"Non serviam!" -
"Ich werde nicht dienen!"So schrie Satan, als er sich entschied, daß eine Unterwerfung für ihn nicht in Frage kommt. Wohin ihn das gebracht hat, wissen wir. Er ist jetzt Fürst. Er gibt die Anweisungen. Er dient nicht, sondern lässt dienen. Es läuft also alles bestens für ihn.
Oder nicht?
Es drängt sich mir schon die Frage auf, ob es das wert war. Alle Autorität stammt von Gott. Ebenso alles Sein und mit dem Sein alles Gute, alles Wahre, alles Schöne und alles Eine. Wer heute auf einem Thron sitzt, wer heute eine Regierung leitet, wer heute über eine Firma, ein Heer, ein Team oder eine Familie herrscht und sich nicht ständig vor Augen ruft, wer der Urheber jeglicher Autorität ist, kann schnell in eine von zwei Fallen tappen: Er oder sie lassen entweder die Demut vermissen, die man zum vernünftigen Leiten braucht, weil er oder sie vergessen, sich im Urquell der Autorität zu spiegeln, um so ihre Kleinheit zu erkennen. Oder sie verzweifeln an der eigenen Kleinheit und verdrängen die Macht, weil sie nicht wissen, daß alles, was von Gott kommt, gut ist und er, wenn er uns Macht gibt, nicht will, daß wir sie verleugnen, sondern daß wir verantwortungsvoll von ihr Gebrauch machen.
Natürlich sieht es am Empfänger-Ende der Macht ähnlich aus: Hier gibt es Leute, die zu glauben scheinen, daß einem Machthaber mit dem Amt auch gleich eine verherrlichte Person geschenkt wurde. Diese Menschen verlieren somit das eigentliche Ziel aus den Augen und betreiben Personenkult, wo nüchterne Folgsamkeit genügte. Das kann denn soweit gehen, daß der Gehorsam ins Groteske wächst und schwere Schäden anrichtet. Oder wir finden Leute, die das Prinzip des Befehlens und Gehorsams als solches schon als eine Zumutung empfinden und pauschal jede Order hinterfragen, wenn nicht ablehnen. Dies nicht etwa, weil diese Order zweifelhaften Inhaltes wären, sondern einfach weil es Order sind.
Ich muß mich glücklicherweise mit der Machtausübung noch nicht herumplagen. Wenn ich einmal Gemeindepfarrer werden sollte, dann sieht es wahrscheinlich schon anders aus. Aber das ist erst einmal Zukunftsmusik. Dringender ist die Frage des Gehorsams, denn im August, so Gott will, werde ich meine Ewigen Ordensgelübde ablegen. An diesem Tage werde ich dann auch Gehorsam schwören. Sollte ich das? Kann ich das? Darf ich das?
Ja, ja und noch einmal ja.
Gehorsam ist nicht niedrig, er ist nicht eines Menschen unwürdig, er ist nicht anrüchig und nicht unkultiviert. Er ist nicht reserviert für Menschen, die eine bröcklige Persönlichkeit haben und die meiste Zeit geleitet werden müssen. Er ist, wenn man ihn von Gott ableitet und mit dem Rest der göttlichen Botschaft richtig versteht, heilsam und notwendig und dem Ungehorsam vorzuziehen.
Denn ebenso wie der falsch verstandene Gehorsam, vielleicht gar noch mehr, kann auch der Ungehorsam schwere Schäden anrichten. Sicher, er sieht irgendwie nach Freiheit aus. Aber wenn man näher herangeht, dann kann er ganz oft nach Selbsterhöhung und Schrankenlosigkeit stinken. Dann sagt er einem auf einmal gar nicht mehr:
"Sei nicht gehorsam. Tu nicht dies oder jenes" sondern
"Was fragst du mich? Ich habe auch keine Ahnung. Du bist jetzt dein eigener Herr, also mach einfach, was Du willst!"In solchen Situationen verliert sich der innere Kampf in hohlem Triumphgelächter. Dann gibt es kein Zureiten des natürlichen Appetits mehr, keinen Verzicht auf das schnelle Gute zugunsten des ferner liegenden aber länger anhaltenden Besseren. Hierin liegt die Erhabenheit echten und wahren Gehorsams: Es ist keine blöde Abtötung des eigenen Willens, sondern ein langsames aber stetiges Erheben des Geistes in andere, letztlich göttliche Regionen. Wer hat es uns denn vorgemacht, wenn nicht unser Herr, als er sagte:
"Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst." Es geht ja nicht um rein äußerliche Akte der Unterwerfung. Das kriegt jeder Hund hin. Es geht vor allem um die Zügel der inneren Bedürfnisse. Diese müssen in guten Händen liegen, damit die eigenen Wünsche nicht nur geopfert werden, sondern die so gewonnene Energie und Zeit tatsächlich zum Erreichen des größeren Zieles eingesetzt wird.
Für mich ist Gehorsam wirklich kein Problem. Allerdings nicht, weil ich ohne Weisungen nicht wüßte, wohin ich den nächsten Schritt lenken sollte. Aber als Mensch bin ich wirklich zu schwach oder zu feige oder mir selbst gegenüber zu unehrlich, als daß ich nicht ständig und immer wieder in die Versuchungs-Falle tappte. Da bin ich dankbar für einen Gott, der mir ein paar Leitplanken auf die Straße gestellt hat, für eine Kirche, in deren Licht diese Leitplanken Tag und Nacht bestens zu sehen sind und für eine Gemeinschaft, in der immer mindestens einer die Augen offen hat, um mir mal ein kurzes Wort der Warnung zuzurufen, wenn ich die Augen wieder überall habe, nur nicht auf dem Weg.
Aus dem Brief des Heiligen Apostels Paulus an die Philipper, Kapitel zwei, Verse 6 bis 8:
"Habt die Gesinnung in euch, die in Christus Jesus war. Er, der in Gottesgestalt war, erachtete sein gottgleiches Sein nicht für ein Gut, das er mit Gewalt festhalten sollte. Vielmehr entäußerte er sich, nahm Knechtsgestalt an und wurde den Menschen gleich. Er erschien im Äußeren als Mensch, erniedrigte sich und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze."
Hier findet sich eine der großen Lektionen des Kreuzes. Achtet den Gehorsam daher nicht gering. Und tut ihr es doch, so achtet auch euer Kreuz gering, reißt es von den Altären und Wänden und zertrampelt es auf dem Boden.
Es werden vielleicht einmal Augenblicke kommen, in denen mein Instinkt sich gegen Gehorsam wehrt. Dann werde ich aufs Kreuz schauen und wissen, daß Gehorsam weder niedrig noch gemein noch unwürdig ist. Denn ER war nicht niedrig, nicht gemein, nicht unwürdig. ER war und ist das Vorbild aller, die gehorchen.
Sollte es nicht zu denken geben, daß ER, der verlacht, verachtet und gekreuzigt wurde, weil er gehorsam war, über den herrscht, der ein eigenes Reich sein eigen nennen kann, weil er ungehorsam war?