Am Anfang war das Geschenk. Zumindest für mich. Mir wurde das Leben geschenkt. Neun Monaten des behaglichen Durchgefüttertwerdens in der schallgedämpften Dunkelkammer des Mutterschoßes folgten bis jetzt 39 Jahre eines bunten, abwechslungsreichen Wuselns, welches überwiegend schöne Erinnerungen gestattet. Dieses Wuseln wiederum fand und findet statt in einem weiteren Geschenk: Der Welt, wie Gott sie schuf, wie ich sie kenne, wie ich sie mag, wie ich sie zu verstehen versuche. Und die Welt selbst? Einheitlich einerseits, doch auch aufgeteilt in eine unüberschaubare Anzahl verschiedenster weiterer Geschenke: Glaube, Familie, Mitbrüder, Freunde, Blaumeisen, Seidenraupen, Maiglöckchen, Amethysten, Barockkirchen, Syllogismen, Psalmen, Summa Theologica, Pontifikalvesper, And also the Trees, Erdnußbutter, Chartreuse-Likör, Charles Dickens, Groundhog Day, Anti-Schuppen-Shampoo, Nasentropfen undsoweiter...
Heute ging es während der Vorlesung in Moraltheologie unter anderem um das Thema "Nachwuchs". Die Abtreibung wurde ein wenig durchleuchtet und natürlich als nicht korrekt bewertet (Gedankenspiele der Marke: "Aber was ist, wenn die Abtreibung das Leben der Mutter rettet?" wurden außen vor gelassen, da das Prinzip des doppelten Effektes bereits im Ethik-Unterricht behandelt wurde). Professor Giertych erwähnte dann so im Vorübergehen, daß Leute, die das Kinderkriegen als ein absolutes Recht betrachten, das Kind schon vor der Geburt in eine Art Konsumgegenstand verwandeln. Natürlich soll keinem Ehepaar der Wunsch nach Nachwuchs verweigert werden. Aber die künftigen Eltern sollen das Kinderkriegen eben nicht als ein absolutes Recht betrachten. Ich überlegte ein wenig hin und her und es leuchtete mir ein: Der Aspekt des Lebens als ein Geschenk geht verloren, weil man ja nicht wirklich einen legalen Anspruch auf ein Geschenk erheben kann. Aber man kann und darf sich ein Geschenk wünschen. Deswegen heißt es wohl auch "Kinderwunsch" und nicht "Kinderkauf".
Und wenn man das Geschenk gar nicht haben will? Es mag Menschen geben, die Anderen absolut unnütze und obendrein auch noch unappetitliche oder grottenhäßliche Geschenke machen. Trotzdem landen diese Geschenke wohl erst nach reiflicher Überlegung und einigen Gewissensbissen im Müll. Wahrscheinlich werden sie aber einfach irgendwo weit hinten im Schrank aufbewahrt. Wenn der Schenkende eine gänzlich fremde Person oder ein ganz entfernter Bekannter ist, dann kann es vielleicht auch vorkommen, daß der Briefbeschwerer aus pinkfarbenem Kunststoff in Form eines Hundehaufens auch gleich im Abfall landet. Von den Extremfällen einmal abgesehen: Wenn jemand ein Geschenk bekommt (egal ob von mir oder von einer anderen Person), dann wünsche ich, daß er oder sie es in Ehren hält. Dies nicht, weil ich mich um den Stolz des Schenkers sorge, sondern weil es lehrreich und heilsam ist, wenn Menschen, die etwas besitzen, was sie nichts gekostet hat, nicht so tun, als sei es nichts Wert.
Was ist an dem Geschenk des im Mutterleib heranwachsenden Lebens unnütz, unappetitlich oder häßlich? Grund für eine Abtreibung ist doch in der Regel das Erscheinen zur unpassenden Zeit, das "Ich brauche..." des Kindes, welches dem "Ich will..." der Mutter widerspricht.
Zu der legitimen, sich auf Extremfälle beziehenden Frage "Was, wenn durch den Tod des Kindes das Leben der Mutter gerettet werden kann?" läßt sich eine wenigstens ebenso legitime, sich auf bedeutend weniger extreme Fälle beziehende Frage stellen: "Was, wenn durch den Verzicht der Mutter das Leben des Kindes gerettet werden kann?"
3 days ago
4 comments:
Du schreibst "Was ist an dem Geschenk … unnütz, unappetitlich oder häßlich?" - und klammerst damit aus dem Nachdenken die Kinder aus, die nie etwas anderes als entstellte Gestalten mit einem zu kleinen Hirn sein werden - die gibt es ja auch! Ich habe es leicht, zu sagen, daß ich auch in solchen Fällen gegen Abtreibung bin - denn ich habe keine Kinder, und die Kinder meines Bruders, um die ich mich gelegentlich kümmere, sind gesund. Aber ich finde es zunehmend schwierig, moralisch über Eltern zu urteilen, die sich gegen ein noch vor wenigen Jahrzehnten wegen mangelnder medizinischer Kenntnis in jedem Falle zum Tode verurteiltes oder immer leidendes Wesen entscheiden. Nochmals, ich glaube, daß ich mich in jedem Falle für ein Kind entschieden hätte - nur ist kein Fall der Entscheidungsmöglichkeit eingetreten, und was tatsächlich in mir vorgegangen wäre, wenn… kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen.
Ich sage ja: "Von den Extremfällen abgesehen...", klammere also, wie Du sagst, aus, tue dies aber nach Ankündigung.
Ich spreche mich gegen die Millionen von Abtreibungen aus, die vorgenommen werden, weil man außerehelich hier ein wenig herummacht und dort etwas Spaß hat und dann plötzlich schwanger ist, was aber halt grade nicht gelegen kommt, also weg das Ding.
In diesem Falle sind wir uns durchaus einig - allerdings gibt es a) Abtreibungen auch innerhalb von Ehen und b) geliebte Kinder auch innerhalb von nichtehelichen Partnerschaften, und sogar in Fällen, wo sie eher "ungelegen" kamen und die Mutter die alleinige Verantwortung für das Kleine übernimmt, weil der andere Verantwortliche sich davongemacht hat.
a) Leider
b) Stimmt. Lieber ein außerehelich geborenes Kind, als eine innereheliche Abtreibung
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