... will ich euch dann doch nicht vorenthalten:
Ich steige gestern um 14:30 ins Taxi um meine Reise nach Klosterneuburg anzutreten.
[Alle folgenden Dialoge fanden auf Italengleutsch statt]
Fahrer: "Wohin?"
Ich: "Fiumicino bitte."
Fahrer: "Internationaler Flug?"
Ich: "Ja, nach Österreich!"
Fahrer (Spitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger der Rechten zusammenführend und mir damit im Rückspiegel zufuchtelnd): "Aaaaaaah... Bella! Estarraich! Terminal B."
Ich: "Hmmm..."
Am Flughafen macht der brave und fixe Chauffeur um 15:00 punktgenau vor Terminal B halt. Ich spring raus und gurke in der Halle herum, bis ich die Monitore finde. Ich beginne, nach meinem Flug zu suchen: Alitalia AZ190 nach Wien, Abflug 16:30.
16:20 Frankfurt
16:25 Belgrad
16:35: Ankara
...
Ich haste zum Infostand, wo man mir kundtut, daß alle Alitalia-Flüge in Terminal A eingecheckt werden. Ich also zum Terminal A und rein in die Schlange. Nach 10 Minuten (15:20) bin ich dran.
Tusnelda (blondiert, mit 'Bitte keine blöden Fragen'-Augenaufschlag): "Wohin?"
Ich: "Wien."
Tusse: "Nö."
Ich: "Äh... Wie jetzt, 'nö'?"
Tuss: "Alle Flüge nach Wien müssen bei Air-One eingecheckt werden. Zwei Schalterreihen weiter."
Ich: "Großartig!"
15:27, menschenleerer Air-One-Schalter.
Tussnelda (gelangweilt, sich nur deswegen nicht die Nägel lackierend, weil die alte Schicht noch trocknet): "Wohin?"
Ich: "Wien, mit Alitalia um 16:30. Die haben mir gesagt ich soll hierhin kommen, obwohl sie ja eigentlich eigene Schalter haben und ich weiß halt auch nicht... so... genau?"
Tusse: "Wo ist denn Ihr Ausdruck vom E-Ticket?"
Ich: "Mein Drucker ist kaputt (Ist er wirklich). Aber in der Bestätigungs-Mail stand, daß es auch ohne geht."
Tuss: "Also ich finde hier keinen 16:30-Flug nach Wien. Überhaupt: Flüge nach Wien werden ja eigentlich alle in Terminal B bei Austrian Air eingecheckt."
Ich: "Aber ich fliege mit Alitalia und die haben gesagt ich soll hierhin kommen."
Tuss: "Sorry, aber da kann ich ihnen auch nicht helfen. Warum gehen sie nicht mal zur AustrianAir in Terminal B und prüfen das."
Ich: "Aber ich hab' doch bei Alitalia gebucht..."
Tuss: "Das passt schon alles, keine Panik."
Nix passt schon. Ich suche jetzt einen Internetzugang mit Drucker. Terminal A ist schon mal Sense. Also wieder rüber zu B. Der Nacken ist mittlerweile schweißnaß. In Terminal B finde ich tatsächlich gut versteckt im unteren Geschoß einen Computer mit Internetanschluß und Druckmöglichkeit. Ich also rein in meine eMail, die Bestätigung geöffnet und alles ausgedruckt, so daß ich es Schwarz auf Weiß habe und damit den Schalter-Schnecken vor der Nase herumfuchteln kann.
Also zurück zu A. Der Schweiß rinnt mittlerweile vom Nacken direkt durch bis in die Socken. Es ist bereits15:50 und ich muß bis spätestens 15:55 eingecheckt haben. Ich zum einzigen freien Alitalia-Schalter: Der für Rollstuhlfahrer.
Tusnelda (interessiert, leicht mitleidvolles Lächeln): "Kann ich Ihnen..."
Ich: "Wien, 16:30, Alitalia. Hilfe!"
