
Architecture and Morality war ein ganz großes Ding und ich höre es auch heute immer noch gerne. Zwar gibt es auf dieser Scheibe nicht mehr solche ungeschliffenen, rotzigen Synth-Punk-Perlen oder kraftwerkesque Klangcollagen wie auf dem ersten Album. Dafür haben OMD sich aber gegenüber Organisation gehörig weiterentwickelt. Ich weiß nicht wie ich es sagen soll, aber die Songs haben irgendwie "Umgebung" bekommen. Los geht's mit The New Stone Age. Rauhe Synthesizer-Ströme fließen über Akkustik-Gitarren-Geschraddel, begleitet von Andy McCloskeys leicht hysterischem Gesang. Gänsehaut gleich zu Beginn. She's leaving, das zweite Stück auf dem Album, ist dann eines dieser ganz typischen OMD Pop-Werke, auf denen einerseits ganz böse geschmachtet wird, die aber andererseits durch ihre Instrumentierung mit präzisen Drums, kristallklaren Keyboards und schönem Bass gar nicht so viel Credibility einbüßen. Zu Souvenir, dem dritten Titel, muß nicht mehr viel gesagt werden. Wahrscheinlich hat sich jeder Pop-Komposer in seinem Leben schon mindestens einmal gefragt: "Mist, warum ist diese Hookline nicht mir eingefallen?" Der Achtminüter Sealand dürfe auch gerne doppelt so lange dauern, weil er einfach so schön entspannt. Und jetzt kommen die beiden Johannas. Joan of Arc ist vor dem Chartbuster Joan of Arc (Maid of Orleans) als Single veröffentlicht worden, aber zumindest in Deutschland hat man von diesem Song nicht viel mitbekommen. Meiner Meinung nach zu unrecht. Denn der Song ist, bei aller kompositorischen Schlichtheit, ein dramaturgisches Meisterwerk. Er beginnt mit leisen Keyboard-Glöckchen und feenhaften Stimmen, zu denen einmal die Strophe durchgesungen wird. Dann folgt - unterbrochen von einer Bridge zwischen Strophe 3 und 4 - eben dieses Thema noch dreimal und es wird immer ein Klafter draufgelegt. Erst ein schöner Keyboardteppich, dann Drums und Bass und am Ende Tutti. Das klingt jetzt vielleicht unspektakulär, aber für mich ist Joan of Arc eines der bewegendsten Stücke der 80er Jahre überhaupt. Klar, dann kommt Joan of Arc (Maid of Orleans), was ja jeder kennt. Ich finde den Song nicht übel und er impliziert auch viel mehr Schmerz und Weh als Joan of Arc aber, wie gesagt, mich packt letzteres Stück eindeutig mehr. Es folgt der Titelsong Architecture and Morality, ein Instrumental-Experiment mit Keyboard-Chören, Glöckchengebimmel, Synthie-Melodie und baustelligem Rhythmus, welches man sich am besten selbst anhört. Georgia beginnt mit extrem durchsichtigem Tanz-Pop und quirlt dann irgendwie schräg ab in die Sample- und Tape-Büsche, bevor es am Ende ruhig ausklingt. Die Ballade The Beginning and the End ist der perfekte Abschluß für dieses Album. Melancholisch, verträumt und wunderbar instrumentiert.
Ich habe mal ein bißchen gemogelt und im Internet gewühlt und - siehe da - ich stehe nicht alleine da mit meinem Urteil: Architecture and Morality ist OMD's reifstes und hörenswertestes Album.
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