1 week ago
Friday, February 15, 2008
"Le Gasque"
Unter diesem Namen ist dieser 1927er Rolls-Royce New Phantom Brougham de Ville bei seinen Fans bekannt. Denn gebaut wurde er für C.W. Gasque, Finanzdirektor von Woolworth America. Er wollte seiner Gattin, einer Verwandten des Woolworth-Clan, einen Wagen schenken, der "anders ist als der Rest und auch besser".
Der Auftrag ging an die Firma Clark in Wolverhampton, deren Chef Barnett völlig freie Hand bekam. Einzige Bedingung: Es sollte etwas "Französisches" herauskommen. Barnett brauchte erst einmal Inspiration. Im Voctoria & Albert Museum in Kensington sah er eine Sänfte, die Marie Antoinette gehört hatte. Nun konnte die Arbeit beginnen: Schnitzwerk aus London, Petite-point Stickereien aus Flandern, Deckenbemalung aus Frankreich, Silberwaren von Elkington & Co (die auch die Titanic ausstaffierten) usw.
Der fertige Wagen soll dann 6.000 Pfund gekostet haben, was angeblich einem heutigen Wert von ca. einer Million US-Dollar entspricht.
Wie Ihr oben seht, kommt der Prunkschlitten von außen betrachtet noch recht handelsüblich daher. Der Eindruck ändert sich gleich, wenn man mal ein Türchen öffnet:
Das sieht schon eher aus wie eine Rokoko-Kutsche. Und dann erst das Innere:
Ein Lustschlößchen auf Rädern, völlig überdreht und für die Meisten wahrscheinlich schon weit jenseits der Geschmacksgrenze. Ich werde da mal gnädig drüber hinwegsehen und nur anmerken, daß sich hier einer der großen Vorteile des Barock und Rokoko zeigt: Man kann auch den kleinsten Raum noch enstsprechend ausstaffieren. Fans der Romanik könnten sich nie einen Rolls bauen lassen, weil dieser schon die Ausmaße eines Domes bräuchte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Hier die Decke:
Totaler Grusel? Dann solltet Ihr Euch das letzte Bild gar nicht erst anschauen. Es zeigt mein Lieblingsdetail:
Ein ultra-athletischer Putto, der in theatralischer Pose mal eben einhändig eine Riesenuhr stemmt.
Zugegeben: Eine Million für einen Rolls ist etwas schweinig. Andererseits wurde hier natürlich nicht nur ein Automobil, sondern ein Kunstwerk geschaffen. Und da muß ich dann gleich an dreistellige Millionenbeträge denken, die über die Theke gehen, wenn irgendwo ein wenig Öl auf Leinwand versteigert wird.
Der Wagen gehört heute angeblich "irgendjemandem in Russland". Diese Formulierung jagt mir natürlich gleich Angstschauer über den Rücken. Ich hoffe, daß dieser "Irgendjemand" erkennt, was er da besitzt. Ich hoffe dazu, daß der Wagen irgendwann einmal in einem Museum landen wird.
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1 comment:
Schrill! Obwohl ich ja eindeutig der Romanik den Vorzug gebe, habe ich mich gerade zuhöchst amüsiert. Das Deckengemälde übertrifft alle Poesiealben meiner Kindheit. :-)
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