Tuesday, July 01, 2008

Olé! - Ohje!

Olé!
Spanien ist Europameister. Dazu meinen ganz ehrlichen und ungeheuchelten Glückwunsch. Nachdem meine Favoriten bereits früh (Holland) und viel zu früh (Tschechien) ausgeschieden waren, galt meine heimliche Sympathie den Ibero-Kickern (weil sie einen gepflegten Ball schieben und weil ihr Trainer so obercool ist). Ich fand Deutschland auch nur begrenzt meisterhaft. Die einzigen wirklich höherklassigen Partien waren die gegen Portugal und gegen die Türkei. Letztere nicht wegen des Gesamteindrucks sondern wegen der Art, wie man rotzfrech vier Minuten nach der türkischen Führung ausglich und in der Schlußminute durch eine Superkombination den Sieg klarmachte. Auch das muß man erstmal hinkriegen. Das Spiel gegen die Spanier war aber leider zu grottig. Pech, vielleicht klappt's beim nächsten Mal.

Ich habe während dieser Meisterschaft die Spiele ja in Italien und in Österreich gesehen. Das ersparte mir einerseits die weinerlichen deutschen "Asche auf unser Haupt, wir sind so schlecht, Rumpelkick, Weltuntergang, Strick her"-Kommentare bei ZDF und ARD. Andererseits gestattete es einen Einblick in die Bewertung deutschsohliger Partien in anderen Ländern. Die italienischen Kommentatoren waren immer ganz aus dem Häuschen, wenn Deutschland halbwegs anständig spielte. Sie sparten nicht mit Lob und Begeisterung. Nach dem Portugal-Kick wurde Deutschland dann sogar kurzfristig als Favorit #1 gehandelt.

Die Österreicher andererseits... Naja, es ist ja bekannt, daß unter anderem auch im Sport der Blick beider Nationen auf den jeweils Anderen nicht durch überflüssige Harmoniesucht oder Liebesbezeugungen verkleistert wird. Dementsprechend die unverhohlene Freude über das deutsche Beinahe-Aus gegen die Türken und der zungenschnalzende Genuß der fiesen sportlichen Demontage durch die Spanier. Für das österreichische EM-Studio hatten sie irgendwo den Hansi Müller gefunden und vor die Kamera gezerrt. Der Arme hat dann ganz brav versucht, die deutsche Leistung gegen das türkische Team wenigstens ein kleines bißchen aus dem Tümpel zu ziehen, in welchen die beiden österreichischen Studio-Kommentatoren sie drückten. Keine Chance. Als beim Finale das 1:0 für Spanien fiel, wurde in Kloburg und Umgebung gejubelt, als sei bei einem Spiel der österreichischen Mannschaft ein Paß beim Mitspieler angekommen. Naja, Schadenfreude ist bekanntlich die schönste Freude.


Ohje!
Immerhin scheint es so, als seien die Österreicher den Spaniern nun auch über den Rasen hinaus zu Dank und Unterstützung verpflichtet: In der heutigen Ausgabe der "Presse" berichtet ein Artikel über die "rote Kirche" in Entrevías, einem Vorort von Madrid. Die Kirche San Carlos Borromeo wird im Volksmund "rot" genannt, weil Pfarrer Javier Baeza ("Javi") Junkies, Häftlinge und illegale Einwanderer betreut, in Jeans zelebriert und statt Hostien Brezeln und Krapfen verteilt. Sprich: Er nimmt eine hervorragende Idee und gibt ihr eine scheußliche Form. Das blieb natürlich auch Antonio María Rouco Varela nicht verborgen. Denn der ist Erzbischof von Madrid und somit Baezas Boss. Es kam also bald zum üblichen Szenario:
    Erzbischof an Pfarre: Talar an, Brezeln weg!
    Antwort der Pfarre: Gar nicht ignorieren.
    Reaktion des Erzbischofs: Licht aus, Kirche zu!
    Reaktion der Spanier: Protest!
Jetzt ist man bei der Presse natürlich nicht so naiv und erklärt den Sachverhalt einfach so, wie er sich kirchenrechtlich präsentiert (Randgruppenbetreuung gut. Kein Talar und keine Hostien ungut). Dann wäre der Artikel erstens bedeutend kürzer, zweitens bedeutend tränentrockener und drittens bedeutend unvoreingenommener. Da es aber gilt, eine durch Publikationen wie "profil" stramm auf das Konsumieren und Abnicken antikirchlicher Beiträge getrimmte Leserschaft dort zu packen, wo es weh tut (also auf Gefühlsebene) wird der Bericht mit ein paar kleinen aber feinen Tricks zu einem tendenziösen Schlachtengemälde des tapferen kleinen iberischen Dorfes mit seinem Helden Baezaix gegen das römische Imperium unter Kaiser Roucus Varelius aufgepeppt.