Tusse: "Hä? Alitalia fliegt doch seit drei Tagen Wien gar nicht mehr an. Hat man Sie nicht telefonisch oder per eMail informiert, daß ihr Flug storniert ist?"
Ich (grenz-hysterisch): "Hehe! Nicht mehr? Seit drei Tagen? Hehe... Aber..., ich meine... Mama...?"
Tuss: "Ganz ruhig! Gehen sie rüber zum Alitalia-Ticket-Schalter, dort bucht man sie um auf den 20:00-Flug nach Wien."
Ich: "Puh! Okay, danke!"
Am Alitalia-Ticket-Schalter werde ich dann tatsächlich auf einen Austrian-Flug umgebucht, der um 20:00 nach Wien abfliegt.
Junge Dame (hilfsbereit, kompetent, lächelnd und schnell): "Gehen Sie jetzt zum Austrian-Schalter in Terminal B. Dort sagt man ihnen, wann das Einchecken beginnt."
Ich (erleichtert): "Danke!"
Draußen hat es mittlerweile zu regnen begonnen. Aber nicht irgendein Regen, sondern 'Ende der Welt'-Style. Ich stehe unter einem ca. 6 Meter hohen Dach, welches sich über dem gesamten Bürgersteig hinzieht und ungefähr 8 Meter weit hinausragt. Trotzdem bläst der Wind den Regen bis zu mir, der ich dicht gedrängt an der Gebäudewand stehe. Es gibt ungefähr 20 unbedachte Meter, die ich zurücklegen muß. Zuerst warte ich ein wenig, aber dann fällt mir ein, daß ich ja noch im Stift anrufen muß, damit man mich nicht um 18:15 abholt, sondern erst entsprechend später. Also riskiere ich den Spurt. Sind ja nur 20 Meter...
Wie frisch aus dem Swimming-Pool geschlüpft stolziere ich eine halbe Minute später in den Terminal A. Eine Spur von kleinen Pfützen und Bächlein hinterlassend schlage ich mich zum Austrian-Schalter durch.
Kerl (mit Fünftagebart und leichter 'Wie jetzt, Kundschaft?'-Attitüde): "Kann ich Ihnen behilflich sein?"
Ich: "Ja. Mein Alitalia-Flug nach Wien wurde gestrichen und jetzt hat man mich auf die 20:00-Maschine gebucht."
Kerl: "Aber der 20:00-Flug ist doch überbucht! Wie können die sie denn auf einen vollen Flug buchen? Da müssen sie um 18:00 wiederkommen, wenn der Check-in beginnt. Dann sehen wir mal, ob irgendjemand nicht kommt. Wenn ja, dann können Sie noch mit."
Ich (froh, daß meine Tränen in dem regennassen Gesicht nicht zu erkennen sind): "Zu gütig!"
Ich also erst mal raus und in einem Zug eine Lucky Strike weggesaugt. Dann zum Telefon, um in Klosterneuburg Alarm zu geben. Dann in die Flughafen-Bar und her mit dem Kaffe. Guter, starker, italienischer Kaffee mit einem Tupfer aufgeschäumter Milch obendrauf. Und jetzt ab an meinen Happy Place. Ich denke an kleine zwitschernde Vögel, an lichtdurchflutete flimmernde Barockkirchen, an gelb strahlende Rapsfelder, an entlaubte schneebedeckte Bäume, an Rosenduft, Glockengeläut, Bamberg und überhaupt an alles, was mich grinsen, lächeln oder lachen läßt. Und langsam, ganz langsam, verschwindet der rote Schleier, durch den ich während der letzten halben Stunde sah. Die Welt ist gut, das Leben ist schön und Gott weiß immer noch besser als jeder Mensch, wann ich einen Tritt in den Allerwertesten brauche.
Um 18:00 zurück zum Austrian-Air-Schalter, wo der Kerl mich nach schräg gegenüber zum Eincheck-Schalter schickt.
