Tja, ich bin grade in Plauderstimmung, also werde ich Euch mal erzählen, wie es zu meiner Schönborn-Marotte kam. Dazu werde ich noch auszugsweise einen kleinen Essay über eben diese Herren und ihre Architekten kredenzen, den ich mal geschrieben habe.
Also: 1992 fuhr ich zum ersten Mal nach Würzburg. Ich hing damals zwischen zwei Jobs, hatte etwas Kohle gespart und entschloß mich, mit meinem alten R5 einfach mal drei Wochen durch Süddeutschland zu gurken und zu schauen, was es so an Sehenswürdigkeiten gibt. In Würzburg machte ich dann erstmals mit der Familie Schönborn Bekanntschaft, waren es doch zwei Brüder dieses Geschlechtes, die als Fürstbischöfe dieser Stadt zwischen 1720 und 1746 den Bau der Residenz starteten bzw. größtenteils vollendeten. Ihr könnt Euch vorstellen, wie der Name "Schönborn" in meinem Gedächtnis nachhallte, als ich die sich jeglicher Beschreibung entziehende Würzburger Residenz verließ. Ich war binnen Minuten zum Fan geworden und brauchte nun ganz schnell und ganz dringend noch viel mehr Fränkischen Barock. Da traf es sich natürlich ganz gut, daß meine nächste Station Bamberg war. Hier erlag ich erstmal dem Charme des Städtchens selbst. Was für ein Juwel! Ich war so begeistert, daß ich zunächst gar nicht mehr an "Schönborn" dachte, sondern nur noch verträumt durch die Gäßchen lief und erst einmal alles nur von außen betrachtete. Allein in den großartigen Dom wagte ich mich hinein. Am zweiten Tag machte ich dann einen Trip zum Schloß Weißenstein in Pommersfelden, womit mein Schicksal dann besiegelt war. Pommersfelden ist ein Privatschloß, das Fürstbischof Lothar Franz zwischen 1711 und 1718 primär für sich als Sommerfrische, aber - vorausschauend - dann auch für die Familie hat bauen lassen. Und - siehe da - es wohnen tatsächlich auch heute noch die Schönborn während einiger Monate des Jahres dort. Klar, die Residenz in Würzburg ist größer, glänzender, fürstlicher. Aber meine Herren! Was hat Weißenstein für eine Persönlichkeit! Da spielt es kaum noch eine Rolle, daß das Treppenhaus eines der schönsten des Barock ist; daß das Deckenfresko im Vestibül in den über 270 Jahren seiner Existenz nicht einmal gereinigt werden musste und trotzdem aussieht, als sei es gestern gemalt worden; daß sowohl Sala Terrena als auch der Spiegelsaal friemelig-wirre Originalzeugnisse barocker Verspieltheit sind; daß das Schloß noch im Urzustand erhalten ist, nie geplündert oder beschädigt wurde. Alles Zweitrangig. Ich stand im Ehrenhof, glotzte wie blöd auf die Fassade des Corps de Logis und plötzlich fühlte es sich an, als seien die zwei Seitentrakte des Schlosses zwei Arme, die sich einladend um meine Schultern legen und mich sanft heranziehen und zur näheren Betrachtung des Schlosses einladen. Und im Innern dann das Gleiche: Jedes Zimmer, ja, jedes Einrichtungsstück sagte: "Schön, daß du hier bist. Schau dich um. Laß es dir gut gehen. Flossen weg von den zerbrechlichen Sachen. Aber ansonsten: Fühl dich ganz wie zu Hause." Gespenstisch! Ich hatte trotz der wirklich oberedlen Ausstattung des Schlosses nie das Gefühl auf Fürstenboden herumzuspazieren. Es wirkte irgendwie alles leicht, familiär, humorig und entspannt. Und so ließ ich mich dann von der Führungsleiterin mit den anderen vier Herrschaften, die an diesem frühen Morgen ihren Weg zum Schloß gefunden hatten, durch die ganze Pracht geleiten und dachte ständig, im falschen Film zu sein. Bis ich dann im Speisezimmer vor dieser irrwitzig-grandiosen Büste des Hausherrn stand und erst einmal still in mich hineinprusten mußte. Ihr seht ja das Portrait oben. Die Büste aus schlichtem weißen Stein wirkt genauso, nur irgendwie noch barocker, noch feister, noch augenzwinkernder. Und da wurd's mir dann klar: "Logo", dachte ich. "Wenn DER das Schloß hat bauen lassen, dann muß es natürlich so unkompliziert und firlefanzfrei wirken."
Bestätigt wurde meine Intuition Wochen später, als ich Freunde zu Gast hatte und von meinem Trip schwärmte. Ich zeigte ihnen einen Bildband, in dem unter anderem das Portrait von oben zu sehen war. "Boah, cool!" rief einer meiner Gäste. "Der hat doch bestimmt jeder Magd an den Hintern gepackt!" Ich will dieses Statement jetzt nicht unterschreiben, muß aber eingestehen, daß es vage in die Richtung meiner ersten Intuition geht, wobei ich weniger bzw. überhaupt nicht an einen schürzenjagenden Bischof dachte, als vielmehr an einen Herrn, der sich ganz darüber im Klaren ist, was es bedeutet, nicht perfekt zu sein, und der eben darum Würde, Humor und Demut bestens vereinen kann.
Naja, nach Pommersfelden sah ich dann noch die ebenfalls von Lothar Franz erbaute Neue Residenz in Bamberg, die Wallfahrtskirchen Vierzehnheiligen und Gößweinstein, das Schloß Werneck und so manch anderes Schmankerl. Und nach diesem Urlaub waren die Schönborn und ich beste Kumpels. Ich bin dann für den Zeitraum von zehn Jahren jeden Sommer für ein paar Tage nach Bamberg gefahren. Mal alleine, mal mit Freunden oder Familie. Und alle, die ich durch dieses entzückende Städtchen und die umliegenden Sehenswürdigkeiten führte, teilten meine Begeisterung.
