Da ist man mal ein paar Wochen nicht im Internet, sondern postet nur hin und wieder mal ein paar Sätzchen und Bildchen auf "am römsten" und schon hat man den Trend verpaßt!
Katechismus für ... , nein, nicht Käßmann, das war schon. Der Nachhilfebedarf (bzw. das Informationsvakuum) findet sich dieses Mal bei Clemens Bittlinger. Der ist nicht nur evangelischer Pfarrer sondern angeblich DER evangelische Liedermacher. Im Mai dieses Jahres hat er auf dem Katholikentag in Osnabrück einen Song zum besten gegeben, in welchem er es fertigbringt, alle antikatholischen, antiklerikalen und antipäpstlichen Klischees und Halbwahrheiten zu 08/15 Gitarro-Sülz mit menschelndem "Rolf und seine Freunde"-Duktus aufzulisten. Problem: Es war offenbar KEINE Satire.
Stattdessen war es eine Beleidigung des Heiligen Vaters, des gesunden Menschenverstandes und des an gepflegten 80er-Indie-Rock gewöhnten Ohres. Und ich liege grade bei übermäßiger Nacht-Hitze wach und hab Bock auf Mische. Also komm' her, Mensch, Clemens, du...
Die Geschichte ist natürlich auf so ziemlich allen anständigen Katholischen Battle-Blogs schon durch. Aber vielleicht gibt's ja unter meinen Lesern noch ein oder zwei, die noch nicht zu "Mensch, Benedikt" Tränen (aus welchem Grund auch immer) vergossen haben. Daher hier der Text des Liedes (alles [sic!]):
"Mensch Benedikt, ich würde gerne ein paar Schritte mit dir gehen, denn ich hätte zwei, drei Fragen und kann vieles nicht verstehn: Du bist Chef einer der Kirchen, du gehörst zum Christentum,..."
:: zehennägelaufrollspür ::
"... nun ich frag mich was hat folgendes mit Christus denn zu tun?
Du warst doch bei den Indianern in Lateinamerika, Du kennst die Missionsgeschichte und der Christen Größenwahn."
"Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen." (Offb. 5,9-10) Größenwahn? Wir lesen die Bibel nicht nur, wir glauben ihr auch.
"Wie kann einer da wie du vor den Indios stehn und behaupten ihre Väter hätten Christus still ersehnt."
Klaro: Die Indios wären natürlich lieber weiterhin ihrer Tradition verhaftet geblieben, um von feindlichen Stämmen gekidnapppt und bei Tempeleinweihungen zu Hunderten bei lebendigem Leibe entherzt zu werden. Immerhin gibt Bittlinger in einem Interview zu, den Augustinus-Zusammenhang ("... donec requiescat in te.") erkannt zu haben. Aber die Popularität, die Selbstgerechtheit und der rollende Rubel waren da wohl - echt christlich - das stärkere Motiv.
"Warum schmähst du andre Christen? Warum suchst du offen Streit und sagst: „Ihr seid keine Kirche, weil ihr fehlerhaft seid?“ Wer im Glashaus wirft mit Steinen endet schnell im Scherbenmeer und auch viele Katholiken decken diesen Stil nicht mehr.
Wer sucht denn hier offen Streit? Der Papst hat lediglich unterstrichen, daß Christus eine Kirche gegründet hat, seinen mystischen Leib, dessen Haupt er ist. Weggerannt sind damals schließlich diejenigen, die später in der Augsburger Konfession (Artikel 7) auch durchblicken ließen, tatsächlich eine Kirche, wie sie bis zu diesem Zeitpunkt verstanden und gelebt worden war, nicht zu wünschen, ergo aus Katholischer Sicht keine Kirche sein zu wollen, ergo keine Kirche zu sein.
"Mensch Benedikt, ich würde gerne ein paar Schritte mit dir gehen, denn ich hätte zwei, drei Fragen und kann vieles nicht verstehn: Du bist Chef einer der Kirchen, du gehörst zum Christentum...,"
:: zahnfleischsichlösenfühl ::
"... nun ich frag mich was hat folgendes mit Christus denn zu tun?
Du verbietest die Kondome auch den Armen dieser Welt, förderst damit AIDS Verbreitung, auch wenn dir das nicht gefällt."
Sorry, nicht nochmal. Der Drops ist gelutscht, und wenn Bittlinger es nicht wahrhaben will, bitte, dann nicht.
"Zwischendurch schaffst du die Vorhölle für ungetaufte Babies ab – hast du im Ernst davor geglaubt, dass der Herrgott so was hat?"
Geil, oder? Er schafft es nicht nur, die Pace zu halten, er wird Zeile um Zeile besser! Wenn der Papst eine ohnehin nie offizielle Kirchenlehre auf Eis legt, ist er der große Zampano, der nur "fiat" sagen muß und es passiert. Wenn der Papst versucht, die Matrix mit ein paar unangenehmen Wahrheiten über die Katholische Lehre aufzumischen, ist sein Wort einfach nur unzeitgemäßes Gelabere, welches bei den ganzen Aufgeklärten eh keine Frucht tragen wird.
