Dieses Bild ist natürlich ein Schocker. Man schreibt das Jahr 2007 und Antonio Kardinal Canizares-Llovera, Erzbischof von Toledo und Primas Spaniens, macht einen auf Renaissance-Kirchenfürst. So geschehen im August vergangenen Jahres. Der Kardinal war vom Institut Christus König eingeladen worden, die Neupriester zu weihen. Das Institut hat eine "One size fits all"-Cappa Magna, die dem entsprechenden Kardinal dann - wenn er zustimmt - angelegt wird. Das Institut zelebriert im alten Ritus. Das muß man nicht mögen, aber wenigstens leuchtet dann die Cappa ein, deren Gebracuh bei einem solchen Anlaß geziemend und recht ist.
Zumindest im spanisch-sprachigen Internet haben die Wogen sich noch nicht gelegt. Dort schluchzen besorgte Christen immer noch vom Untergang der Kirche ("Der Vatikan kehrt ins Mittelalter zurück!"), dort klopfen sich geifernde Atheisten immer noch auf die Schenkel ("Boah! Was für 'ne Menstruation!"), dort heben Gay-Aktivisten immer noch mahnend die Finger ("Uns nicht die Hochzeit erlauben, aber dann so rumrennen!"). Es ist von Befriedigung von Minderwertigkeitskomplexen die Rede, von hierarchischer Gewalt, von hungernden Kindern und von einer realitätsfernen Kirche. Ich überlasse es hier dem geneigten Leser, diese Trivialitäten selbst zu durchschauen und zu demontieren. (Und, bitte, beleidigt nicht meine und Eure Intelligenz indem ihr mir nachsagt ich betrachte hungernde Kinder per se als Trivialität)
Mir geht's heute um etwas anderes. Ich habe natürlich keine Ahnung, was für Leute beim Institut herumlaufen und welche Laiengruppe die Veranstaltungen frequentiert. Ich gehe aber mal davon aus, daß, wenn ein Kardinal im "Eigentlich heiße ich de Rohan"-Look daherkommt, die Leutchen nicht grade zu lauten Buh-Rufen ansetzen. Es wird eher so etwas herrschen wie unausgesprochen Zustimmung und stille Freude darüber, daß die Erwartungen an eine ausgefeilte Liturgie im Stile vergangner Tage erfüllt werden. Sprich, es gibt Einheit und Einigkeit zwischen Prälat, Priestern und Volk.
Wenn nun all die miesepetrigen Moserbacken einfach in IHRE Kirche gehen, an IHRER Liturgie teilnehmen und sich über die Einheit mit IHREM Priester freuen, wie wäre das denn? Klar, bei Atheisten wird das schwierig und auch bei kirchenfeindlichen Schwulen und Lesben wird es eher nicht als oft passieren. Aber diejenigen, die tatsächlich ein Verhältnis zur Kirche haben, welches eine Meinung (welcher Art auch immer) glaubwürdig erscheinen läßt, könnten doch zum Frieden in der Kirche - so ihnen daran gelegen ist - beitragen, indem sie einfach das Institut zelebrieren lassen, wie es zelebrieren will. Ist die Sucht nach moralischer Hoheit so groß, daß man sich lieber zum (biblisch sicherlich nicht geförderten) Richter über Andere aufschwingt anstatt in seinem Umkreis mal nach dem Rechten zu sehen? Werden die hungernden Kinder von einem ätzenden Kommentar gegen Karidnal Canizares und das Institut wirklich satt? Ist es opportun, vermeintlicher hierarchischer Gewalt mit verbaler Laien-Gewalt zu begenen? Wie fern von der Realität kann die Kirche sein, wenn sie so etwas wie das Institut genehmigt? Ist es nicht wahre Liberalität, wenn man solche Formen nicht kategorisch ausschließt, sondern ihnen einen Platz einräumt?
Alter Ritus hin, versus deum her. Das wird die Kirche nicht in den Ruin führen. Schädlich, unnütz und unproduktiv sind ideologisch aufgeheizte Grabenkämpfe, während denen man Energie verbrät, die man sicherlich anderenorts fruchtbringender einsetzen könnte. Das giltsowohl für die "Pro"- als auch für die "Contra"-Gruppe. Ist es wirklich so schwer, einander einfach mit Geduld zu begegnen und das grade für die Katholische Kirche so typische "sowohl als auch" gelten zu lassen?
Wenn ihr nicht ideologiebedingt dazu verpflichtet seid, die Kirche aus vollem Herzen und leerem Hirn zu hassen, dann macht doch beim nächsten Mal wenigstens den Versuch, Fünfe grade sein zu lassen. Wenn Ihr es nicht für Euch selbst tun könnt oder wollt, dann tut es für die Kirche, die es Euch danken wird.