Im Folgenden gebe ich jetzt mal fix einen kurzen Abriß über das, was geschehen kann, wenn die Freude am Bauen, die Lust am Kommunizieren und der Sinn für die Familie nicht nur eine fruchtbare Beziehung eingehen, sondern ein Maß annehmen, welches für die heute aktiv bausparenden und passiv die kühlen Glas-, Beton- und Stahlpaläste der Versicherungszentralen und Bankhäuser emporwachsen sehenden Zeitgenossen kaum nachvollziehbar ist.
Aber zuerst stelle ich die vier Neffen des Lothar Franz mal kurz im Bilde vor (v.l.n.r.): Johann Philipp Franz, Franz Georg, Friedrich Karl und Damian Hugo. Wenn Ihr jetzt denkt: "Ey, wart mal! Das ist doch immer der Gleiche!", dann habt Ihr nicht ganz Recht. Es sind immerhin vier Brüder und, ja, die Familienähnlichkeit ist ebenso wenig von der Hand zu weisen, wie eine gewisse Neigung zur Erhaltung der ecclesia carnalis an und in ihren eigenen Leibern. Sei's drum. Sie waren schließlich Barockfürsten.
Also, hier ist jetzt meine kleiner bescheidener Essay:
1.) „Das Bauen ist eine Lust und kostet viel Geld, doch einem jeden Narren seine eigene Kappe gefällt“
So reimte Lothar Franz von Schönborn nicht ohne Selbstironie zu einer Zeit, da der sprichwörtlich gewordene „bauwurmb“ ihn und seine Neffen schon längst infiziert hatte. Lothar Franz wurde am 4. Oktober 1655 geboren. Zu dieser Zeit war dem ursprünglich aus dem Nassauischen stammenden Geschlecht ein erster Erfolg auf politischer Bühne geglückt. Lothar Franzens Onkel, der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, Johann Philipp, hatte einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Westfälischen Frieden geleistet und somit dafür gesorgt, daß der Name Schönborn im Reich einen guten Klang hatte.
Nach Johann Philipps Tod im Jahre 1673 stand dessen Neffe Franz Georg an der Spitze der familiären Bestrebungen auf geistliche Nachfolge. Doch Franz Georg, bereits Domherr in Bamberg, Würzburg und Mainz, starb unerwartet nur ein Jahr nach seinem Onkel. Die Hoffnungen der Familie konzentrierten sich nun auf seinen jüngsten Bruder, Lothar Franz. Auch er war bereits für die geistliche Laufbahn bestimmt. Die Tatsache, daß er sich im Jahre 1674 zum Studium in Wien und nicht, wie bis dahin bei den Schönborn üblich, in Frankreich befand, deutet bereits die Abkehr der Familienpolitik von der Frankophilie hin zur pro-kaiserlichen Ausrichtung an, die sich später in Lothar Franzens Devise „Pro Deo, Caesare et Imperio“ – „Für Gott, Kaiser und Reich“ widerspiegelte. Durch familiäre Diplomatie, persönliche Fähigkeit und die üblichen finanziellen Zuwendungen gelang es Lothar Franz, innerhalb von zwei Jahrzehnten zu höchsten Kirchen- und Reichsämtern emporzusteigen. 1693 wurde er zum Fürstbischof von Bamberg gewählt, 1694 zum Koadjutor (Stellvertreter) des Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz mit dem Recht der Nachfolge, welche er am 2. Mai 1695 mit dem feierlichen Einzug in Mainz antrat. Das Amt des Kurfürsten von Mainz brachte die Würde des Reichskanzlers mit sich. Lothar Franz war somit der zweite Mann im Reich, gleich nach dem Kaiser. Es gelang ihm dazu im Jahre 1705 seinen Neffen Friedrich Karl als Reichsvizekanzler in Wien durchzusetzen. Damit war es der Familie nicht nur gelungen, eine Achse zwischen dem Mainzer Kurfürstentum und dem Wiener Hof zu schlagen. Schönborn hatte auf diese Weise außerdem einen Vertrauten in unmittelbarer Nähe des Kaisers gewonnen, durch den er auf das gesamte Reichsgeschehen Einfluss nehmen konnte. Die Regierungsjahre des Lothar Franz waren ruhige und friedliche Jahrzehnte, da es dem Kurfürsten gelang, seinen Staat sowohl aus dem Nordischen Krieg als auch aus dem Spanischen Erbfolgekrieg herauszuhalten. Handel und Finanzwesen wurden unterstützt, Justiz und Bildung wurden reformiert in dem Maße, in dem ein der überlieferten Regierungsauffassung verbundener Fürst es für notwendig und geziemend hielt.