"Und da wir, die armen Laien so wieso kaum was verstehn, hören wir demnächst lateinisch, wenn wir in die Messe gehn."
Jetzt neu! Nach jahrzehntelangem strengstem Verbot wird die lateinische Sprache - Dank sei Benedikt - endlich wieder in der Liturgie eingesetzt. Tröte. Ernsthaft: Merkt Ihr was? "Wir, die armen Laien"? Hatte ich nicht schon mal an anderer Stelle vermerkt, wie sympathisch mir Leute sind, die - anstatt Inhalte zu kommunizieren - sich selbstgefällig und marktschreierisch in einem diffusen Gefühl der Verletztheit und des Marginalisiertseis suhlen?
"Mensch Benedikt, ich würde gerne ein paar Schritte mit dir gehen, denn ich hätte zwei, drei Fragen und kann vieles nicht verstehn: Du bist Chef einer der Kirchen, du gehörst zum Christentum, ..."
:: hirnindieschuhetropfenspür ::
"... nun ich frag mich was hat folgendes mit Christus denn zu tun?
Jesus sagte: „‚das Reich Gottes bricht bald auf der Erde an!’ Leider kamen nur die Kirchen …“ Und der Kampf um Macht begann. Jener Priester, der das sagte, wurde exkommuniziert, denn in Rom und auch woanders wird man nicht gern demaskiert."
Jener Priester, Alfred Loisy, hat sich im 19. Jahrhundert nicht nur von der Kirche, sondern auch vom Christentum verabschiedet. Exkommuniziert hat er sich automatisch selbst. Blöd: Christus sagte auch: "Du bist Petrus..." Aber klar: Ohne Selektion und mit Tradition wäre Bittlinger heute entweder strammer Katholik oder mundtoter Protestant.
"Mensch Benedikt, ich würde gerne ein paar Schritte mit dir gehen, denn ich hätte zwei, drei Fragen und kann vieles nicht verstehn: Du bist Chef einer der Kirchen, du gehörst zum Christentum,..."
:: gleichgewichtssinnverlier ::
"... bitte sag mir, was hat dies und mehr mit Christus noch zu tun."
Nö, sagt er nicht. Ökumene macht Papa nur mit Kindern, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. Sorry.
Die kreative und nicht faule katholische Blogger-Szene hat bereits eine Seite eingerichtet, die es Bittlinger-mäßig so richtig krachen lässt. Auf
"Mensch Clemens" wird erstens der oben angesprochene Katechismus an den Mann gebracht. Zweitens haben Katholiken, die über den in "Mensch, Benedikt" verzapften Unsinn ähnlich entsetzt sind wie ich, die Möglichkeit, sich dort ein Banner runterzuladen, um mit stolzgeschwellter virtueller Brust ihre Verbundenheit mit dem Heiligen Vater und der Una Sancta zu demonstrieren. Schaust Du rechts in der Spalte!
Als Betthupferl hier noch ein Auszug aus dem Interview:
"Ich glaube Jesus wollte niemals den Apparat Kirche – weder katholisch noch evangelisch oder sonst wie. Wenn man die Evangelien liest, gewinnt man doch sehr schnell den Eindruck, dass Jesus mit seiner baldigen Wiederkunft gerechnet hat und mit ihm auch die ersten Christen."
Und hier wird es kriminell. Daß auf gut neuzeitliche Art die eigene Vermutung über das Bibelwort gestellt wird, ist bereits ein Klassiker. Daß aber Jesus "mit seiner baldigen Wiederkunft gerechnet" habe, schlägt dem Faß den Boden aus. Alles, was Gottsein bedeutet, ist im Vater. Alles, was Gottsein bedeutet, ist im Sohn. Alles, was Gottsein bedeutet, ist im Heiligen Geist. Soll ich nach Lektüre des Bittlinger-Satzes davon ausgehen, daß Christus - allwissend und allmächtig - mal einen kurzen Blackout geschoben hat, was den Zeitpunkt seiner Wiederkunft betrifft.
"Äh, sorry, ich hatte ursprünglich eigentlich mit übermorgen gerechnet, aber der Heilige Geist hat mich informiert, daß es vor 2008 wohl nicht hinhaut und Papi hat's auch bestätigt..."Traurige Pointe der Geschichte: Auf dem Katholikentag haben einige hundert "Katholiken" dem Barden angeblich Standing Ovations gegeben. Traurig nicht nur wegen der einigen hundert Messer in den Rücken des Heiligen Vaters, sondern auch und besonders wegen der entsetzlichen Uninformiertheit oder Gleichgültigkeit gegenüber dieser Papstkritik auf dumpfem Schenkelschlag-Niveau.
Unerfreuliche Geschichte. Gute Nebenwirkung: Ich habe jetzt abgeladen und fühle mich mal wieder so richtig freigemeckert.