Sunday, October 26, 2008

Tiefer geht's nicht

Ich weiß, ich rege mich ja ständig auf und meckere rum. Aber was ich jetzt (erst) erfuhr, das schlägt mir den Kitt aus der Brille.

Einen ersten halben Herzstillstand versetzte mir Hagen Rether (um den es hier geht) bereits mit seinem im "Scheibenwischer" präsentierten Rückblick auf das Jahr 2007. Dachte ich bis zu diesem Zeitpunkt immer, Kabarett hätte wenigstens entfernt etwas mit Unterhaltung zu tun, wurde ich während der achtminütigen Islam-Apologetik-Show eines besseren belehrt: Offenbar genügt mittlerweile an den Haaren herbeigezogene Panikmache, serviert mit der patentierten Stefan Aust-Fleppe und dem schon unter Denkmalschutz stehenden Oberlehrer-Duktus des Klaus Bednarz. Nicht, daß das Publikum zu irgendeinem Zeitpunkt aus der Leichenstarre erwacht wäre: Applaus gab es einmal an der Stelle "Wir haben den Moslem so fest im Würgegriff, daß wir gar nicht merken, wie uns der Schäuble hintenrum das Grundgesetz aus der Tasche fingert". Allerdings wirkte dieser Applaus erzwungen, denn Rether trank nach dem Satz einen Schluck Wasser und sorgte so für einen Moment der Stille, der für das Publikum wohl so peinlich war, daß man sich kollektiv wahrscheinlich dachte 'Okay, klatschen wir halt mal, ist hoffentlich eh gleich vorbei'. Von den Schlüssen, die Rether zog, zündete kein einziger und dies nicht nur, weil sie nicht logisch waren, sondern weil der Kabarettist offenbar nur darauf baute, daß das Publikum sich gerne in die Tiefen des von ihm dargebotenen Obskurantismus hinabbegibt. Kostprobe?
    "Passagiermaschinen bombardieren, weil da Islamisten drin sind...? Hmm, kann man mal drüber nachdenken. Laß uns doch mal Magdeburg bombardieren, weil da Nazis sind!"
oder
    "Hendrik M. Broder hat mittlerweile kapituliert. Vor wem denn? Vor seiner türkischen Putzfrau?"
oder
    "Günther Wallraff will jetzt tatsächlich die 'satanischen Verse' in einer Moschee vorlesen. Das ist doch aber mal richtig spitzfindig Herr Wallraff. Das ist doch mal'n Held der Wallraff. Der Wallraff will Fundamentalisten kennenlernen? Dann soll er mal versuchen von Monthy Python 'Das Lben des Brian' im Kölner Dom vorzuführen! Da kann er Fundamentalisten kennenlernen." (Auch hier wieder Applaus, der aber nicht gilt, weil hervorgerufen durch tumben Anti-Katholizismus, also praktisch auf Knopfdruck erfolgend)
und dann, endlich und unvermeidlich
    "Der aktuelle Spiegel-Titel... schwarzer Hintergrund... 'Der Koran, das mächtigste Buch der Welt'. Und im Artikel steht dann, daß es nicht nur das mächtigste sondern auch das gefährlichste Buch der Welt ist. Wir hatten hier schon mal 'ne Zeit in Deutschland, wo man Bücher für gefährlich hielt. Das war aber vor 'nem braunen Hintergrund damals..."
Ja, das ist der Stand des heutigen (von Preisen übrigens überhäuften) "politischen Kabaretts". Aber alles geschenkt. Wenn Rether so empfindet und man ihm ein Forum gibt, warum sollte er es nicht nutzen.

Peinlich - um nicht zu sagen unterträglich - wird es aber, wenn man Rether bezüglich seiner Standhaftigkeit auf den Zahn fühlt. Damit meine ich nicht einmal, daß er während seiner Nummer ständig und immer mehr "Dialogbereitschaft" fordert, aber nicht den geringsten Hehl daraus macht, daß der nicht-islamische Dialogpartner gefälligst erst mal auf die von Rether gewünschte verschüchterte Duckmäusergröße zu schrumpfen habe. Dialog ja, aber bitte erst durch die moralische Waschstraße der sozialromantischen Multi-Kulti-Diktatur. Nein, der Tiefpunkt ist der Schlußsatz: "Wehe uns, wenn hier demnächst die Moscheen brennen! Dann will's wieder keiner gewesen sein!" Für sich alleine stehend ein Satz, den man natürlich nur unterschreiben kann.

Doch dann sah ich gestern Rethers feinsinnige Abhandlung über Papst Benedikt XVI: Eine Lawine von ad hominem-Beschimpfungen und -Beleidigungen, irrational, unlogisch und uninformiert, wie man es von gestreamlinten, mit 68-er Milch großgezogenen "Freiheitskämpfern" gewohnt ist. Details will und muß ich Euch ersparen. Es ist einfach zu eklig. Interessant wird es aber gegen Ende, wenn es heißt:
    "Irgendso'n afrikanischer Stammesfürst wird sich schon finden, der ihn (den Papst) 'nen Kopf kürzer machen will, weil sein halber Stamm an Aids krepieren mußte die letzen 20 Jahre. Oder irgendein Befreiungstheologe, den der vernichtet hat, der Ratzinger. Oder irgend 'ne Frau die krepiert ist fast an ihrer Abtreibung..."
Interessant:
    ""Wehe uns, wenn hier demnächst die Moscheen brennen! Dann will's wieder keiner gewesen sein!"
Dies aus dem Mund des Mannes, der eiskalt nicht nur Verständnis für einen Mord aufbringt, sondern schon fast indirekt dazu aufruft. Widerlich.

3 comments:

Elsa Laska said...

Rether ist mir auch schon aufgefallen, und zwar irgendwie auch abstoßenderweise - obwohl es gar nicht um Religionen ging, sondern um Fleischverzehr, aber is egal, vielleicht muss man ihn anders hören und sehen, so als Art Satire auf die Satire, also die Meta-Metaebene, dachte ich mir halt noch ... *gg*

Anonymous said...

Ein Kennzeichen dieses „Kabarettisten“ ist eine, aus diversen Filmen bekannte, stilisierte Nazi-Armbinde, die statt des Hakenkreuzes auf weißem Grund, dort das Symbol des Arbeitsamtes zeigt. Wer in solch flachem Wasser watet, kann nimmer ersaufen. Der Mann ist die Aufregung nicht wert, egal wie viele Fernsehpreise er künftig abfasst.

Anzumerken bleibt noch, dass die Leute, die mit großer Lippe über den Katholizismus herziehen, keinen Hintern in der Hose haben, um dasselbe gegen den Islam zu wagen. Siehe Bittlinger. Die Katholen sind halt harmlos, von denen bekommt man sogar einen Katechismus geschenkt.

dilettantus in interrete said...

Also es ist ja alles schon dagewesen, aber er begeht die größte Sünde eines Kabarettisten: Er ist nicht komisch!