Immer hatte Lothar Franz ein wachsames Auge auf seine Neffen und es gelang ihm und der Familie nicht nur, den für den geistlichen Stand Vorgesehenen Plätze in interessanten Domkapiteln zu sichern. Die Diplomatie und das Geschick der Schönborn bewirkten weitaus mehr. Wohl kaum einmal zuvor und danach regnete es in so kurzer Zeit so viele Bischofshüte auf die Häupter einer Familie. Der jüngste Neffe, Marquard Wilhelm (1683-1769) hält zwar als Mitglied in gleich fünf Domkapiteln den familieninternen Rekord, bleibt aber dennoch von den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen, da er nicht vom Ehrgeiz geplagt war und nie Bischof wurde. Er stieg lediglich zur zweifachen Dompropstwürde auf, verblieb auf diesem sicheren, ruhigen Posten und unternahm keine bemerkenswerten baulichen Tätigkeiten; „eine Republik für sich“, so nannte ihn der Onkel. Dem ältesten der Neffen des Lothar Franz, Johann Philipp Franz (1673-1724), war zwar nur die kürzeste Lebensspanne der Brüder vergönnt, dafür legte er aber in seiner fünfjährigen Amtszeit als Fürstbischof von Würzburg den Grundstein zum Mammutprojekt „Residenz“. Friedrich Karl (1674-1746) war der zweitälteste der Brüder und regierte von 1729 bis zu seinem Tode die beiden fränkischen Bistümer Würzburg und Bamberg. Er war somit in Bamberg direkter Nachfolger seines Onkels und in Würzburg der zweite Nachfolger seines Bruders. Damian Hugo (1676-1743), der Drittälteste, stieg zu den höchsten kirchlichen Würden in der Familie auf. Er wurde im Jahre 1715 Kardinal – „unser rotes Käppel“ hieß er fortan im Familienjargon; vier Jahre später wurde er Bischof von Speyer und 1740 zusätzlich Bischof von Konstanz. Franz Georg (1682-1756) war der zweitjüngste der geistlichen Herren dieser Schönborn-Generation. Ihm war es zu verdanken, daß auch nach Lothar Franzens Tod die Familie stolz auf einen Kurfürstenhut verweisen konnte, denn er folgte im Jahre 1729 seinem Onkel, wenn auch nicht auf den Mainzer Thron. Er wurde Kurfürst und Erzbischof in Trier, zusätzlich im Jahre 1732 Bischof von Worms und Fürstpropst von Ellwangen.
Die fünf eingeführten Herren teilten eine Leidenschaft: Die Kunst im Allgemeinen und das Bauen im Besonderen. Zu den Architekten und Handwerkern, die sie im Laufe der Jahrzehnte beschäftigten, gehören unter anderem Johann Wolfgang von der Auwera, Ferdinand Tietz, Rudolf Byss, Ferdinand Plitzner, Daniel Schenck, Johann Dientzenhofer, Johann Lukas von Hildebrandt, Maximilian von Welsch und natürlich der unvergleichliche Balthasar Neumann.
Aufgrund der zur damaligen Zeit noch üblichen Personalunionen konnte sich also innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eine Art „Schönborn-Reich“ bilden, in welchem eine Familie nicht nur politisch an einem Strang zog, sondern auch die jeweiligen Hofkünstler eines Mitgliedes dieser Familie beratend oder gestaltend ihre eigentlichen Handlungsbereiche verlassen und mit anderen Architekten, Handwerkern, Künstlern und fürstlichen Mäzenen fruchtbare Beziehungen eingehen konnten. Da jeder dieser Künstler seinen ureigenen Stil, seine „Sprache“ hatte, ist es dem kundigen Betrachter auch heute noch möglich, die Grenzen des ehemaligen Herrschaftsgebietes der Schönborn allein an bestimmten architektonischen Merkmalen zu erkennen .
2.) „Meine stieg muess bleiben, als welche von meiner invention undt mein meisterstuck ist.“
So knapp und selbstbewußt verteidigt der Bauherr Lothar Franz von Schönborn seinen Entwurf zu einer doppelläufigen Treppe, welche sein neu zu errichtendes Privatschloß Weißenstein zu Pommersfelden zieren sollte. Daß es überhaupt zu einer Diskussion über die Ausführung nur eines Teils einer gesamten Schlossanlage kommen konnte, ist mehreren Faktoren zuzuschreiben. Die Bauherren des Barock pflegten neben der Lust am simplen Delegieren von Aufträgen ein reges Interesse an der Materie selbst. Sie waren zwar streng genommen Dilettanten, aber immerhin doch so informiert, daß sie es sich in Fällen besonders ausgeprägter Fachbildung, wie sie bei den Schönborn im Allgemeinen und bei Lothar Franz im Besonderen vorlag, leisten konnten, sich zu den über Bauplänen brütenden Architekten zu gesellen und fruchtbare Kommentare abzugeben. Schönborn selbst besaß bei aller gebotenen Distanziertheit trotzdem ein ausgesprochen humorvolles, leutseliges und gewinnendes Wesen. Hierzu der Herr von Blainville, der 1705 den damals fünfzigjährigen Kurfürsten in Bamberg besuchte: „Es bleibt einmal gewiß, daß es wenig Fürsten gibt, die besser geschaffen sind, als der Churfürst von Mainz. Er ist von gutem Gewächse, und hat ein sehr majestätisches Ansehen. In seinem Gesicht ist etwas natürlich Süßes und Reizendes, welches in jedem Liebe und Ehrfurcht erwecket, und seine großmüthige Gemütsart stimmet mit seinem Ansehen vollkommen überein. Er ist ein sehr weiser, verständiger und urtheilsfähiger Herr, der mit seinem eigenen und aller Mächte von Europa ihrem Vortheil wohl bekannt ist."
Überhaupt legten die Herren Schönborn ihren Künstlern und Architekten gegenüber ein Verhalten an den Tag, wie es durchaus nicht selbstverständlich war. Hierzu Lothar Franz: „... wie köndten die künstler undt andere handtwerksleuth, die doch Gott auf dieser welldt haben will, bestehen, wenn er nicht zugleich narren werden ließe, die sie ernehren theten.“ Und Johann Philipp Franz bemerkt: „Es weren die künstler eben nit wie andere hergeloffene bursch zu tractieren.“
Es scharte sich mit der Zeit aus dem Kreis der Hofkavaliere des Lothar Franz eine Gruppe um den Kurfürsten, die mit ihm die Leidenschaft des Bauens und Planens von Schlössern teilte. Diese Herren verbrachten nicht selten mit ihrem Fürsten bei einer Karaffe Wein eine Nacht über Zeichnungen, Rissen und Plänen. Schönborn nannte diese Männer „meine Baudirigierungsgötter“, nie nannten ihn ihren „Erzbaumeister“.
