Thursday, March 16, 2006

Weil's grad so Spaß macht...

... schieb ich hier gleich noch eine Ober-Pflicht-Scheibe hinterher:

1986 erschienen unter anderem solche Alben wie "Lifes Rich Pageant" von REM, "London: 0, Hull: 4" von den Housemartins, "Infected" von TheThe, "The Queen is dead" von The Smiths sowie die Debüt-Alben von Crowded House und Throwing Muses. Mit dem letztgenannten Hammer-Werk dicht auf den Fersen ist dennoch Strange Times von den Chameleons UK mein Favorit aus diesem Jahr.

Strange Times war das dritte (und bis 2001 auch letzte) Studio-Album der Chameleons UK. Das doofe "UK" muß übrigens ans Ende, weil es irgendwo in den USA offensichtich irgendeine Scheunen-Combo gibt, die den Namen "Chameleons" noch vor den Briten führte und dann einen Rechtsstreit gewann. Aber zurück zur Musik: Strange Times wird bei Online-Händlern oft unter "Goth" geführt, was aber ziemicher Quatsch ist. Okay, die ein oder andere Fledermaus fuhr wohl im Laufe der Jahre auch mal auf die Chams ab, aber die Jungs adressieren ganz eindeutig ein viel breiteres Publikum. Wer sich von dem grottoiden Cover von Strange Times nicht abschrecken läßt, dem stehen über siebzig Minuten Musik ins Haus, die zwar in den achtziger Jahren komponiert wurden und auch eindeutig durch die Produktion von David Allen (The Cure) deren Stempel tragen, aber irgendwie trotzdem zeitlos sind.

Die Platte startet mit Mad Jack, einem gehaltvollen Gitarren-Strudel ohne Schlagsahne, dafür aber mit erhöhter Ohrwurm-Gefahr. Danach perlt das überragende 6/8tel-Teil Caution los, zieht sich in seinen beinahe acht Minuten irgendwann vorsichtig zurück, stellt dann am Ende aber nochmal klar, wo die Wildkatze nistet. Tears, das dritte Stück des Albums, ist eine Gitarre/Stimme-Ode an einen verloren gegangenen Freund, die tatsächlich ihrem Titel alle Ehre macht. Es folgt Soul in Isolation, ein musikalisch und textlich äußerst leidenschaftliches Drum und Gitarre-Epos. Und grade, wenn man sich den Schweiß von der Stirne wischt und denkt "Mann, die verschießen ihr Pulver aber früh, wenn die gleich die besten und intensivsten Songs am Anfang der Platte bringen!" beginnt Swamp Thing mit einem Gitarren-Intro, nach welchem es eigentlich keine Gitarren-Intros mehr hätte geben dürfen. Und der Song selbst ist so gut, daß er eigentlich fünfmal hintereinander auf die Scheibe gehört hätte, damit man nicht ständig den "Zurück"-Pfeil auf der Fernbedienung drücken muß. Und gut geht es weiter. Sei es der Upbeat-Pop von Time, das mit tiefem Bass treibende In Answer oder das locker und flockig sechsachtelnde Childhood: Hit folgt auf Hit! Ich habe mir seinerzeit die Doppel-CD von Strange Times zugelegt. Auf der zweiten Scheibe findet man neben einer Cover-Version von Bowies Johnny, I'm only dancing auch eine mit Drums und Bass bestückte Alternativ-Version von Tears, die dem Song zwar ein wenig den melancholischen Touch raubt, ihm aber andererseits durch das monoton durchgezogene "Bumm-Klatsch-Bumm-Bumm-Klatsch" der Drums eine prima hypnotische Kante gibt.

Also: Wer die Platte nicht kennt und mal vorsichtig Tuchfühlung aufnehmen will, dem seien als Anspieltips Mad Jack, Caution, Tears und natürlich das unwiderstehliche, unverwechselbare, unglaubliche Swamp Thing ans Herz gelegt.

Probiert's mal aus!

1 comment:

Fandorin said...

Tears I oder Tears II. Wenige Dinge sind auf Erden schwerer zu entscheiden. (und nicht zu vergessen die leicht hilflose, und zu Herzen gehende, Simplizität von "Seriocity")...