Ich werde dieses Jahr 40.
Das liest sich irgendwie nicht mehr so schön, wie eine drei gefolgt von welcher Zahl auch immer. "40"! Das bedeutet weniger Haar, mehr Hüfte, ein Keramikgebiß und ab und zu mal ein kleiner, routinehafter Eingriff.
Andererseits...
"40" bedeutet auch, zu wissen, was ich will, was ich darf und was ich kann. Es bedeutet, daß ich nicht mehr nur lerne, sondern auch gelernt habe und im Idealfall hin und wieder sogar mal lehre. Es bedeutet, daß ich nicht mehr nur träume, sondern auch mache.
Die größten Veränderungen in meinem Leben während der letzten circa 15 Jahre wurden durch meinen Glauben bewirkt. Irgendwann in meinen frühen Zwanzigern wachte der nämlich plötzlich wieder auf. Klar, erst hat er sich mal verwundert die Augen gerieben, die Glieder gestreckt, so ein bißchen hin und her geguckt, ein Stöckchen aufgehoben und mich gepiekt und gewartet, ob sich was regt. Und tatsächlich. Plötzlich ging ich wieder regelmäßig zur Messe. Plötzlich hatte ich mir einen Rosenkranz gekauft. Plötzlich wiesen die Seiten meiner Bibel Gebrauchspuren auf.
Mit dieser Entwicklung einher ging das Erlernen einer gewissen Unabhängigkeit. Ich habe früher viel zu oft Dinge unhinterfragt hingenommen und Anderen nach dem Mund geredet, weil ich dazugehören wollte. Dies galt in hohem Maße auch für die Meinung, die ich mir über die Kirche gebildet hatte. Da war dann erstmal alles Mist, was auch nur ansatzweise nach überlieferter Frömmigkeit, Magisterium, Talar, Dogma oder "Amtskirche" roch. Angesagt war eine jugendlich-naive Dissenz um der Dissenz willen. Wenn die Autoritätsperson es sagt, muß es ja fragwürdig sein. Von der Modernität mal ganz abgesehen: Gehorsam? Tradition? Zölibat? Keine weiblichen Priester? Kein Freifahrschein für jede Form der Sexualität? Zudem eine Kirchengeschichte, die in drei Worten zusammenzufassen war: Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Galileo. Da röchelte mein junges Revoluzzerherz schwer in meiner Brust.
Mein wiederentdeckter Glaube war mir sehr dabei behilflich, mir ein neues Bild von der Kirche zu machen, indem ich zuerst auf Christus schaute und nicht auf die persönlichen Vorlieben und Wünsche meiner Alters- und Glaubensgenossen hörte. Als dann noch mein Interesse an der Kirchengeschichte geweckt wurde und ich feststellete, daß dort in den Reihen der Kritiker häufig schamlos übertrieben oder geflunkert wird (wahrscheinlich nicht einmal aus Bosheit, sondern weil man es halt nicht besser weiß und weil es dem persönlichen Anliegen grade dienlich ist), wußte ich, daß auch hier die eine, große Frage immer zu stellen ist: Wer will wieviel Macht und warum?
Es fiel mir daher nach recht kurzer Zeit sehr einfach, aus ganzem Herzen nicht nur zu meinem Gott, sondern auch zu meiner Kirche "Ja!" zu sagen. Das war für mich ein wichtiger Schritt, denn er brachte eine gewisse Ruhe in mein Leben. Ich hatte plötzlich wieder Zeit und Energie, ein bißchen genauer auf die Zeichen zu achten. So landete ich dann schließlich in Klosterneuburg.
Heute sage ich nicht mehr "2 und 2 ist 4, könnte aber auch 3 sein und im Sinne der Toleranz / Artenvielfalt / Ökumene vielleicht gar 5". Heute sage ich: "Es gibt eine objektive, natürliche, moralische Ordnung und eine absolute Wahrheit". Daher ist es heute für mich natürlich nicht mehr ganz so einfach, mich mit einer mainstream-tauglichen Meinung behaglich im Schoße der Masse einzurichten. Andererseits ist aber auch die langweilige Lauwarmheit weg.
3 days ago
6 comments:
Lieber Alipius,
obwohl wir total verschieden sind, passt es vom Jahrgang her (1967 oder 1968?) und ich hatte ähnliches in meiner Biografie. Totale Ablehnung der Kirche und dann vor circa einem Jahr, dank auch der Begleitung von scipio, diese "Offenbarung", es gibt sie, die Wahrheit. Und sie ist in mir drin und jenseits alles angelesenen und erworbenen intellektuellen Wissen.
Alles Liebe über den Appenin!
Elsa
Vierzig ist schon in Ordnung, Alipi mi! Man wird dann auch so langsam mal ein bißchen Ernst genommen, gilt nicht mehr als aufbegehrender junger Spund.
Ich gehe langsam auf die Fünfzig zu und finde auch das ganz in Ordnung. Nervig ist nur, daß die Welt standhaft glaubt, mich über dies Faktum trösten zu müssen.
Ja ja, endlich den Stachel lecken. Schluss mit lustig. Das Gefühl kenne ich. Die unbeschwerte jugendliche Antike des Lebens ist vorbei. Die Kinderkrankheit der dionysischen Seuche glücklich überwunden, erwarten wir jetzt das bedeutungsschwere, sakrale Mittelalter. „Das Knattern von Fahnen in der Morgenröte“ (Dàvila), auf Männer, erobern wir Jerusalem!.
@ elsa: "...jenseits alles angelesenen und erworbenen intellektuellen Wissen." Stimmt! Das ist ein Punkt, den ich gar nicht erwähnte, der aber den Nagel auf den Kopf trifft. Danke und schöne Grüße zurück (der Jahrgang ist bei mir übrigens 68)!
@ claudia: So richtig einfach wird's einem halt nie gemacht ;-)
Naja, zumindest bei den Männern geht's ja dann ab 66 wieder los, wie mir in meiner Jugend zugesungen wude.
@ anonymous: Genau (glaube ich zumindest !?)
Salve Alipi!
Das vierzigste Jahr ist sicher kein schlechtes.
Sind wir nicht aus der Knechtschaft befreit worden und auf der Suche nach dem verheißenen Land vierzig Jahre durch die Wüste geirrt? Und haben wir nicht nach vierzig Jahren erhalten, was uns verheißen war? Und ginge es tatsächlich mit der Zeit einher, müßte nicht jeder versuchen, so schnell wie möglich vierzig zu werden?
Ich lese gerne von Deinem Weg. Es ist gut, nicht lau zu sein. Dein Zeugnis ist mir Ansporn und Ermutigung. Ich danke Dir dafür!
Vale!
Tiberius
Ein schöner Vergleich, der die 40 in der Tat zu einer guten und bedeutenden Zahl macht. Danke zurück!
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