Im Jahre 1710 gelingt Lothar Franz ein finanzieller Coup: Er ist bei der Kaiserwahl als Kurfürst von Mainz das Zünglein an der Waage und fördert entscheidend die Wahl Karls VI., was ihm eine Gratifikation von 100.000 Gulden einbringt. Zum Vergleich sei angemerkt, daß der höchstbesoldete kurmainzische Beamte dieser Zeit ein Jahresgehalt von 4822 Gulden empfing.
Das Geld kommt zur rechten Zeit. Denn neben dem Bau der neuen Bamberger Residenz durch Johann Dientzenhofer in den Jahren von 1697 bis 1703 und der Mainzer „Favorite“ durch den dortigen Hofarchitekten Maximilian von Welsch zwischen 1711 und 1718 stand im Jahre 1710 ein weiteres Projekt an, welches große Summen zu verschlingen drohte: Die Herrschaft Pommersfelden war Lothar Franz aus dem Erbwege zugekommen. Auf dem Gebiet stand ein Wasserschloß, welches der Kurfürst ursprünglich nach Plänen seines Bamberger Hofarchitekten Dientzenhofer umzubauen gedachte. Bald schon erwies sich das alte Schloß als zu klein und zu baufällig und Lothar Franz entschloß sich zu einem Neubau, einem Privatschloß. So ergab sich der seltene Fall, daß ein Bischof beim Errichten eines Schlosses ganz freie Hand hatte, da er weder auf seine Nachfolger auf dem Bischofsstuhl noch auf das von ihm verkörperte Amt und den von ihm repräsentierten Staat Rücksicht nehmen mußte. Es baute in gewissem Sinne nicht das Amt, sondern die Person.
Schon die Pläne für den Umbau hatte der Kurfürst im März 1711 an seinen Neffen in Wien geschickt, auf daß dieser sie an seinen und des Prinzen Eugen Architekten Johann Lukas von Hildebrandt zur Begutachtung weiterleitete. Als nun der Neubau beschlossene Sache war, informierte der Onkel sogleich am 7.4.1711 den Neffen: „Über dem Pommersfeldischen Riß bin ich allhier (zu Mainz) mit meinem Bamberger Baumeister begriffen und will beweisen, daß man auch hier zu Land was hübsch machen kann.“
„Hier zu Land“ bedeutet für den Kurfürsten immer seinen Herrschaftsbereich der Mainzer und Bamberger Lande. „Etwas hübsch machen“ heißt, in einem eigenständigen Stil, abseits der großen Strömungen aus Frankreich und Wien zu bauen. „Theutschen Gusto“ nannte Lothar Franz diesen Stil.
Basierend auf den Plänen Dientzenhofers, verfeinert durch Lösungen von Johann Lukas von Hildebrandt und nicht zuletzt gekrönt durch den Entwurf des Treppenhauses durch den Bauherrn selbst, entstand dann zwischen 1711 und 1718 unter unzähligen Briefen, reich bestückt mit Rissen, Plänen und Zeichnungen, Gutachten, Urteilen und Vorschlägen das Schloß Pommersfelden. Auch die am Bau und an der Ausstattung des Schlosses mitwirkenden Künstler, wie der Stuckateur Schenck, der Maler Byss, der Kunstschreiner Plitzner und auch Dientzenhofer selbst, wurden nach Wien geschickt, um dort Anregungen aufzunehmen. Der Kurfürst sandte seine Pläne nicht nach Wien, um sie dort verbessern zu lassen. Er besaß genug Selbstbewußtsein und Fachkenntnis, um von seinem Urteil überzeugt zu sein. In erster Linie ging es Lothar Franz in diesen Briefen stets darum, den Wienern zu demonstrieren, daß man auch außerhalb der Hauptstadt anständig zu bauen versteht. So lädt er zwar im Brief vom 14.3.1712 ein: „Ich will gerne anhören und annehmen, was Ihr Herren Virtuosi, Curiosi und Somptuosi zu Wien mir einraten werdet“, entscheidet aber am 13.6.1714: „Das Haus ist gebauet und ich kann und werde nichts mehr daran ändern.“
Glücklicherweise hielt der Bauherr Wort und so präsentiert sich heute ein zugleich wuchtiger und eleganter, gleichermaßen majestätischer wie einladender Bau. Das Treppenhaus des Schlosses ist neben dem verwirrend prachtvollen Spiegelkabinett und dem riesigen Marmorsaal nicht nur das Prunkstück des Baus sondern auch von architekturhistorischer Bedeutung. Denn auch wenn es ähnliche Ausführungen bereits vorher gab, auch wenn Walter Jürgen Hofmann Verwandschaften zu Schloß Schönbrunn und zur Architektur Palladios sieht, so vermerkt Bernhardt Schütz daß im Pommersfelden „erst eigentlich der Prototypus des barocken Treppenhauses“ geschaffen wurde. Tatsächlich treffen die Theatralik und das Private, das Höfische und das Intime hier zusammen und spielen gemeinsam und nicht sich gegeneinander aus. Hinzu kommt, daß der Bauherr selbst am Entwurf des großartigsten Raumes des Schlosses entscheidend mitgewirkt hatte und seine Architekten nur feine architektonische Notwendigkeiten korrigieren ließ, in Fragen der Gestaltung aber sonst, wie ja die Überschrift dieses Kapitels zeigt, unerbittlich war. Neben der reinen Ästhetik stand ein weiterer Gedanke hinter der doppelläufigen Stiege: Jederzeit konnte der Neffe Damian Hugo sich zu einem Besuch anmelden. Dieser war seit 1715 Kardinal und stand somit in der kirchlichen Hierarchie über seinem Onkel, welcher wiederum das weitaus höhere weltliche Amt bekleidete. Damit nun die Zeremonienmeister sich nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen mußten, welcher der Herren rechts neben dem anderen die Treppe emporschreiten durfte, erhielt kurzerhand jeder seine eigene Stiege.
Gilt das Schloß Pommersfelden, welches richtig übrigens Schloß Weißenstien zu Pommersfelden heißt, den Kunsthistorikern gewissermaßen als Vorstufe zur Würzburger Residenz, so ist auch der Austausch von Plänen und Künstlern exemplarisch für die weiteren baulichen Tätigkeiten der Schönborn.