3 days ago
8 comments:
Hi Alipius!
Danke für dieses Posting. In der Tat gibt es gerade sehr starke Tendenzen Richtung "Alte" Messe, das ist auch in Süddeutschland nicht übersehbar.
für einen Laien, der aufgrund seines Geburtsdatums nur mit der neuen Messe aufgewachsne ist, eine Herausforderung. Interessant ist es, die Motivationen der Befürworter, vor allem des befürwortenden Klerus, zu eruieren.
Nicht wenige beklagen sich über einen gewissen liturgischen "Wildwuchs", der im Zuge falscher Interpretationen des 2. Vaticanums und der Vermengung mit dem Zeitgeist der 68er entstanden ist.
Das ist meiens Erachtens schon nachzuvollziehen.
Es wäre interessant, hierzu mehr aus berufenerem Munde zu erfahren.
in jedem Fall bemerkte ich im Laufe der letzten Jahre speziell bei meinen zahlreichen Rombesuchen erstaunlich viele junge Seminaristen/Priester, die sich nicht mehr schämen, in Talar/Tracht auf die Straße zu gehn.
aus der älteren Nachgeneration des V II gibt es nicht wenige Priester, denen man ihr Amt nicht ansieht...
Mir ist das auf dem Bild wirklich ein bißchen viel Stoff im Verhältnis zum Körper - bei aller Liebe zu einer schönen Liturgie und schönen liturgischen Gewändern sieht mir dies zu sehr nach Ballkleid aus, um auf sonderlich fromme Gedanken zu kommen.
Mit dummen Sprüchen muß die Kirche leben (seit 2000 Jahren fast); es sind übrigens nicht alle, die dumme Sprüche machen, tatsächlich Hohlköpfe! (Ebensowenig, wie alle überzeugten, guten, frommen Christen notwendig klug sind.) Ich kenne eine Reihe Atheisten, die ich begründet für wesentlich gescheiter halte als mich.
Kardinal Canizares ist ein ganz winizges Männlein. Da wirkt die Cappa natürlich umso größer. Aber wenn man mit einer Schleppe erst einmal angefangen hat, dann kann man natürlich nicht sofort wieder aufhören, sonst ist's ja keine Schleppe mehr.
Mit der Ballsaaligkeit von barocken Kirchen oder Kardinalsgewändern ist es ja so, daß es für viele Leute funktioniert. Hier werden fromme Gedanken in der Regel auch nicht erzeugt, sondern untermalt oder in einen besonderen Rahmen gebracht.
Ich glaube nicht, daß mein Artikel absolut die Existenz von Menschen ausschließt, die dumme Sprüche machen und trotzdem keine Hohlköpfe sind, oder notwendigerweise alle frommen Christen als klug ausweist, aber sei's drum: Wer kein Hohlkopf ist, aber dumme Sprüche macht, die Schaden anrichten oder Schaden anrichten sollen, in noch schlimmer als jemand, der doof daherredet, weil er es eben nicht besser kann. Es gibt aber viele - zu viele - Leute, die heutzutage Mist über die Kirche verbreiten, ohne wirklich zu wissen, was sie sagen. Sie plappern Halbwahrheiten und Halbweisheiten ihrer Gurus nach, und wenn man ihnen auf den Zahn fühlt und plausible Gegenargumente bringt, kommt nach zehn Sekunden das große Schweigen. Das nervt mich, und dagegen wehre ich mich.
Besonders perfide ist, dass die Angriffe gegen die Kirche eine beschämende Feigheit beinhalten:
Auf die sanften Christen kann man ja bedenkenlos einschlagen- die wehren sich nicht, wahrlich angenehme Gegner, allen voran der alte Mann in Rom.
Komischerweise ist man bei der Kritik am Islam, selbst wenn sie noch so berechtigt ist, sehr zurückhaltend. Spielt keine Rolle, ob in der Türkei ein katholischer Priester von Radikalen auf offener Straße erschossen wird- niemand wagt auch nur die leiseste Kritik.
Geschweige denn unsere Herrn Satiriker und Comedians: Noch nicht mal Bemerkungen in Richtung Islam...na klar, man muss ja auch mit unmittelbarer Gegengewalt rechnen.
Alipius,
Ihr Bemühen um Frieden in der Kirche in Ehren.
Und sicher geht es bei der Cappa Magna weder darum, sich als Richter über andere aufzuschwingen noch um hungernde Kinder.
Aber ich frage mich, ob Jesus sich durch seine Kleidung so von seinen Freunden unterschieden hat wie ein Kardinal, der so etwas trägt von den Mitchristen? Ginge es in der Kirche nicht in erster Linie darum zu überlegen, was der Gründer wohl dazu gesagt hätte?
