur Kasse bitten kann. Es wäre doch ebenso nett, wenn der Staat nicht als Entschädigung für die Kirchen Geld einzieht, sondern wenn der Staat als Entschädigung sich verstärkt um wohltätige Dinge kümmert. Hieß es bisher 'Wir haben euch das Geld genommen, jetzt geben wir es bröckenweise zurück', so könnte es in Zukunft heißen 'Wir haben euch das Geld genommen, jetzt nehmen wir euch dafür auch etwas von euren Aufgaben ab'. Geld für wohltätige Zwecke und Menschen, die ehrenamtlich etwas tun wollen, wird es mit und ohne Kirchensteuer geben.
Ich sehe den direkten Zusammenhang zwischen karitativem Engagement des einzelnen Priesters und der Existenz der Kirchesteuer nicht. Möglicherweise werden Priester weniger finanzielle Hilfe leisten können, aber das wird sie nicht davon abhalten, in ihren Gemeinden christliches Verhalten einzufordern (vor allem, wenn sie - wie ich hoffe - mit gutem Beispeil vorangehen, wo sie eben können).
Ich bin absolut und vollkommen für Prachtbauten. Man sollte nicht vergessen, daß im "finsteren Mittelalter" die Kirchen die Anlaufstellen für Arme waren, die auch mal etwas Erhebendes sehen wollten. Die konnten schlecht in den Palast eines fürsten latschen und sagen 'Ich schau mich nur mal kurz um'. Bei einem eventuellen Deal über die Kirchensteuer würde ich auch schon darauf achten, daß der Staat bei der Erhaltung der besonders schönen und wertvollen Kirchenbauten finanziell kräftig mithilft.
Ich verstehe Deine Befürchtungen, aber ich sehe eben auch die von mir im Artikel angesprochenen Probleme.
Und, keine Panik, Du bist nicht auf's Sarockel getreten. Du hast lediglich einen Diskussionsbeitrag geleistet. Das sollte doch allemal gestattet sein ;-)
Alipious schrieb: ""Es wäre doch ebenso nett, wenn der Staat nicht als Entschädigung für die Kirchen Geld einzieht, sondern wenn der Staat als Entschädigung sich verstärkt um wohltätige Dinge kümmert""
Ein sehr interessantes, berechtigtes Konstrukt! Allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein dermaßen laizistisches Staatengebilde, wie wir es in allen Ländern Europas vorfinden, überhaupt die Kompetenz aufbringt, seelsorgerisch und sozial tätig zu sein. Vergessen wir nicht, dass die eine weltliche Komponente (Bsp. Pflege, Erziehung, Linderung von Armut und Not...)engstens mit der Sorge um das Seelenheil verknüpft ist, ja, das ganze Engagement der Kirche sich sogar aus letzterem heraus ergibt.
Der letzte abendländische Staat, der eindeutig beide Aspekte in die Tat umsetzte, war in der Tat der Kirchenstaat! Hier vereinte sich weltliche und göttliche Administration. Bedauerlicherweise gelang es der Kirche in ihrer Menschlichkeit und damit Fehlerbehaftung nicht immer, die rechte Balance zu wahren. Wir sehen, dass moderne Staaten caritative Aufgaben in erster Linie als Kostenstellen behandeln, siehe Pflegeproblematik.
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Es existiert ein Staat, in dem tatsächlich keine Kirchensteuer mehr erhoben wird, das Land der bedingungslosen Aufklärung und des "Humanismus"- Frankreich. Laizismus mit Modellcharakter.
Ich könnte nicht wirklich erkennen, dass dort die Situation allzu rosig wäre: Enorme soziale Probleme, leere, verfallene Kirchenbauten usw.
Moment mal!
Von "seelsorgerisch" war gar nicht die Rede. Das macht mal hübsch weiter die Kirche.
Und auch in anderen Staaten wird eine Kirchensteuer, so wie wir sie haben, nicht erhoben. Dort gibt es einen gewissen Prozentsatz, der durch irgendwelche Regelungen den Kirchen oder religiösen oder 'kultischen' Gemeinschaften zugute kommt (in Italien die berühmten "Ottomille"). Frankreich ist laizistisch. Da spielen Kirche und Staat in zwei ganz sauber getrennten Sandkästen. So etwas schwebt mir natülich auch nicht vor. Der Staat soll schon nicht so tun, als hätte er mit der Kirche gar nichts am Hut. Es sollte halt nur irgendwo einen Mittelweg zwischen dem französischen und dem Deutschen Modell geben.
Ich finde die Kirchensteuer gar nicht so schlecht. Wem die Kirche nichts wert ist oder wer gegen die inhaltliche Ausrichtung ist, der kann in Dtld. jederzeit austreten.
Das geht beim "Ottomille" schon mal nicht, dort zahlt man (bzw. der Staat unterstützt aus seinem Finanzhaushalt die verschiedenen Religionsgemeinschaften - die Bürger entscheiden nur an wen es geht), ob man will oder nicht, Mitglied ist oder nicht.
Da finde ich die deutsche Regelung schon klarer. Nur der zahlt Mitgliedsbeiträge, der auch Mitglied ist. Die Einführung einer allgemeinen Steuer für religiöse Zwecke mit dem Impetus, dass es sich nicht mehr "lohne" solle aus der Kirche auszutreten, hat für mich auch eine geringe Überzeugungskraft, weil dann entstehen doch erst recht die "Karteileichen" - es kostet ja schließlich nichts Mitglied zu sein.
Dass in der öffentlichen Wahrnehmung in Sachen Kirchensteuer einiges schief läuft und Religionsunterricht mitunter eine äußerst unterfordernde Sache sein kann, ist wohl unbestritten, aber kein Fehler der Kirchensteuer.
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