3.) „Ergo nur wacker Bauconcepten her!“
So bejubelt Lothar Franz von Schönborn den Schatz von 600.000 Gulden, der seinem Neffen Johann Philipp Franz aufgrund eines gewonnenen Prozesses wegen Veruntreuung im Jahre 1720 zugefallen war. Johann Philipp Franz war seit 1719 Fürstbischof von Würzburg und hatte schon im Jahre seines Amtsantritts beschlossen, die Burg auf dem Marienberg zu verlassen und zu ebener Erde in der Stadt eine Residenz zu errichten. Das Schloß auf dem Marienberg war gemessen an den Ansprüchen der Zeit nicht mehr bequem genug. Schon die Würzburger Bischöfe des späten 17. Jahrhunderts hatten lieber in ihren Domherrenhöfen in der Stadt gewohnt, als droben auf dem Berg, was zu einer doppelten Hofhaltung geführt hatte. So waren es letztlich tatsächlich Gründe der Sparsamkeit, die den Gedanken an eine Residenz in der Stadt aufkommen ließen. Natürlich ist „sparsam“ das letzte Attribut, welches sich beim Betrachten der Würzburger Residenz aufdrängt. Allerdings ist das Gebäude, wie es sich heute präsentiert nicht die „Ur“-Residenz. Bereits Schönborns Vorgänger im Amt, Johann Philipp, ein Onkel aus dem angeheirateten Geschlecht der von Greifenclau, hatte am Rennweg, in der Nähe des heutigen Standortes, einen Bischofspalais entstehen lassen. Jedoch wurden bald Mängel und Schäden in Mauerwerk und Gebälk offenbar. Also entschloß Fürstbischof Johann Philipp Franz sich zu einem Umbau.
Selbstverständlich war Lothar Franz die erste Adresse für solcherlei Neuigkeiten und tatsächlich befand sich das „Baubüro“ der Würzburger Residenz Ende 1719 bis Anfang 1720 in Mainz, wo Schönborns Kavalier-Architekten Rotenhan und von Erthal zusammen mit dem Hofarchitekten Maximilian von Welsch „auf was Neues studieren“, wie der Onkel an Friedrich Karl nach Wien berichtet. Zwar war Balthasar Neumann gleich nach der Thronbesteigung von Johann Philipp Franz an die Spitze des Bauwesens im Hochstift Würzburg gestellt worden, doch der Einfluß des Onkels, seine pure Freude am Planen und die Tatsache, daß seine und seines Neffen Friedrich Karls Architekten zu dieser Zeit die Namhafteren waren, ließen es nicht zu, daß Lothar Franzens Stimme ungehört blieb. So geschah es, daß Neumann im Oktober 1719 nach Pommersfelden bestellt wurde, um seine Pläne für den Umbau des Rennweg-Schlößchens vorzulegen. Als Neumann auf Weißenstein eintraf, wartete dort nicht nur das Familienoberhaupt, sondern auch dessen Lieblingsneffe. Friedrich Karl war aus Wien angereist und zu dritt widmete man sich den Plänen. Das abschließende Urteil fällt überaus günstig aus. Onkel und Neffe sind sich einig, daß Neumann rasch begreift, dazu gelehrsam und willensstark ist und rundum geeignet scheint, daß Projekt „Residenz“ anzugehen.
Lothar Franz und Friedrich Karl waren es dann auch, die nach dem Eingang der 600.000 Gulden sich bei der Familienehre gepackt fühlten und Johann Philipp Franz dazu überreden konnten, den Bau des Würzburger Schlosses ins Große zu treiben. Es galt, den Schönborn ein Denkmal zu setzen. Dabei spielte nicht allein der Stolz eines Herrschergeschlechtes eine Rolle. Wie oben erwähnt schwenkte unter Lothar Franz die Politik der Familie fort von der Frankophilie hin zu einer kaiserlichen, einer Reichs-Gesinnung. Diese Gesinnung in Stein zu verewigen war für den damals amtierenden Reichskanzler und seinen Neffen, den Reichsvizekanzler, nicht nur ein Vergnügen, sondern eine Pflicht. Nun, da nach dem Prozessgewinn weder auf Geldmittel noch auf tatsächliche Wohnbedürfnisse geachtet werden mußte, sah man bald von der bescheidenen Variante des Umbaus des Rennweg-Schlößchens ab und entschloß sich zu einem kompletten Neubau. Müßig zu erwähnen, daß sowohl Lothar Franz als auch Friedrich Karl nicht nur selbst Feuer und Flamme waren, sondern auch ihre jeweiligen Kavalier- und Hofarchitekten ins Rennen schickten. Neumann war nun erstmals in der Lage, sich an anderen Architekten zu messen, und er begann in dieser Zeit, seinen Stil zu entwickeln. Bereits in seinen früheren Jahren als Stückgießer, Festungsbauer und Ingenieurhauptmann war er technisch und handwerklich überaus begabt, ja den meisten Kollegen weit voraus. Durch die Beauftragung mit dem Bau der Residenz und durch die Begegnung mit den anderen Architekten reift Neumann auch zum Künstler. Ihm obliegt es, seinen eigenen Entwurf für den Bau mit denen der Architekten von Welsch, von Erthal und Hildebrandt weiterzuentwickeln. Von Welsch plante zum Beispiel bereits 1720 mit vier Innenhöfen, während Neumanns früher Plan derer zwei aufweist.