Liebe Eva,
ich weiß nicht, ob Sie Katholikin sind, oder nicht. Wenn ja, dann wissen Sie vermutlich, daß in der Katholischen Kirche Tradition und Schrift eng miteinander verbunden sind (Dei Verbum 9). Die Cappa Magna ist Teil der kirchlichen Tradition (Tradition ist hier natürlich nicht im Sinne mündlicher Tradition zu verstehen, welche zum Beispiel erst zum Entstehen der Heiligen Schrift geführt hat). In vergangenen Zeiten, als Bischöfe und Kardinäle gesellschaftlich eine andere Macht und ein anderes Ansehen besaßen als heute, hat sich ihre Kleidung im Laufe der Zeit von der der Laien und auch von der des niederen Klerus abgehoben. Das mag man in unserer heutigen Zeit argwöhnisch betrachten. Vom damaligen Standpunkt (und Weltbild) aus ist es aber durchaus schlüssig. Wenn die Kirche heute ein Kleidungsstück wie die Cappa Magna nicht rigoros verbietet, sondern liberal genug ist, es weiterhin zuzulassen, dann steckt dahinter kein Mangel an Rücksichtnahme auf unseren Herrn sondern ein Zulassen im Sinne der Vielfalt. Die Cappa Magna ist Bestandteil einer besonderen Form, welche viele Gläubige mit der alten Messe assoziieren, deren Zalebration ja auch erst unlängst durch ein weltweites Indult wieder erleichtert wurde. Wenn man innerhalb der seit Jahrhunderten gesteckten Grenzen dieser Form nun beginnt, jedes Detail daraufhin zu untersuchen, ob Jesus es "getan" oder "getragen" hätte oder was grundsätzlich seine Meinung dazu sein könnte, dann verliert man sich erstens in Theorien oder wüsten Bibel-Zitat-Schlachten ("Mein Mk. 10:23-25 schlägt deinen Mt. 26:8-11") und wird zweitens so eben doch früher oder später wenigstens nach dem moralischen Hochsitz wenn nicht gar nach dem Richterstuhl streben.
Grundsätzlich halte ich die Fragestellung "Was hätte Jesus dazu gesagt" für kaum legitim, denn Er hat bereits alles gesagt, was wir wissen müssen, um zu einem guten Ende zu kommen. Wer also diese Frage stellt, der impliziert meiner Meinung nach, daß man Jesus posthum noch etwas in den Mund legen könne. Davor sollten wir uns aber alle hüten, den die Zeit der Offenbarung hat mit dem Tod des letzten Apostels ihr Ende gefunden.
Alipius,
ich bin Katholikin, aber ich habe in meinem ganzen kirchlichen Leben in Österreich keine Tradition mit der Cappa Magna erlebt. Also kann diese ja nicht wesentlich dazu gehören, zudem wurden beim II. Vatikanum so weltlich-herrscherliche Dinge wie die Tiara abgeschafft und sie fehlen wohl kaum jemand.
Vielleicht hätte ich anders formulieren sollen, nicht was der Gründer dazu gesagt hätte, sondern dass zu überlegen ist, ob es im Sinne des Gründers ist und da gilt für mich ein eindeutiges NEIN
Eine Tradition ist natürlich immer ein wenig älter und länger andauernd als die Lebenszeit eines Individuums. Und Östererich ist groß: Der Klosterneuburger Propst Gebhard Koberger z.B. hat bis in die späten 80er Jahre regelmäßig die Cappa Magna getragen. Es ist richtig, daß Paul VI und seine Nachfolger auf die Tiara verzichtet haben. Die Cappa Magna war immer erlaubt, selbst nach dem Konzil. Jeder Bischof und jeder Prälat mit entsprechendem Privileg darf sie an hohen Feiertagen in seinem Jurisdiktionsbereich tragen. Die Cappa wurde lediglich aus den römischen Zeremonien verbannt. Ob bestimmte Dinge nun jemandem fehlen oder nicht, darüber läßt sich sicherlich debattieren. Schließlich haben traditionsorientierte kirchliche Institute, die eine etwas "gehobenere" Liturgie pflegen, guten Zulauf, sowohl was die Laien als auch was den priesterlichen Nachwuchs betrifft.
Im letzten Satz ihres Kommentares scheinen wir dem Kern der Sache näher zu kommen: Sie stellen eine Frage, die eher einen theoretischen Klang hat und nach dem Sinn des Gründers fragt, beantworten diese aber dann - irgendwie stellvertretend - mit einem eindeutigen "Nein". Wenn ich offen sein darf: Mir scheint es so, als wollten sie von vorneherein dieses "Nein" stellen. Das ist natürlich Ihr gutes Recht. Aber rufen sie nicht imaginäre Auslegungen des Sinnes unseres Herrn dafür in den Zeugenstand.
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