Tuesday, March 07, 2006

Gedanken zum "Vandalismus" (Nachtrag)

Salü!

Nochmal zurück zum gestrigen Thema:

Mir ist heute noch etwas eingefallen. Ich habe die ganze Zeit von armen Bauern und reichen Aristokraten gesprochen und überhaupt nicht daran gedacht, daß diese beiden Arten von Menschen damals ja in vollkommen unterschiedlichen Welten gelebt haben. Ich meine, wenn man heute in eine etwas unterprivilegierte Familie hineingeboren wird, dann hat man's zwar auch nicht leicht, aber man kann mit Grips und Fleiß doch schon einigermaßen weit kommen. Das war damals natürlich für ein armes Bäuerlein nicht drin. Umgekehrt kann jemand, der heute ziemich reich ist, morgen arm auf der Straße sitzen, weil er sich bei riesigen Geschäften blöde angestellt hat oder vielleicht auch Pech hatte. Auch das war damals fast ausgeschlossen. Wer in eine Adelsfamilie hineingeboren wurde, der blieb auch dort. Und selbst verarmter Adel konnte trotzdem noch in schweindelerregender Höhe landen, wie das Beispiel des Francois Joachim de Bernis beweist. Der wurde zwar kurz vor Ende seines Lebens als 76-jähriger Greis, Kardinal und Botschafter Frankreichs beim Heiligen Stuhl in Rom von den französischen Revolutionären quasi aus der Ferne noch ruiniert, indem sie ihm sämtliche ihm aus der Heimat zufließenden Gehälter strichen und zudem seine gesamte mobile und immobile Habe in Frankreich einzogen oder zerstörten. Aber das war dann ja eben auch schon die "neue Zeit", in der es ganz pupsegal zu sein hatte, als wer man geboren worden war.

Was ich sagen will, ist, daß heute zwischen der Welt der Armen und der Welt der Reichen in unserer Gesellschaft viel mehr Berührungspunkte existieren. Wenn heute ein von Bafög lebender Student, der wirklich auf die Kohle gucken muß, einen 600er Benz sieht, dann mag er sich vielleicht denken: 'Das Teil werd' ich auch mal fahren'. Und es muß nicht unbedingt ein Traum bleiben. Wenn vor 250 Jahren ein Bauer eine schöne, vornehme Kutsche gesehen hat, dann hat er sich natürlich auch wünschen können, mal in so einem Gefährt daherzurollen. Aber er hätte gleichzeitig gewußt, daß es niemals in Erfüllung gehen wird. Leute, die heute arbeitslos sind und jeden Pfenning mehrere Male umdrehen, haben in der Regel trotzdem noch ein Fernsehgerät, welches ihnen die bunte Welt der Reichen und Schönen ins Wohnzimmer sendet. Wenn andererseits ein gut verdienender Mann heutzutage einen Bettler sieht und sich denkt. 'Mann, so will ich aber auf keinen Fall leben!", dann schwingt in diesem Statement manchmal vielleicht eine gewisse Portion Angst mit. Einem Adligen im vorrevolutionären Frankreich waren solche Horrorszenarien völlig fremd. Man war adlig und man blieb es.

Vor diesem Hintergrund tut sich natürlich noch eine einleuchtende Erklärung für den Vandalismus der Revolutionszeit auf: Ein Bauer, der im Schloß eines Aristokraten alles kurz und klein schlägt, macht sich über Dinge her, die ihm fremd sind, deren Wert er nicht kennt, die nicht von seiner Welt sind. Er ist ja nicht dazu erzogen worden, Schönheit hochzuschätzen, Überfluß zu genießen und eine besondere Lebensart zu kultivieren. Er ist zum Überleben erzogen worden. Und zum Überleben hat er Dinge wie kostbares Porzellan, seidene Tapeten oder vergoldete Möbel nie benötigt. Also wozu das Ganze? Schwupp, weg damit. Ich brauch's ja eh nicht. Und der Herr Marquis? Tja, der braucht's schon eher. Aber der wird natürlich nicht gefragt.

Und noch ein Gedanke: Nach den ersten (mehr oder weniger) spontanen Exzessen der späten Juli-/frühen Augusttage im Jahre 1789, nach der Abschaffung der Privilegien, nach der Erklärung der Menschenrechte, nach der Verstaatlichung der Kirchengüter ging das muntere Verwüsten, Plündern, Abbrennen und Einreißen von Kirchen, Klöstern, Palästen und Schlössern ja dennoch weiter, wurde von den neuen Machthabern oft mit System betrieben. Zudem wurden Königsdenkmäler zerschlagen, Adelswappen abmontiert, der Kalender erneuert und sogar Namen geändert ("Tach, Bürger Capet. Na, noch alle Zacken in der Krone?"). Warum dies? Möglicherweise waren die Revolutionäre von der einhundertprozentigen Richtigkeit ihrer Sache nicht so wirklich überzeugt und wollten tatsächlich sämtliche Spuren der Vergangenheit auslöschen, damit nicht irgendwann mal jemand in die Geschichtsbücher guckt und sagt: 'Hmmm... Also das und das und das auch hätte man ja eigentlich anders machen können. Und dies und jenes hätte man mal besser gelassen, wie es war. Und so etwas hätte man wirklich nicht tun sollen..."

Wer weiß, wer weiß, wer weiß?! Harte Zeiten, harte Sitten und ich glaube, ich höre ganz ganz viele Leute rufen: "Der Erfolg gibt Recht!"

Alles Liebe,
Alipius

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