Wednesday, June 10, 2009

"RUF MICH AHNNN...!"

So befahl es in den berühmt-berüchtigten, nachts auf privaten deutschen TV-Sendern geschalteten Telefonsex-Reklamen eine offenbar sehr bedürftige, grenzwertig dominante Maid dem leicht verwunderten Zuschauer. Drei Wochen später war mit Verwunderung schon Schluß, und das Gestöhne im Privatfernsehen war eher eine Art Hintergrundrauschen geworden, welches man nur noch wahrnahm, wenn irgendjemandem eine besonders belustigende Variante einfiel.

In meinem Grafiker-Job zu Düsseldorfer Zeiten haben wir irgendwann Schichtdienst eingeführt, weil die Kunden einfach so jenseits von Gut und Böse waren, daß sie uns nachmittags Arbeit für 12 Stunden schickten, die am nächsten Morgen fertig zu sein hatte. Also kam ich hin und wieder auch mal so gegen Mitternacht nach Hause, war aber nicht müde, sondern von der Arbeit noch ein wenig hektisch. Da habe ich mich dann gerne zum chillen mal noch für zwei Stunden vor die Glotze gehängt und einen Spätfilm oder Wiederholungen von ein paar albernen Serien gesehen. Leute! Was ich da in den Werbeblocks so alles zu Hören und zu Sehen bekam! Kann und darf man hier gar nicht wiederholen. Die Meisten werden's aber vielleicht eh kennen.

Ich persönlich fand mich jetzt gar nicht schräg angemacht oder peinlich berührt oder moralisch entflammt, wenn mir in den neuesten Telefonsex-Spots dürftigst bekleidete, junge Dinger surreale Befehle oder detaillierte Informationen über ihren hormonellen Zustand zujapsten. Ich fand's in der Regel immer schräg bis witzig, war mir aber auch darüber im Klaren, daß jeder, der auf diese Spots reinfiel, für sein Geld nicht viel bekäme (Ich sah vor meinem inneren Auge immer so die typische Telefon-Hetäre, die kaugummikauend mit auf den Tisch gelegten Füßen und zwischen Schulter und Ohr eingeklemmten Telefonhörer sich die Nägel lackiert und sowohl Interesse als auch Hornyness heuchelt). Da taten mir die Jungs, die solche Dienste in Anspruch nehmen müssen, schon immer ziemlich leid.

Naja, dann kam ganz schnell das Internet und hat so ziemlich alle meine Fragen über menschliche Gier, Dummheit und Rücksichtslosigkeit beantwortet.
    "Man kann sich jetzt den gesamten Inhalt des Internets bestellen. Auf 9257 CDs!"

    "Echt? Ist das nicht superteuer?"

    "Schon. Aber es gibt auch eine preiswertere Version. Acht CDs. Das ist dann aber nur der Internet-Inhalt ohne Porno- und Abzocker-Seiten..."
So lautet ein alter Gag, den ich vor zwei Jahren mal irgendwo gelesen habe.

Jetzt bin ich ja bei twitter und da bekomme ich fast täglich neue "Follower", die mir nichts weiter mitzuteilen haben, als daß sie ganz prima Bildmaterial von Britney Spears haben, welches zeigt, wie die junge Dame sich intensivst mit dem männlichen Körper im entkleideten Zustand auseinandersetzt. Kostet auch nur ein Schweindegeld und ist garantiert 'echt'.

Das muß nicht viel bedeuten. Aber irgendwie bedeutet es halt doch jede Menge. Im Privat-Fernsehen ist man jetzt soweit, daß man die Telefon-Stöhnerinnen offenbar vor die Kameras zerrt und sie im Rahmen irgendwelcher Phone-in "Quizshows" präsentiert. Da rufen Manni und Kalle doch gerne mal an. Gewinnchancen gleich "hättste wohl gerne", aber so lange die wohlgeformte Talent-Simulantin grenzhysterisch hin und her hopst und zeigt, was Mama ihr gegeben hat: Wen schert's! Leider rufen auch nicht selten Omis mit Schlafstörungen an, die glauben, sich die Rente ein wenig aufbessern zu können, stattdessen aber die Rente verzocken, weil sie nicht kapieren, wie teuer diese Anrufe sind und weil die Aussicht auf Gewinn so schön einleuchtend angepriesen wird.

In meiner Mailbox kommen immer wieder mal neben den üblichen "Leih mir Dein Konto und ich geb Dir 30% von 14,5 Millionen US$"-Abzocke Mails auch Panikmache-Botschaften an, die mir weismachen wollen, ich müßte doch bitte unbedingt meine Paypal-Kontoniformationen an die Adresse bauernfänger@nepp.org schicken. All dies ist mir so nachhaltig zuwider, daß ich mittlerweile der Meinung bin, daß nicht die Dummheit bestraft gehört (denn für die können viele Leute ja nunmal nichts), sondern der Versuch, die Dummheit so schamlos auszunutzen.

Klar: Im Leben klaffen Ideal und Wirklichkeit immer auseinander. Abzocke und das Ausnutzen von Doofheit und Geilheit ist älter als das Internet. Trotzdem bin ich nicht nur schwer enttäuscht über die oben beschriebenen Phänomene, sondern finde auch, daß alle, die sich aus der Anonymität des Internets heraus durch Lug und Trug bei Anderen bereichern, ziemliche Sackfratzen sind, für die man eigentlich auf Marktplätzen den Pranger wieder einführen sollte.

1 comment:

Elsa said...

Die SCHANDGEIGE, Baby, die SCHANDGEIGE :-)