Schon optisch werden gleich mal klare Fronten geschaffen: Ein großes Bild präsentiert den Pfarrer. Ein sympathisches Pummelchen mit kariertem Hemd vor einer Wand mit Kindergemälden. Erzbischof Rouco Varela ist spaltenbreit abgebildet mit Kasel und Pallium (schauder: Uniform) und gefalteten Händen (grusel: Frömmigkeit). Über dem Foto liest man den Schriftzug: "Der Widersacher". Widersacher? Hä? Da besteht bei einem Pfarrer offenbar Lernbedarf bezüglich der kirchenrechtlich festgelegten Form der Liturgie. Und der Bischof, der diesen Pfarrer aufklärt und - nachdem keine Besserung zu erkennen ist - abstraft, ist der Widersacher? Na servus.

Der Artikel entlarvt sich und Pfarrer Baeza, wenn von den Gründen für die Talarlosigkeit und die breite Unterstützung in der Bevölkerung die Rede ist:
    "Eines Tages sagte ihm [Baeza] eines seiner Problemkinder: 'Ihr mit euren Meßgewändern gehört doch zu den Mächtigen, so wie der Polizist in der Uniform und der Richter im Talar'. Da zog sich Javi die Soutane aus und nie wieder an."

    "... Von da an wurde San Carlos zum Theme in den Hauptabendnachrichten. Tausende strömten jeden Sonntag zur Messe, weit mehr, als in dem Kirchlein Platz finden. Gläubige und Atheisten, linke und rechte Politiker..."
Ein paar Zeilen weiter wird dann ein Ex-Häftling zitiert:
    "Er [Baeza] hat mich fundamentale Werte des Lebens gelehrt, die mir mein Sozialarbeiter nie hätte vermitteln können."
Hier hakt die Geschichte: Wenn Baeza tatsächlich fundamentale Werte vermitteln kann und will, dann gehört er flugs wieder hinein in die Soutane. Denn (scharfe Analysen gesellschaftskritischer Problemkinder hin oder her) nur so kann er einen weiteren fundamentalen Wert glaubhaft vermitteln. Nämlich den, daß bei allen guten Taten es immer auch darauf ankommt, sich nicht eitel und medienwirksam der Welt anzugleichen, sondern gleichzeitig ganz und somit auch äußerlich ein Zeugnis für Christus abzulegen. Und wie kann man das in unserem säkularisierten und entklerikalisierten Europa besser tun, als in der Soutane? Wenn dann zu den sonntäglichen Happenings auch Atheisten aufkreuzen, gerät die Geschichte vollkommen aus den Fugen. Denn dann wird klar, daß es (bei allem guten Willen und all der guten Arbeit von Pfarrer Baeza) zumindest in der Öffentlichkeit um so ziemlich alles geht, nur nicht um die Einheit in Christus.

Die Pfarre ist übrigens vom Kardinal wieder geöffnet worden. Er hat sich dem öffentlichen Druck gebeugt und Baeza zum "Kaplan der Randständigen" ernannt. Schaun wir mal, ob Javi auch so flexibel ist und vielleicht als Zeichen der Versöhnung mal wieder in die Berufskleidung schlüpft und Hostien konsekriert.

2 comments:

Anonymous said...

Zu Olé: Eben erfuhr ich, daß einer der Titel des spanischen Königs Erzherzog von Österreich lautet, mithin die Österreicher auch EM-Sieger sind, wenigstens ein bißchen.
Zu Ohje!: Ein feiner Artikel fürwahr. Ich hoffe sehr, daß es zu einer wirklichen Versöhnung zwischen Baeza und dem Kardinal kommt. Dabei finde ich das Ablegen der Berufskleidung nicht so schrecklich - aber Brezeln und Krapfen? Du lieber Himmel.
Einen Einwand habe ich doch mal wieder. Du schreibst: "Und wie kann man das in unserem säkularisierten und entklerikalisierten Europa besser tun, als in der Soutane?" Ich behaupte: Nicht konsekrierte Christen (also z.B. auch Christinnen) können das genauso gut, nur auf z.T. andere Weise. Man kann nicht entscheiden, ob die Arbeit von Pfarrern oder die von Ärztinnen, Pflegern, Eltern, Lehrern, Schriftstellern, Straßenkehrern, Sängern… wichtiger ist - wenn wir doch alle brauchen.

Der Herr Alipius said...

Nicht konsekrierte Christen müssen es genausogut können. Aber sie sind nun mal nicht so leicht zu erkennen, wie ein Kleriker in Kluft. Und so, wie es die Aufgabe eines jeden Christen ist, die Frohe Botschaft zu verkünden und fundamentale Werte zu vermitteln, so ist es die Aufgabe eines jeden Klerikers, sich nicht beim ersten Geheul feige aus dem Talar zu schälen, sondern die Leute über gewisse Eigenheiten der Heiligen Katholischen Kirche aufzuklären, dem Geheul mit Vernunft und Glauben die Stirne zu bieten und am nächsten Tag wieder in Soutane und/oder Kollar aufzukreuzen.