Die Grundsteinlegung für die Residenz findet 1720 statt. Hier wird bereits der Grundriß des Schlosses unabänderlich festgelegt. Für größere oder kleinere Details blieb bei solchen Mammutprojekten aber immer Spielraum und Zeit. Der Bischof wollte internationale Anerkennung und Neumann brauchte weiteren Austausch mit führenden Architekten. Was lag also näher, als ihn nach Paris zu schicken? Auch hier machten sich die Kontakte der Schönborn bezahlt: Damian-Hugo, der Kardinal der Familie, war befreundet mit dem Straßburger Fürstbischof und Kardinal Gaston Armand de Rohan, dieser wiederum konnte Neumann den Weg zu Robert de Cotte, dem Ersten Königlichen Architekten, ebnen. De Cotte genoß in ganz Europa einen ausgezeichneten Ruf und wurde oft um Rat gebeten, da er das französische Ideal der Architektur verkörperte. Im Versailler Stadtpalast des Kardinals kommt es zur ersten Begegnung. Rohan hatte schon über Neumanns Plänen gebrütet und sich von ihnen ein schönes und großes Gebäude nach italienischem Gusto versprochen.
De Cotte bittet um einen in Blei gezeichneten Grundriß, den Neumann selbst in Paris anfertigt. Der Franzose macht sich trotz knapp bemessener Zeit auf Bitten und Drängen des Kardinals bald an die Arbeit, läßt die linke Hälfte des Planes unberührt als Referenz und fügt in die rechte, identische Hälfte Korrekturen nach seiner Vorstellung ein. Er empfindet die vier Innenhöfe als zu groß und sieht in ihnen noch verfügbaren Baugrund, in welchen hinein er die Disposition der Räume erweitert. Neumann widersetzt sich den größere Bequemlichkeit und Großzügigkeit versprechenden Ideen de Cottes, da er erstens von seinem Plan überzeugt ist und zweitens das Gebäude stets als Gesamtkomplex in seiner äußeren Form versteht und nicht, wie der Franzose, von innen nach außen plant. De Cotte wartet mit weiteren Änderungsvorschlägen auf, die teilweise gar den bereits begonnenen und fortgeschrittenen Bau der Residenz ignorieren. Wenn beide Männer es auch nicht an gegenseitigem Respekt mangeln lassen, so kommen sie sich dennoch künstlerisch nicht näher. Ein ungezwungeneres Verhältnis baut Neumann zu Germain Boffrand auf. Dieser andere große französische Architekt dieser Zeit, den Lothar Franz in seinen Briefen an Friedrich Karl scherzhaft in „beau franc“ umtauft, steht für Neumann auf derselben Stufe wie de Cotte. Vielleicht war es Selbstkenntnis, vielleicht gesunder Menschenverstand, die Neumann dazu bewegten, den einen nicht wissen zu lassen, daß er mit dem anderen verkehrt und sich von ihm beraten läßt: „werdte schon die pilance halten und mich in acht nehmen undt alle jalousie evitieren.“
Neben dem Austausch mit den Architekten ist eine weitere Aufgabe der Frankreichreise, einen Maßstab für die Ausstattung der Würzburger Residenz zu finden. Im Residenzschloß der Straßburger Fürstbischöfe zu Zabern und in den Stadtpalais in Paris sieht Neumann die Dekorationen, die fortan für ihn beispielhaft sein werden. Er erkennt die handwerklichen Erfordernisse des aktuellen Geschmacks und legt sich Musterstücke zu, um in Würzburg den künstlerischen Anspruch an Beispielobjekten demonstrieren zu können. So schickt er Lüster und Leuchter, geschnitzte und vergoldete Spiegelrahmen, Türbeschläge und Schlösser und kleine Modelle von Möbeln nach Würzburg „damit mans abformen kann“. Doch sieht Neumann in den Mustern nicht sofort die höchstvollendete Form, denn er stellt sich schon beim Kauf vor „was undt wie ferner in dergleichen sachen reicher zu componieren“ sei. Boffrand empfiehlt Neumann einen Tapezierer und einen Vergolder, welche sogleich mit den Kisten und mit drei Karossen, die für Johann Philipp Franzens Wagenpark erworben wurden, den Weg nach Würzburg antreten.
1724 stirbt Johann Philipp Franz. Die Residenz ist erst zu einem Fünftel vollendet und der Bau gerät unter dem neuen Bischof Christoph Franz von Hutten ins Stocken. Lothar Franz, bereits hoch betagt, fürchtet um die Früchte seiner Bemühungen: „Gott gebe, daß dieses residenzgebau um so balden möge zum stand bringen..., um welches sonsten wohl schad wär, wo es stecken bleiben sollte.“ Neumann bleibt die Jahre über optimistisch, und seine gute Hoffnung erfüllt sich: Am 30. Januar 1729 wird Friedrich Karl von Schönborn Fürstbischof von Bamberg und bereits am 18. Mai desselben Jahres besteigt er auch den Bischofsthron von Würzburg. Zwar sieht sich die Familie durch den Tod des Lothar Franz ihres Oberhauptes beraubt, andererseits aber regieren Ende 1729 die drei noch lebenden Schönborn-Bischöfe bereits ein Kurfürstentum und drei Bistümer. Es werden noch zwei weitere Bistümer und eine Fürstpropstei folgen.
Friedrich Karl von Schönborn wird mit Amtsantritt in Würzburg und Bamberg Balthasar Neumanns wichtigster Dienstherr. 17 Jahre lang arbeiten beide Männer zusammen. Dabei verbindet sie ihr Sinn für das Praktische, ihr Selbsbewußtsein und ihre Tatkraft. Durch die von ihnen angestoßenen Bauprojekte erreicht nicht nur die Baukunst in beiden Bistümern neue Höhen, es entwickelt sich allgemein das Gewerbe äußerst positiv.
