Monday, December 10, 2007

Die fünf Wege (IV)

Der vierte Weg handelt von den Graden in den Dingen. Voraussetzung für das korrekte Verständnis hier ist, daß man sich der Transzendentalien des Seins bewußt ist, welche da sind: Einheit, Wahrheit, Güte und Schönheit.
    Quarta via

    Der vierte Weg wird von den Graden her genommen, die sich bei den Dingen finden.

    Es findet sich nämlich bei den Dingen etwas mehr und weniger Gutes, Wahres und Edles, und so von anderem der Art. Mehr und weniger wird aber von verschiedenen [Dingen] ausgesagt,sofern sie sich in verschiedener Weise einem [Prinzip] annähern, das am meisten (d.h. in höchstem Grad) ist, wie z.B. das mehr warm ist, was dem am meisten Warmen näher kommt. Also gibt es etwas, was am wahrsten, besten und edelsten ist und infolgedessen am meisten seiend; denn was am meisten (d.h. in höchstem Grad) wahr ist, ist am meisten seiend, wie es in Metaphysik II heißt.

    Was aber so beschaffen genannt wird, daß ihm am meisten eine Eigenschaft in einer Gattung zukommt, ist die Ursache von allen [Dingen mit dieser Eigenschaft], die zu dieser Gattung gehören, wie z.B. das Feuer, das am meisten warm ist, die Ursache von allen warmen [Dingen] ist, wie in demselben [Metaphysik-]Buch gesagt wird.

    Also gibt es etwas, was von allem Seienden die Ursache des Seins, der Gutheit und jeder anderen Vollkommenheit ist. Und dies nennen wir Gott.
Wer kann dazu schon "nein" sagen?!

7 comments:

Anonymous said...

Hm, unglaublich anspruchsvoll. Ganz verstanden hab ich diesen 4. Weg noch nicht.
Thomas bringt das Feuer-Beispiel. Gerade dieses kann ich nicht verstehen- weswegen ist das Feuer Ursache alles Warmen?

Ich fände eine kurze Erläuterung zu den Texten sehr nett- nicht jeder, der hier liest, ist studierter Theologe.

Der Herr Alipius said...

Ich habe die Texte absichtlich erst einmal kommentarlos geliefert, damit sie alleine wirken können.

Thomas bringt das Feuer-Beispiel, weil das Feuer in seiner Zeit das heißeste war, was die Menschen kannten und somit als Ursache alles Warmen galt. Die Wärme ist hier aktiv gedacht, als etwas, daß im Sinne von Möglichkeit und Wirklichkeit (siehe prima via) weitergegeben wird. Das Feuer ist natürlich nicht Ursache der Wärme, die entsteht, wenn ich mir einen pelzgefütterten Mantel anziehe. Aber hier ist der Mantel an sich ja auch nicht warm. Er hält nur die Kälte ab.

Anonymous said...

Danke für die Erläuterung!
Man könnnte aber ebenso sagen: " Der Mantel bewahrt die Wärme des körpers"
Sehe ich das falsch, oder setzt Aquinus auf überholten/falschen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen an??
Offenbar baute er seinen Gottes"beweis" auf rationale Erkenntnis natürlicher Gesetzmäßigkeiten auf, oder?

[Ich hätte doch Theologie studieren sollen.]

Der Herr Alipius said...

Ob der Mantel nun die Kälte abhält oder die Wärme des Körpers bewahrt ist zweitranging. Wichtig ist, daß der Mantel als solcher nicht warm ist.

Thomas' Ansatz ist insofern überholt, als daß man heute ganz andere Vorstellungen von hohen Temperaturen hat als damals. Formal ändert sich nichts. Schriebe Thomas heute, so wählte er eben das nach heutigen Erkenntnissen Heißestmögliche als das Prinzip und Ursache des Warmen.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß der Mensch von Gott nur in Analogien (nicht in Univokalen oder Equivokalen) reden kann. Wir sehen, daß es eine Gemeinsamkeit, aber auch einen grundlegenden Unterschied gibt: Gott ist, der Mensch ist, Schokolade ist. Gott ist gut, der Mensch ist gut, Schokolade ist gut. Aber ebenso, wie niemand jemals die Güte von Schokolade der Güte des Menschen gleichsetzen würde, setzt niemand die Güte des Menschen der Güte Gottes gleich. Es ist alles analog zu verstehen. Daher ist die Anwendung rationaler Erkenntnisse auf Gott auch nur der erste Schritt. Ja, Gott hat uns die Möglichkeit gegeben ihn zu erkennen, indem er Spuren in seiner Schöpfung hinterließ, die auf ihn hinweisen. Aber er ließ uns auch die Freiheit, an ihn zu glauben oder nicht und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Es gibt immer ein wenig Arbeit auf unserer Seite. Glaube an, Hoffnung in und Liebe zu Gott werden einem nicht einfach so in den Schoß geworfen. Und wenn doch, dann muß man wenigstens daran arbeiten, diese zu erhalten.

Anonymous said...

Vielen Dank, Alipius!!!

Super erklärt.

Der Herr Alipius said...

Gern gescheh'n
;-)

Gregor Kollmorgen said...

Zur weiteren Erhellung wird es vermutlich nicht beitragen, aber da ich nun schon mal angefangen habe, will ich dann auch den 4. Weg in meinem Übersetzungsversuch vorlegen:

Der vierte Weg führt über die Stufen, die in den Dingen anzutreffen sind. Man findet nämlich in den Dingen etwas mehr und weniger Gutes und Wahres und Edles, und so von anderen dieser Art (d. h. Eigenschaften). Aber mehr und weniger wird von den verschiedenen (Dingen in Bezug auf Eigenschaften) gesagt, je nach dem, wie sie sich auf unterschiedliche Weise an etwas annähern, das am meisten ist, wie (das) wärmer (mehr warm) ist, was sich mehr dem Wärmsten (am meisten Warmen) annähert. Es gibt also etwas, das das Wahrste und Beste und Edelste und folglich das am meisten Seiende ist, denn was am meisten wahr ist, das ist auch am meisten seiend, wie es im 2. (Buch) der Metaphysik (des Aristoteles) heißt. Was aber am meisten so in irgendeiner Art genannt wird, ist die Ursache aller (Dinge), die dieser Art angehören, so wie das Feuer, das am wärmsten (am meisten warm) ist, die Ursache aller warmen (Dinge) ist, wie in demselben Buch gesagt wird. Also gibt es etwas, das für alle Dinge (Seienden) die Ursache des Seins ist, der Güte sowohl als auch jeder Vollkommenheit, und das nennen wir Gott.