Junge Dame (freundlich und mit 'Alles wird gut'-Stimme und so gut wie akzentfreiem Deutsch): "Herr Müller? Ich habe sie schon erwartet. Offiziell kann ich ihnen erst um 19:15, nach Ende des Eicheckens, einen Platz in der Maschine zusagen. Aber ich sag jetzt schon mal: Es sieht sehr gut aus!"
Ich: "Juchei!"
Zurück in die Bar, um mir mit Cola, Club-Sandwich und Sudoku die Zeit zu vertreiben. Um 19:13 stehe ich hechelnd vor dem Schalter.
Junge Dame (mir schon mit der Gepäck-Manschette entgegenwedelnd): "Hat gekla-happt! Sie haben einen Platz!"
Ich: "Super! Ich muß noch schnell zu Hause anrufen, um die neue Ankunftszeit durchzugeben. Ist dafür noch Zeit?"
Junge Dame: "Dicke! Wir haben ein wenig Verspätung, also keine Panik."
Ich rufe also im Stift an und gebe Bescheid. Dann durch den Sicherheitscheck und zum Gate. Dort erweist sich, daß "ein wenig Verspätung" übersetzt eine stolze Stunde bedeutet, die sich dann auf 75 Minuten dehnt. Also heben wir um 21:15 ab. Ich sinke seufzend im Sitz zurück. Fast 5 Stunden Verspätung. Und ich fühle mich nur um circa 12 Jahre gealtert.
3 days ago
9 comments:
Du rauchst Lucky Strike? Ich hätte eigentlich Zigarre, zumindest aber Pfeife erwartet! ;)
Zigarre, aber nur zum Genuß.
Streßnikotin ist normalerweise NIL, aber die gibt's in Italien nicht, also Luckies.
1. Für den Leser wunderbar erzählt. Die Geschichte ähnelt in gewisser Weise einer von Herr Kishon [vgl. http://openfragments.blogspot.com/2006/05/rmische-prfekturen-kishons-humor.html]).
2. Inhaltlich riecht Ihr Erlebnis nach einem Fall der sog. ÜberbuchungsRL: http://www.recht-im-tourismus.de/Tipps/Befoerderung/BefFlugV.html.
3. Man könnte fast meinen, dass das geschilderte Erlebnis - gleichsam wie eine letzte Zusatzprüfung - der ersten Teilnahme an der Kapitelversammlung vorgeschalten wurde. Erstaunlich. LG PeterStein
Immer moch besser, als auf dem Rücken eines Esels nach Jerusa....äh... Klosterneuburg zu reisen zu müssen.
Wäre die Zugverbindung nicht sinnvoller?
Ihre schöne Geschichte, weckt Erinnerungen an ähnliche Erlebnisse.
Stegi: Ich fahre schon sehr gerne Zug, aber von Rom nach Wien dauert es ewig und kostet auch dreimal soviel.
mcp: Auch schon in Italien aud die Nase gefallen?
Das ist so gut geschrieben wie eine gelungene Satire. Nur schade, daß es die Wirklichkeit ist, die ja längst alle Satire überflüssig macht, weil sie einfach schlimmer ist.
Ich dachte, hier mal gelesen zu haben, dass Sie das Rauchen aufgegeben haben ... Aber trösten Sie sich: die Gesamtzahl aller Laster bleibt sich gleich (sagte vor vielen, vielen Jahren mal ein Theologieprofessor zu mir - und der sollte es eigentlich wissen).
Angekommen sind Sie aber dennoch ... und das ist die Hauptsache.
Viele Grüße und gute Heimkehr (hoffentlich weniger stressig)!
Naja... ich WOLLTE mit dem Rauchen aufhören und hab' mich einfach ein wenig unter Druck gesetzt, indem ich behauptete, aufgehört zu haben (So nach dem Motto: Jetzt gibt's kein zurück mehr...) ;-)
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