Piergiorgio Odifreddi ist nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Autor. Als Wissenschaftler ist er Mathematiker und Logiker. Als Autor hat er jüngst ein Buch veröffentlicht, wleches den Titel trägt
"Warum wir nicht Christen sein können (und noch weniger Katholiken)".Ja was denn nun? Ist der Mann Logiker, oder hält er die Meinung aufrecht, daß man eine Sache weniger als nicht sein kann?
Naja, wahrscheinlich ist ihm da die Publicity-Gier in die Quere gekommen. Schließlich muß man fix entscheiden und darf nicht allzu lange nachdenken, wenn es darum geht, sich in den Atheisten-Markt einzukaufen, solange die Aktien noch steigen. Mich amüsiert diese Panik irgendwie.
Interessant ist auch das Cover von Richard Dawkins
"Der Gotteswahn", welches jetzt also endlich auch von deutschsprachigen Nachdenkern dekonstruiert werden kann. Da gibt es auf dem Titel gleich ein Zitat:
"Ich bin ein Gegner der Religion. Sie lehrt uns, damit zufrieden zu sein, daß wir die Welt nicht verstehen."
Vergessen wir mal den zweiten Teil, der ja ohnehin nicht stimmt. Interessant ist Folgendes: Ein Grund, warum atheistische Wissenschaftler Gott ablehnen, ist die Tatsache, daß man nicht beweisen kann, daß Gott NICHT existiert. Das gilt als wissenschaftlich unseriös. Somit ist Gott aus dem Rennen. Somit darf man als Wissenschaftler aber als erste Prämisse auch nicht wählen
"Es gibt keinen Gott". Schließlich läßt sich seine Nicht-Existenz ja nicht beweisen. Also muß man von den Effekten auf die Ursache schließen. Ein Effekt wäre der Glaube bzw. die Religion. Da wird munter im Namen Gottes herumgemetzelt und außerdem glauben die ja an so Zeug wie Jungfrauengeburt und Transsubstantiation. Und die Pfaffen besitzen die Kühnheit, uns auf ein besseres Leben nach dem Tod zu vertrösten, damit wir hier auf Erden bloß nicht zu viele unbequeme Fragen stellen. Also sind wir Gegner der Religion. Also gibt es keinen Gott. Merkt Ihr was?
"Ich bin ein Gegner des Schmerzes, also gibt es keinen Körper" könnte man analog sagen. Oder - ganz mutig:
"Menschen tun im Namen Gottes Gutes. Also gibt es einen Gott". Hier müßte man dann allerdings die Größe besitzen, das Gute und nicht das Böse den Ausschlag geben zu lassen.
Dawkins kommt mit vielen netten Anekdoten daher. So verschlechterte sich z. B. in einem Test nur der Gesundheitszustand von Krankenhausinsassen, denen man sagte, daß man für sie bete. Den Anderen ging es viel schneller viel besser. Klar, wenn ich im Krankenbett liege und mir jemand sagt, daß er für mich betet, dann werde ich wahrscheinlich auch ein wenig zappelig, was sich nicht notwendigerweise positiv auf meine Genesung auswirken muß. Schönen dank für die Menschenversuche übrigens.
Russell's Teekanne wird auch bemüht. Dies ist eine ungeschickte Parabel, aber auch ein Hinweis darauf, woran es im Disput mangelt: Die Kirche hat sich nie wirklich prinzipiell gegen die Wissenschaft gesträubt. Schließlich wurden - mit der Ausnahme von Bologna - die ersten wissenschaftlichen Fakultäten in Europa an kirchlichen Lehrinstituten eröffnet. Galileo hat nicht deswegen Probleme bekommen, weil er die Gedanken des Kopernikus (der übrigens Domherr war und dessen heliozentrisches System bei vielen Prälaten auf großes Interesse gestoßen ist) aufgegriffen und verbreitet hat, sondern weil er sich - entgegen einer Absprache mit der Kirche - dazu entschloß dieses Weltbild als das Neue, das Richtige, das Einzige anzupreisen, bevor es bewiesen werden konnte. Die Kirche konnte und wollte der Wissenschaft nie die Existenz absprechen. Wenn es in den Ring ging, dann nur, um bestimmten Auswüchsen vorzubeugen oder entgegenzusteuern. Die Atheisten haben es da leichter. Sie tun so, als existiere Gott nicht und können deswegen auch ganz anders operieren, weil sie einfach einen Teil der Realität ausblenden. Stellt Euch folgende Situation vor: Zwei Fußballfelder. Auf dem Einen spielt sich ein Team von Theologen, Seminaristen, Dorfpfarrern und Kardinälen warm. Auf dem Anderen steht Richard Dawkins und schießt ununterbrochen die Kugel in ein leeres Tor. Dann ruft er zum anderen Feld hinüber: "Ey, Ihr Flaschen! Macht mal die Socken scharf! Es steht 32 zu Null für mich!"
Russel's Teekanne besagt Folgendes: Sollte ich behaupten, daß irgendwo zwischen Mars und Erde eine Teekanne um die Sonne rotiert, die so klein ist, daß sie selbst von unseren besten Mikroskopen nicht wahrgenommen werden kann, so könnte niemand meine Behauptung widerlegen. Sollte ich aber hinzufügen, daß das Bezweifeln meiner unwiderlegbaren Behauptung eine unerträgliche Anmaßung des menschlichen Verstandes ist, dürfte man mich zurecht des Verzapfens von Unsinn bezichtigen. Sollte aber die Existenz einer solchen Teekanne in alten Büchern bestätigt, sonntäglich von den Kanzeln als heilige Wahrheit verkündet und in den Verstand von Schulkindern eingeflößt werden, so wäre die zögerliche Annahme der Existenz dieser Teekanne ein Zeichen von Ekzentrizität, welches den Zweifler entweder zu einem Platz auf der Psychiater-Couch oder - in früheren Zeiten - einem Interview mit dem Inquisitor berechtigt.
Hübsch. Russel sieht - wie Dawkins - nur das eigene Spielfeld. Er blendet komplett die Realität (oder für ihn wenigstens die Möglichkeit) aus, daß ein Gott keine Teekanne ist, sondern ein Wesen, welches nicht nur in alten Büchern und von Kanzeln verkündet wird, sondern welches auch und vor allem dazu in der Lage ist, sich den Menschen zu offenbaren, wie es ja mehr als einmal geschehen ist.
Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, daß Atheismus nichts weiter ist, als eine Verengung der Vision. Aber eine hübsche Neben-Einnahmequelle: Wenn ein Kardinal sich zur Evolution äußert und dabei ungeschickt vorgeht, lacht die Welt. Wenn ein Wissenschaftler den schriftlichen Nachweis metaphysischer Defizite in polemisch-populistischer Formulierung als Hunderttausender-Auflage auf den Markt schmeißt, dann frißt man ihm aus der Hand.