Tuesday, May 01, 2007

Berufung

Petra beschäftigt sich auf Lumen de Lumine mit dem Thema Berufung zur Ehe, zur Ehelosigkeit und zu Misch- und Wechselfällen.

Persönlich kenne ich keine Berufungsgeschichten von Männern, die zuerst verheiratet waren und dann Priester wurden (oder umgelehrt). Zwar kenne ich zwei Jetzt-Priester, die eine Familie haben, aber ich stehe ihnen nicht so nahe, daß ich mich schon mit ihnen über das Thema hätte austauschen können.

Als ich aber das Wort "Berufung" auf Petras Seite las, da kam wieder eine alte Geschichte hoch, die ich als den Beginn meiner rekordverdächtig langen "Berufung, ja. Entscheidung, noch nicht."-Phase betrachte, und die ich jetzt hier mal auftischen werde. Es mag vielleicht etwas persönlich sein, aber ich möchte die Gelegenheit nicht verpassen, dem Ein oder Anderen, dem es vielleicht ähnlich ergeht, zu zeigen, daß es nie zu spät ist, die Entscheidung zu treffen, die sich in meinem Fall als die richtige erwiesen hat. Also:

Als ich klein war, wohnte ich nicht nur mit meinen Eltern und meiner Schwester unter einem Dach. Meine Oma väterlicherseits und zwei ihrer Schwestern hatten eine Art "Golden Girls"-WG zwei Etagen über uns. Eine der beiden Schwestern verließ regelmäßig am Sonntag das Haus und kehrte ungefähr eine Stunde später wieder zurück. Das blieb Klein-Alipius (der damals noch gar nicht Klein-Alipius war) natürlich nicht verborgen. Also ergab sich eines Tages folgender Dialog:
    "Du, Tante Hetta, wo gehst Du eigentlich sonntags morgens immer hin?"
    "In die Kirche."
    "Warum?"
    "Ich besuche die Heilige Messe."
    "Darf ich auch mal mitkommen?"
    "Ja. Du mußt aber 45 Minuten stillsitzen."
    Kurzes Abwägen des Für und Wider. "Okay!"
Am nächsten Sonntag saß Klein-Alipius also brav, unbeweglich und schweigend in der Bank und staunte. Ich habe damals nichts verstanden, außer, daß dort am Altar die Welt zu Hause war und etwas geschah, das einerseits furchterregend und andererseits unvorstellbar großartig war. Meine einzigen Berührungspunkte mit meinem Schöpfer und meinem Erlöser waren bis zu diesem Zeitpunkt nur Wohn- oder Schlafzimmer-Kruzifixe, Weihnachtskrippen, Tisch- oder Nachtgebete und einige unzusammenhängende Informationen über einen Mann, der mal Gott und mal Jesus Christus heißt und der alles weiß und alles kann. Daß es an diesem Sonntagmorgen um eben diesen Mann ging, blieb mir nicht verborgen.

Nach der Messe ging ich mit meiner Tante heim und es gab das übliche sonntägliche Mittagessen mit Eltern, Schwester, Oma und Großtanten. Und ich weiß heute noch, wie ich dann später zu Hause saß und ein ganz komisches Gefühl hatte. Jeder von Euch weiß, wie sechsjährige Buben ihre Zukunft planen:
    "Ich werde Feuerwehrmann!"
    "Ich werde Fußballer!"
    "Ich werde Tierarzt!"
    "Ich werde Priester!"
    "Ich werde Astronaut!"
Undsoweiter. Bei mir spielte sich etwas Anderes ab. Ich kann es heute nur unzureichend in Worte fassen, aber der Grundtenor meines Gedankenganges war wohl folgender:
    "Was soll ich später einmal werden, wenn ich mich mit reinem Herzen dazu entschlossen habe, auf keinen Fall Priester werden zu können oder zu wollen?"
Ich weiß, es klingt ein wenig komisch. Aber ich dachte damals - noch unter dem Eindruck der Messe - daß es die Aufgabe eines jeden Mannes sei, Priester zu werden. Dies allerdings so zwanglos, daß man, wenn man sich einmal gegen das Priesteramt entschieden hat, dann seine Berufung problemlos woanders suchen kann.

Naja, der Rest ist dann ein beinahe dreißig Jahre dauerndes Reifen durch die üblichen Hochs und Tiefs im Leben eines Kindes, Teenagers, jungen Erwachsenen, Thirtysomething begleitet von ständig wiederkehrenden Berufungszyklen mit uneinheitlicher Frequenz aber immer im Extrembereich liegender Amplitude. Im Herbst 2003 machte es dann wieder einmal "Klick" und dieses Mal blieb die Blende offen. Kein "Klack", kein plötzliches Abschneiden des einströmenden Lichtes. Und ich bereue nicht einmal, daß es so lange gedauert hat. Ich danke Gott für jede einzelne kleine Erfahrung, die ich in meinem Leben sammeln durfte. Ich danke ihm noch mehr für die Gnade, die er mir erwies, als er mir mit einem kleinen Klaps auf den Hinterkopf klarmachte, daß ich den mir aufgezeigten Weg beruhigt gehen darf und kann. Jetzt bin ich zwar wieder Lehrling, gehe zur Schule und weiß, daß ich nichts weiß. Das Gute an der Sache ist, daß ich mich tatsächlich auch wieder fühle, wie ein Kind.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um Euer Gebet zu bitten. Nicht nur für mich, sondern auch und vor allem für all die Männer, die mit einem Fuß im Priesteramt stehen und das andere Bein nicht so recht nachziehen wollen oder können.

Alles Liebe,
Alipius

2 comments:

Petra said...

Coole Geschichte! Hab's verlinkt!

dilettantus in interrete said...

Berufung der Kategorie rheinisch!

Bin beeindruckt!