Friedrich Karl wird nicht sofort aus Wien nach Franken ziehen, da seine Geschäfte als Reichsvizekanzler ihn noch einige Zeit in der Hauptstadt festhalten. Die Korrespondenz über den Fortschritt des Residenzbaus geht also zwischen den Städten hin und her. Dabei kommt Friedrich Karls Hofarchitekten Johann Lukas von Hildebrandt die Rolle zu, Neumanns Pläne zu begutachten. Der an Epilepsie leidende Hildebrandt gilt allgemein als ein wunderlicher Charakter. Und auch Neumanns Stellung ihm gegenüber ist schwierig, da der Wiener sich manchmal kleinlich zeigt oder Verbesserungsvorschläge ins Unermeßliche wachsen läßt, und manchmal, wie De Cotte in Paris, gar keine Rücksicht auf bereits Gebautes nimmt. Neumann, der in diesen Jahren die Bauverwaltung leitet, gelingt es aber den erfahrenen und älteren Hildebrandt nicht respektlos vor den Kopf zu stoßen und dennoch den Bau so zu dirigieren, daß er letztlich seine, Neumanns, Handschrift trägt. Eine Anekdote verdeutlicht die Spannungen, die zwischen diesen beiden Männern herrschte: Als Neumann sich dazu entschlossen hatte, das Treppenhaus der Residenz nicht als doppelseitige Anlage zu bauen, sondern aus dem Vestibül nur eine, dafür aber doppelt so große Treppe hochzuziehen, sah er sich vor die Aufgabe gestellt, ein riesiges Deckengewölbe ohne eingestellte Stützen zu errichten. Hildebrandt, der 1738 in Würzburg weilte, bezweifelte die Haltbarkeit der Konstruktion und schwor, sich im Gewölbe aufzuhängen, wenn es nach der Errichtung halten sollte. Neumann schlug ein und erklärte sich bereit, nach Abschluß der Arbeiten im Treppenhaus ein Artilleriegeschütz abzufeuern, um die Festigkeit zu beweisen. Fürstbischof Schönborn bangte um sein Schloß und erklärte die Wette für nichtig.
Für die Innenausstattung der Residenz werden Künstler ersten Ranges verpflichtet: Der Schweizer Maler Rudolf Byss, der bereits das Deckenfresko in Treppenhaus zu Pommersfelden schuf, der Bildhauer Johann Wolfgang von der Auwera, der Stuckateur Antonio Bossi, der Kunstschmied Johann Georg Oegg. Sie alle treiben unter Neumanns Leitung und ab 1734 unter dem wachen Auge des Schönborn den Bau voran, so daß 1744 Richtfest gefeiert werden kann. Zahllose Gedichte priesen damals die weitgehende Vollendung des so gewaltigen und beeindruckenden Gebäudes. In einem heißt es:
- „Ein großer Fürsten-Sinn, der selbst mit eingesehen,
Wie all gemächlichkeit, nebst zierd und Kunst bestehen
Nach ihrem grund und riss, nach theilung maaß und zill,
wie die erfahrnus lehrt, daß ordnung stehen soll.
Dem kame ferner zu ein Obrist, haischt Neumann,
der jedermann belehrt, dass wer weiss und will, all dieses thuen kann.“
Die Hochschätzung des Schönborn für seinen Baumeister bewirkte, daß Neumann bis zum Tod Friedrich Karls nicht nur für diesen tätig sein sollte, sondern sich bald in einige Projekte der Brüder des Bischofs eingebunden fand.
4.) „...dass ich nunmehro mit diesem Kirchenbau nichts wollte zu tun haben.“
Mit diesen eindeutigen Worten betrachtete Balthasar Neumann sein Mitwirken am Bau der Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen als beendet. Anlaß für den Bau war die zweimalige Erscheinung des Christkindes im Jahre 1445 auf einem Hügel des Staffelberges im Hochstift Bamberg und die Erscheinung des Christkindes in Begleitung der vierzehn Nothelfer im Jahre 1446 an derselben Stelle. Die Kinder stellten damals klar: „Wir sein die viertzehn nothhelffer / und woellen ein Capelln haben / auch gnediglich hie rasten / und biß unser diener / so woellen wir dein diener wieder sein.“ Es wurde bald eine kleine Kapelle errichtet, die die Wallfahrer anzog. Im Jahre 1735 entschied der Abt des nahegelegenen Zisterzienserklosters Langheim, daß es gilt, eine würdiger ausgestattete Kirche zu errichten. Neumann zeichnete die ersten Pläne. Andere Entwürfe stammten von Gottfried Heinrich Krohne und Johann Jacob Michael Küchel. Krohne stand in der Gunst des Abtes, war aber als Protestant mit dem Wallfahrtswesen und dessen Bauerfordernissen so gut wie überhaupt nicht vertraut. Sein Entwurf eines Zentralbaus mit Emporen und kleeblattförmigem Chor mißachtete den Wunsch der Wallfahrer, so nahe wie möglich an die Gnadenstätte heranzugelangen oder sie wenigstens gut erblicken zu können und ignorierte ebenso den notwendigen Platz für Prozessionen. Küchel arbeitete im Auftrag des Bamberger Fürstbischofs und entwarf einen Kuppelraum zwischen zwei Bauteilen im Stile von Langhäusern. Doch Friedrich Karl von Schönborn entschied sich letztlich für Neumanns Entwurf, der auf dem Grundriß eines lateinischen Kreuzes eine basilikale Kuppelkirche entwarf. Hier stand der Gnadenaltar in der Vierung, wo der Umraum am weitesten und sie Sichtbarkeit am besten ist. Gottfried Heinrich Krohne, der Freund des Abtes, wurde mit der Ausführung des Neumann-Projektes betraut. Jedoch wich er willkürlich von Neumanns Plänen ab. Der Chor der Kirche lag plötzlich viel zu weit im Osten, so daß der Gnadenaltar sich im Langhaus wiederfand, was nicht nur jedem liturgischen Brauch wiedersprach, sondern auch überaus unpraktisch war. Das ursprüngliche Raumkonzept war nun nicht mehr einzuhalten, es sei denn, man risse die bereits stehenden Mauern wieder ein. Neumann erkannte bei einem Besuch die Baufehler und ergriff die Flucht. Seine oben angesprochene Resignation wollte der Fürstbischof aber nicht anerkennen. Er befahl Neumann, sich der Herausforderung zu stellen. Der Architekt gehorchte und machte sich ans Werk. Bald schon kehrte sich der anfängliche Widerwillen um in den Eifer, die Fehler nicht nur zu beheben, sondern ins Gegenteil zu verkehren und „eine gute Kirche herzustellen“, ein „vollkommenes Werk“, ein „Meisterwerk“.
Tatsächlich greift man nicht zu hoch, wenn man die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, wie sie sich heute präsentiert, als Meisterwerk bezeichnet. Das Äußere des Baus besagt mit seiner fünfachsigen Doppelturmfassade ein für Rokoko-Verhältnisse nüchternes aber eindeutiges „Kirche“. Tritt man ein, so findet man sich in einer Raumkomposition, die im krassen Gegensatz zum Außenbau steht und eher an einen Ballsaal als an ein Sakralgebäude gemahnt. Neumann hat den Gnadenaltar, als wichtigstes Element einer Wallfahrtskirche, mit einem gewaltigen ovalen Zentralraum umgeben, der Chor und Vierung, die in dieser Komposition tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle spielen, keine bauliche Betonung beimisst. Weit zurückgezogene Wandpfeiler mit Emporen auf halber Höhe und vorgestellten Halb- und Dreiviertelsäulen blähen den Umraum des Gnadenalters auf letzmögliche Weise gegen die Wand. Zusammen mit zwei weiteren Ovalen des Chores und des Eingangsbereiches ergibt sich eine für Sakralbauten einmalige Raumkomposition, zumal die Gewölbe den Grundriß nicht eins zu eins auffangen, sondern in unterschiedlichsten, statisch teilweise gewagten Teilbereichen eigene Grundformen ergeben. Die Basilika mit ihren einzelnen Abschnitten wird durch die Weite und die Lichtfülle zu einem Gesamtraum verschmolzen, in dem die überkommenen Elemente Eingang, Langhaus, Vierung und Chor keine Individualität mehr besitzen. Wohl kaum einer anderen Kirche gelingt es auf so bezaubernde Weise, sich aus jeder Perspektive als geschlossenes Ganzes zu präsentieren und gleichzeitig mit stellenweise atemberaubenden Detailreichtum aufzuwarten. Dem Betrachter bietet sich mit dem von Küchel entworfenen Gnadenaltar ein vor verspielter, leichter Festlichkeit beinahe schäumender Mittelpunkt. Beim langsamen Durchschreiten der Kirche mit auf den Altar fixiertem Blick schiebt dieser sich wie eine prunkvolle Karosse vor dem Hintergrund der Architektur entlang. In Vierzehnheiligen gelingt das gewagte Unterfangen, dem Glauben Schwere und den Ernst zu nehmen und den Pilger nach seinem langen Marsch mit Licht, Luft und Leichtigkeit in einem Raum reinen Freudenjubels zu empfangen.
Weder Friedrich Karl von Schönborn noch Balthasar Neumann erlebten die Vollendung der Kirche. Aber mit der Entscheidung des einen für den anderen und vor allem mit der Beharrung des Fürsten auf die Weiterführung des Werkes durch seinen Architekten wurde dieses herrliche Gebäude ins Leben gerufen. Immerhin war es in der Person des Adam Friedrich von Seinsheim ein angeheirateter Schönborn-Neffe, der im Jahre 1772 die Basilika einweihte.
5.) Bilanz
Als im Jahre 1756 mit Franz Georg der letzte der berühmt-berüchtigten „bauwurmb“-Bischöfe stirbt, schließt sich ein Kapitel der Kulturgeschichte, in dem ein Herrschergeschlecht den Herbst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit seinen Baumeistern zu vergolden geholfen hatte. Die Französische Revolution hat einige der schönsten Schönborn-Bauten weggefegt, so die Villa Favorite bei Mainz oder das Schloß Schönbornslust bei Koblenz. Und auch die Bomben des Zweiten Weltkriegs waren nicht zimperlich, lagen doch 1945 sowohl die Würzburger Residenz als auch das Bruchsaler Schloß in Asche. Beide Paläste wurden wieder aufgebaut, und so ist die Bilanz der Schönborn-Zeiten dennoch eine stolze: Kirchen und Klöster, Paläste und Schlösser, Schulen und Spitäler, Heime und Verwaltungsgebäude verschönern nicht nur in den Residenzstädten wie Würzburg, Bamberg, Worms, Bruchsal, Konstanz, Mainz und Trier das Stadtbild, sondern beleben auch kleinere Orte wie Gaibach, Forchheim, Werneck und Wiesentheid. Während der Schönborn-Jahrzehnte entwickelten sich Handel und Handwerk. Zugleich herrschte in jedem der Bistümer Frieden. Die Herren waren gut gelitten. Ein Würzburger Professor berichtet noch im 19. Jahrhundert davon, daß im Frankenland die Menschen es sich zur Gewohnheit machen, die „besseren Zeiten“ als „Schönbornzeiten“ zu bezeichnen.
Soviel also zu den Schönborn. Wenn Ihr mal einen Kurztrip machen wollt und nicht wißt wohin: Ab nach Bamberg und Umgebung!
Alles Liebe,
Alipius
2 comments:
Schöner Artikel! Vielen Dank. Weißenstein ist hinreißend.
Vierzehnheiligen dagegen ist mir zu viel Theater für ne Kirche. Bei Kirchen finde ich gelegentlich, alles nach 1200 ist neumodischer Kram und überflüssig. Das hat mit meinem Besuch hier zu tun: http://www.marialaach.de/
Danach lasse ich an späteren Sachen allenfall Corbusier wieder gelten...
man. andere ruhen nach prüfungen ja erst mal aus. hut ab. meinste, wir schaffen das irgend wann noch mal ins nepomuk? schön wärs! schwesterherz
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